| # taz.de -- Peking-Reise des Bundeskanzlers: Scholz’ desaströse China-Politik | |
| > Wandel durch Handel hat sich auch mit Blick auf Peking als Illusion | |
| > entpuppt. Das Geschäft mit China lohnt sich. Politisch ist Vorsicht | |
| > geboten. | |
| Bild: Chinas Staatspräsident Xi Jinping vor dem Volkskongress am 23. Oktober | |
| Jahrzehntelang setzte die westliche Welt auf die Formel: Wandel durch | |
| Handel. Je mehr Geschäfte wir mit China machen, desto mehr wird das Land | |
| wie wir. Das war der Plan. Was die wirtschaftliche Entwicklung angeht, sind | |
| beide Seiten mit dieser Formel auch gut gefahren. Chinas | |
| Wirtschaftsleistung hat sich seit Beginn des Jahrtausends fast | |
| verzehnfacht. Knapp eine halbe Milliarde Menschen hat einen Lebensstandard, | |
| der vergleichbar ist mit dem in Europa. | |
| Vor allem deutsche Unternehmen haben von dieser Entwicklung massiv | |
| profitiert. Fast jeden zweiten Euro erwirtschaften [1][Volkswagen], Siemens | |
| und BASF mit China. Politisch ist es allerdings komplett anders gekommen. | |
| Mit der Aufhebung der Amtszeitbegrenzung und der Besetzung sämtlicher | |
| wichtiger Posten mit loyalen Anhängern hat sich Staatschef Xi Jinping beim | |
| KP-Kongress zum unangefochtenen Führer krönen lassen. Vorher wurde das Land | |
| von einem autoritären Kollektiv regiert. | |
| Jetzt ist China eine Diktatur. Die enge ökonomische Verflechtung mit dem | |
| Westen führte nicht zu einer politischen Liberalisierung. Im Gegenteil: Je | |
| mehr China wirtschaftlich und technologisch auf- und gar überholt, desto | |
| abhängiger ist der Westen von der Volksrepublik geworden. Unter diesen | |
| Vorzeichen stand die Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz als erster | |
| westlicher Regierungschef seit Xis Inthronisierung zum Alleinherrscher. | |
| Zusammen mit zwölf deutschen CEOs verbrachte er elf Stunden in Peking. | |
| Auf Kritik nicht nur von der EU-Kommission für diesen Alleingang, sondern | |
| auch innerhalb der Ampelregierung, rechtfertigte sich der Kanzler: Es gelte | |
| im [2][Ukraine-Konflikt], bei den anstehenden Klimaverhandlungen und in | |
| Handelsfragen positiv auf die Führung in Peking einzuwirken. Und überhaupt: | |
| Als deutscher Bundeskanzler verstehe er sich automatisch als Abgesandter | |
| der EU, schließlich verständige er sich laufend mit Brüssel und Paris. | |
| Nur: In keinem dieser von Scholz benannten Themenfelder hat er bei seinem | |
| Kurzbesuch etwas erreicht. Peking gibt weiter dem Westen die Schuld an | |
| Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine. Bei den Klimaverhandlungen weigert | |
| sich die chinesische Führung, mit den USA an einem Tisch zu sitzen. Und | |
| wirtschaftlich hat Peking ganz klar das Ziel formuliert: Nach innen soll | |
| China technologisch und wirtschaftlich autark werden, nach außen will China | |
| Abhängigkeiten schaffen. | |
| ## Peking spinnt ein gigantisches Netz | |
| An dieser wirtschaftspolitischen Kampfansage hat auch Scholz mit seiner | |
| Aufwartung nichts ändern können. Xi hingegen bleibt lachend zurück und | |
| sieht sich bestätigt: Wenn es um Wohlstandsverluste geht, hält der Westen | |
| eben doch nicht so zusammen wie beschworen. Jedes Land ist um des eigenen | |
| Vorteils bedacht, allen voran die Deutschen. | |
| Dabei gilt es jetzt, Einigkeit zu zeigen. In einer Reihe von | |
| Schlüsselbranchen, etwa der Batterietechnologie, beim Abbau der Seltenen | |
| Erden und in der Netzwerktechnologie ist China bereits führend. Zugleich | |
| spinnt Peking ein [3][gigantisches Netz] aus Häfen, Schienen, | |
| Logistikdrehkreuzen und Militärstützpunkten, um die weltweiten Handelswege | |
| unter Kontrolle zu bringen. Schon bald werden Europa, Nordamerika, Japan | |
| und Australien nur noch gemeinsam wirtschaftlich stark genug sein, um China | |
| wirksam die Stirn zu bieten. | |
| Ein totales Zurückdrehen der Wirtschaftsbeziehung mit China ist | |
| unrealistisch und gar nicht wünschenswert. Denn bei der Lösung der globalen | |
| Probleme wird China gebraucht. Dennoch ist eine wirtschaftliche | |
| Entflechtung notwendig. Ziel muss sein, in wichtigen Branchen unabhängig | |
| von China zu werden und eigene Regeln selbstbewusst durchzusetzen. | |
| Die Zeit drängt. Deutschland und die EU brauchen Leitlinien, in denen klar | |
| definiert ist, welche Zusammenarbeit mit China als risikolos gilt und | |
| welche nicht. Der [4][Verkauf kritischer Infrastruktur] an chinesische | |
| Staatsunternehmen muss ganz klar untersagt werden. Wenn der Westen wie | |
| Scholz mit seinem Besuch in China denkt, weitermachen zu können wie bisher, | |
| ist die Geschichte des 21. Jahrhunderts nicht nur eine vom Aufstieg Chinas, | |
| sondern gleichzeitig die vom Niedergang der demokratischen westlichen | |
| Werte. | |
| 5 Nov 2022 | |
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| Felix Lee | |
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