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# taz.de -- Kanzler Olaf Scholz reist nach Peking: Im Kriechgang nach China
> Bundeskanzler Olaf Scholz bricht am Donnerstag zu seinem Antrittsbesuch
> nach China auf. Große Forderungen kann er nicht stellen.
Bild: Deutsche Autos auf den Straßen von Shanghai. So soll es bleiben, hoffen …
Berlin taz | Eine Wohlfühlreise ist es nicht, selbst „Reise“ trifft es
kaum. Bundeskanzler Olaf Scholz bricht am Donnerstag zu einem [1][Kurztrip
nach Peking] auf. Freitagmorgen trifft Scholz ein, pendelt in Peking
zwischen dem Gästehaus der chinesischen Regierung und der Großen Halle des
Volkes, trifft unter anderem Staatspräsident Xi Jinping, fliegt abends
zurück. Für Gespräche mit Menschenrechtsvertreter:innen bleibt da
wohl weder Zeit noch Raum.
Der Zeitpunkt, so kurz nach [2][dem Parteitag der Kommunistischen Partei],
und das Ziel der Reise sind umstritten. Kritik kam vor Reisebeginn von
westlichen Partnern, aber auch aus der eigenen Koalition. Die grüne
Außenministerin Annalena Baerbock ermahnte Scholz am Dienstag, die
Bedeutung von Menschenrechten hervorzuheben und erinnerte an den
Koalitionsvertrag, der eine neue Chinastrategie vorsieht.
Die Reise sei mit Frankreich und den USA abgesprochen, keiner habe gesagt
„Fahr nicht“, kontert das Kanzleramt. Und: Der Kanzler werde das Thema
Menschenrechte selbstverständlich ansprechen. Diese Reise sei keine bloße
Fortsetzung früherer Ansätze, sondern eine Reise, bei der man prüfen wolle,
wo Kooperation auch unter veränderten Vorzeichen in beiderseitigem
Interesse sei, heißt es aus dem Kanzleramt.
Vorzeichen und Interessen haben sich jedoch vor allem aus Sicht des Westens
ungünstig verändert. China ist eine wirtschaftliche Weltmacht, die etwa
Taiwan unverhohlen auch militärisch droht und straff autoritär regiert
wird. Im [3][Krieg gegen die Ukraine] steht China auf Seiten Russlands.
## Gefährliche Asymmetrie
Der Krieg und die chinesische Position werden ein Thema bei den Gesprächen
sein, so das Kanzleramt. Man hoffe, dass China als ständiges Mitglied des
UN-Sicherheitsrates seinen Einfluss geltend macht, damit Russland den Krieg
beendet.
Im Zentrum des Besuchs werden jedoch nicht Hoffnungen, sondern handfeste
wirtschaftliche Themen stehen, der Bundeskanzler reist denn auch in
Begleitung einer Wirtschaftsdelegation. Auch hier haben sich die Gewichte
in den letzten Jahren zum Vorteil Chinas verschoben. China ist der
wichtigste Handelspartner Deutschlands – allein 2021 betrug das
Umsatzvolumen der Im- und Exporte 245 Milliarden Euro.
Und es hat sich eine deutliche Asymmetrie entwickelt: Während China im
Laufe der Jahre immer weniger Maschinen und Waren aus Deutschland bezieht,
ist das umgekehrt nicht der Fall: Der chinesische Anteil am deutschen
Handel lag zuletzt bei 10 Prozent. Umgekehrt beträgt der deutsche Anteil am
chinesischen Außenhandel nur noch 4 Prozent. Deutschland ist vom
China-Handel also deutlich abhängiger als umgekehrt.
In einigen Bereichen wie etwa in der Netzwerk- und Informationstechnologie
kommen sogar rund 40 Prozent aller Importe aus der Volksrepublik. Noch
höher ist der Bedarf bei Seltenen Erden, den Stoffen, die Deutschland
derzeit vor allem für seine Energiewende benötigt.
## Abkopplung hätte fatale Folgen für Automobilbauer
Der Bundeskanzler reise nicht als oberster Handelsvertreter der Deutschland
AG nach China, heißt es aus dem Kanzleramt. Dennoch ist offenkundig, dass
Deutschland an guten wirtschaftlichen Beziehungen interessiert ist, ja sein
muss. Von einem deutschen Rückzug aus China kann jedenfalls nicht die Rede
sein. China sei als Handelspartner von herausragender Bedeutung, so das
Kanzleramt. Klar sei aber auch, dass man den Umfang der großen
Abhängigkeiten überwinden müsse.
Das Ifo-Institut hatte vor einigen Monaten durchgerechnet, was eine
komplette wechselseitige Abkopplung von China für Deutschland bedeuten
würde. Zahlreiche Branchen müssten auf günstige Zulieferer aus China
verzichten. Zugleich würde der weltweit inzwischen zweitgrößte Absatzmarkt
für sie wegbrechen. Größter Verlierer wäre die deutsche Automobilindustrie.
Hier würde es einen Wertschöpfungsverlust von rund 8,3 Milliarden Euro
geben, das entspricht einem Minus von rund 8,5 Prozent. Die Maschinenbauer
wären mit einem Minus von über 5 Milliarden Euro betroffen.
Der Automarktexperte Ferdinand Dudenhöffer, Direktor vom Center of
Automobile Research, (CAR) etwa ist sich sicher, dass die deutsche
Autoindustrie um China gar nicht herum kommt. Für China gebe es keinen
Ersatz. Man könne zwar neue Standorte suchen, zum Beispiel in den USA. Doch
die USA seien kein Wachstumsmarkt mehr. China hingegen schon: Das
Marktpotenzial in China liegt heute bei etwa 20 Millionen Neuwagen im Jahr.
Dudenhöffer schätzt das langfristige Marktpotenzial von China auf 50
Millionen Neuwagen. Würde die deutsche Autoindustrie den chinesischen Markt
verlieren, würde VW auf einen Schlag an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, so
Dudenhöffer und glaubt, das wäre das Ende der deutschen Automobilindustrie.
## China will autark werden
Für einen völligen Stopp des Handels und der Abbruch aller Beziehungen mit
China ist auch bei den Grünen und der FDP kaum jemand. Dafür ist China bei
globalen Problemen wie etwa dem Klimawandel, Rohstoffmangel und
Lieferkettenengpässen ein zu wichtiger Player. FDP und Grüne plädieren für
mehr Diversifizierung. Die deutschen Unternehmen sollen sich stärker
anderen Märkten etwa in Südostasien zuwenden. Derzeit ist allerdings ein
gegenläufiger Trend zu beobachten: BASF, Volkswagen und Siemens gehen noch
stärker in den chinesischen Markt.
Ein weiteres Problem, und darauf verweisen auch die Ifo-Ökonomen: Eine
Abkehr vom chinesischen Markt dürfte gar nicht von Deutschland entschieden
werden. Die USA fordern bereits von den Europäern, sich für eine Seite zu
entscheiden: China oder die USA. Hinzu kommt, dass China selbst bereits am
Entkoppeln ist. Die Führung unter Xi Jinping hat explizit das Ziel
vorgegeben, dass China technologisch und wirtschaftlich nach innen autark
werden, der Rest der Welt aber abhängig von China werden soll.
Olaf Scholz ist also gar nicht in der Position große Forderungen an China
zu richten. Sondern muss darauf hoffen, dass das Kräftegleichgewicht sich
nicht noch mehr zu Gunsten Chinas verschiebt.
3 Nov 2022
## LINKS
[1] /Olaf-Scholz-reist-nach-Peking/!5888841
[2] /Parteitag-der-KP-Chinas/!5886857
[3] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
## AUTOREN
Felix Lee
Anna Lehmann
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