Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Religion in China: Rote Flagge statt Minarett
> Xi Jinping propagiert eine „Sinisierung der Religionen“.
> Glaubensgemeinschaften werden nur geduldet, wenn sie sich dem Sozialismus
> unterordnen.
Bild: Während des Ramadans im Niujie Viertel in Yinchuan
Yinchuan/Peking taz | Auf Onlinereiseplattformen wird die Nanguan-Moschee
nach wie vor als Touristenattraktion beworben. Und tatsächlich mutet das
Gebäude wie ein islamischer Prachtbau an: grüne Kuppeln, goldene Ornamente
und Minarette, deren Spitzen Halbmonde zieren.
An diesem kühlen Herbstabend ist die Moschee im Stadtzentrum von Yinchuan
jedoch kaum wiederzuerkennen: Hinter dem vergitterten Eingang lässt sich
lediglich ein schlichter Funktionsbau ausmachen. Sämtliche arabische
Schriftzeichen und dekorative Elemente wurden kurz vor der Pandemie im Zuge
einer „Renovierung“ entfernt. Statt Minaretten ragt hier nun die rote
Flagge der Volksrepublik China in den Himmel.
Wenn es in den Medien um den Islam in China geht, wird meist über [1][die
muslimische Minderheit der Uiguren] berichtet. Das Turkvolk, beheimatet in
der Region Xinjiang, wird seit Jahren brutal vom chinesischen Staat
unterdrückt.
Doch weit weniger bekannt ist, dass der Großteil der Muslime im Reich der
Mitte einer anderen Ethnie angehören: Die über zehn Millionen Hui sind in
ihrem Äußeren kaum von Han-Chinesen zu unterscheiden. Sowohl kulturell als
auch religiös sind sie weitgehend assimiliert. Und dennoch sind auch die
Hui in den letzten Jahren vermehrt ins Visier der Behörden geraten.
## Gebetsrufe sind verboten
Nirgendwo lässt sich dies besser beobachten als im nordwestchinesischen
Yinchuan, wo die muslimische Minderheit ein Viertel der Bevölkerung stellt:
Gebetsrufe sind längst wegen „Lärmschutz“ verboten, die Korane wurden aus
den Souvenirläden entfernt.
Auch das Stadtbild hat sich nachhaltig verändert: Der idyllische
Aiyi-Fluss, der behäbig durch die Zwei-Millionen-Metropole fließt, wurde
2018 von den Behörden wegen seines „arabisch klingenden Namens“ umgetauft.
Wie ein Experte der örtlichen Ningxia Universität für Hui-Studien in den
Staatsmedien damals erklärte, würde „Aiyi“ in den Ohren der Chinesen zu
sehr nach „Aisha“ klingen – einer der fünf Ehefrauen des Propheten
Mohammed. Das wiederum verstoße gegen das Gesetz: 2013 hatte die
Lokalregierung nämlich beschlossen, dass Örtlichkeiten in Yinchuan nicht
nach ausländischen Personen benannt werden dürfen.
Auch die Prachtstraße – vormals als „sino-arabische Achse“ errichtet –
wurde 2018 in „Straße der Einheit“ umbenannt. Im benachbarten Park, der
einst Touristen aus dem Mittleren Osten anlocken sollte, haben die Behörden
eine riesige Halbmondstatue niedergerissen.
All jene Maßnahmen sind Teil der „Sinisierung von Religionen“, die
[2][Staatschef Xi Jinping] 2016 in einer Grundsatzrede gefordert hatte:
„Religionen in China müssen chinesisch ausgerichtet sein“ und „sich an d…
sozialistische Gesellschaft anpassen“, sagte der 69-Jährige damals. Aus
seinen Worten klingt zwar, dass Xi die Existenz der Religionsgemeinschaften
grundsätzlich anerkennt – diese jedoch gleichzeitig kontrolliert und
reguliert werden müssen.
## Effektive Überwachung
Der Slogan ist keine rhetorische Worthülse, sondern hochpolitisch: Die
„Sinisierung von Religionen“ soll sicherstellen, dass auch jene
Gesellschaftsbereiche, die nicht direkt der Partei untergestellt sind,
effektiv überwacht werden können. Religionen sind in den Augen der KP
schließlich immer auch eine potenzielle Bedrohung für die Herrschaft des
Systems, da sie als Brutstätte für oppositionelle Kräfte dienen können.
Etliche historische Beispiele belegen dies, etwa die katholische Kirche im
kommunistischen Polen.
Wie die „Sinisierung“ anno 2022 umgesetzt wird, ließ sich Ende August
eindrücklich beobachten. Als die „Katholische Patriotische Vereinigung“ –
Chinas staatlich abgesegnete Kirche – bei einer Abstimmung in Wuhan eine
neue Führung gewählt hatte, wurden die Bischöfe prompt ins Pekinger
Regierungsviertel vorgeladen.
Beim Tee mit Wang Yan, Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros,
wurden ihnen mehrere ideologische Treuegelübde abgerungen – unter anderem,
dass es „notwendig“ sei, „der Gedankenlehre Xi Jinpings über den
Sozialismus chinesischer Prägung zu folgen“. Ebenfalls forderte der
ranghohe Parteikader Wang, dass die Kirche aktiv helfen müsse,
„Infiltrierungen durch feindliche Kräfte aus dem Ausland abzuwehren“.
Dass der Staat an erster Stelle steht, lässt sich auch im muslimischen
Niujie-Viertel in Peking beobachten. Hier sind ebenfalls sämtliche
arabische Schriftzeichen von den Wänden der Halal-Restaurants verschwunden.
Aus den Häuserfassaden ragen zwar nach wie vor geschwungene Dachsparren
hervor, doch statt historisch mutet das Viertel längst wie eine
folkloristische Tourismusversion an.
Und an der Moschee, die von einer mobilen Polizeiwache und Dutzenden
Sicherheitskameras bewacht wird, werden derzeit Renovierungen durchgeführt.
Die Bauarbeiter haben den Eingangsbereich in Plastikplanen gehüllt, auf
denen in chinesischen Schriftzeichen die „12 Kernwerte des Sozialismus“
prangen, die Xi Jinping vor zehn Jahren auf dem 18. Parteikongress
propagiert hat – darunter „Patriotismus“, „Demokratie“ und „Gerecht…
28 Oct 2022
## LINKS
[1] /UN-Menschenrechtsbericht-zu-China/!5878646
[2] /KP-China-beendet-Parteikongress/!5889947
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
Religion
muslimische Uiguren
China
China
KP China
China
China
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kanzler Olaf Scholz reist nach Peking: Im Kriechgang nach China
Bundeskanzler Olaf Scholz bricht am Donnerstag zu seinem Antrittsbesuch
nach China auf. Große Forderungen kann er nicht stellen.
Erklärung von 50 UN-Staaten: China soll Uiguren freilassen
50 Staaten prangern „schwere und systematische“ Menschenrechtsverletzungen
in der chinesischen Provinz Xinjiang an. Unter ihnen auch Deutschland.
UN-Bericht zur Lage der Uiguren: Durchbruch für Betroffene
Der UN-Bericht verdeutlicht Menschenrechtsverletzungen gegen die Uiguren.
Das Leugnen Chinas sollte endlich Konsequenzen haben.
UN-Menschenrechtsbericht zu China: Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Wenige Minuten vor Ende ihrer Amtszeit veröffentlicht die
UN-Menschenrechtskommissarin ihren lang erwarteten Xinjiang-Bericht. Er
enthält schwere Vorwürfe.
Menschenrechtsverletzungen in China: Berichte des Grauens aus Xinjiang
Eine internationale Medienkooperation belegt Verbrechen an den Uiguren im
Nordwesten Chinas. Peking soll auch einen Schießbefehl erteilt haben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.