# taz.de -- China stellt Maßnahmen vor: Die Klimamühen des Xi Jinping | |
> Beim Kampf gegen den Klimawandel hat der chinesische Staatschef | |
> ambitionierte Ziele vorgelegt – und erste Maßnahmen. Das war längst | |
> überfällig. | |
Bild: Wochenlang war der Wasserstand in vielen Teilen des Flusses Jangtse so ni… | |
PEKING taz | Als Xi Jinping am 16. Oktober den historischen 20. Parteitag | |
der Kommunistischen Partei Chinas eröffnete, sparte er in seiner | |
zweistündigen Rede das Thema Klimawandel keineswegs aus. Ganz im Gegenteil: | |
Der 69-jährige Staatschef versprach, die Emissionen des Landes | |
„grundsätzlich eliminieren“ zu wollen. Zudem sagte er vor den | |
Parteidelegierten in der Großen Halle des Volkes: „Wir müssen danach | |
handeln, dass unsere klaren Gewässer und üppige Berglandschaft von | |
unschätzbarem Wert sind.“ | |
Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? Nachdem Xi inzwischen seine neue | |
Führungsmannschaft vorgestellt hat, ist es an der Zeit, die Volksrepublik | |
einer klimapolitischen Bilanz zu unterziehen – und auch zu schauen, welchen | |
Kurs die Regierung in den nächsten Jahren einschlagen wird. Angesichts der | |
in der kommenden Woche beginnenden UN-Klimakonferenz im ägyptischen Scharm | |
El-Scheich steht der weltgrößte CO2-Verschmutzer schließlich zunehmend | |
unter Druck, mehr Resultate zu liefern. | |
Fest steht: Xi Jinping wird als derjenige chinesische Staatschef in die | |
Geschichtsbücher eingehen, der den Umweltschutz erstmals zur Chefsache | |
erhoben hat. Dafür war es auch höchste Zeit, denn die massiven Probleme in | |
der Volksrepublik drohten längst die gesellschaftliche Stabilität des | |
Landes zu gefährden: Das rasante Wirtschaftswachstum hatte zu | |
apokalyptischen [1][Feinstaubwerten in den Städten] geführt, [2][unzählige | |
Gewässer sind verschmutzt], Jahrtausende alte Landwirtschaften zerstört. | |
Wenn man sich die [3][CO2-Emissionen] pro Kopf anschaut, dann sind diese im | |
Reich der Mitte vor allem ab der Jahrtausendwende massiv angestiegen. Kurz | |
vor Xi Jinpings Amtsantritt flacht die Kurve deutlich ab. Im Vorjahr betrug | |
der Wert auf die Bevölkerung hochgerechnet 8,7 Tonnen – das ist deutlich | |
geringer als in den Vereinigten Staaten (14,5), jedoch höher als in | |
Deutschland (8,1), Österreich (7,5) und der Schweiz (4). | |
Dabei ist China vom Klimawandel auch im internationalen Vergleich | |
überproportional bedroht. Diesen Sommer litt das Land unter der schlimmsten | |
Hitzewelle seit Beginn der modernen Wetteraufzeichnungen vor sechs Dekaden. | |
Manche Flüsse trockneten aus, während andere in anderen Landesteilen | |
sintflutartig überliefen. Fabriken mussten schließen, ganze Städte waren | |
von Stromausfällen betroffen und der wirtschaftliche Schaden ging in die | |
Milliarden US-Dollar. Wie Experten in den Staatsmedien warnen, müssen sich | |
die 1,4 Milliarden Chinesen künftig auf solche Extremwetter als neuen | |
Normalzustand gewöhnen. | |
## Erste Klimaziele | |
Den Ernst der Lage hat Chinas Staatschef zweifelsohne erkannt. 2020 | |
verkündete Xi erstmals langfristige Klimaziele für das Land: Noch innerhalb | |
der laufenden Dekade will man den Höhepunkt der nationalen CO2-Emissionen | |
erreichen, bis 2060 schließlich vollkommen klimaneutral werden. | |
Es wäre die größte Schadstoffreduktion in der Geschichte der Menschheit. | |
Wie viel sie kosten würde, hat die Weltbank aktuell versucht zu schätzen: | |
Allein für die Klimaneutralität der zentralen Bereiche Strom und Verkehr | |
müsste Peking insgesamt umgerechnet 14 Billionen US-Dollar investieren. | |
Derzeit ist man von Klimaneutralität freilich noch weit entfernt: Wenn man | |
die sogenannte CO2-Emmissionsintensität des Bruttoinlandsprodukts anschaut | |
– also wie viel Schadstoffe gemessen am Wachstum produziert werden –, dann | |
ist die Volkswirtschaft in China dreieinhalb mal so schmutzig wie die | |
Europäische Union. Vor allem aber, und darauf schauen ebenfalls viele | |
Beobachter, ist die Volksrepublik China absolut gesehen mit Abstand der | |
größte Schadstoffemittent weltweit. Fast ein Drittel der globalen | |
CO2-Emissionen stammen aus dem Reich der Mitte. | |
## Erneuerbare auf dem Vormarsch | |
Doch dies ist nur die eine Seite der Medaille. China verfügt nämlich | |
gleichzeitig über ein Drittel der weltweit installierten Windenergie und | |
ein Viertel der Solarkapazität. In den Bereich erneuerbarer Energien | |
investiert das Reich der Mitte zudem mehr als die Europäische Union und die | |
Vereinigten Staaten zusammen. | |
Nicht zuletzt hat die chinesische Regierung im Vorjahr versprochen, dass | |
man keine Kohlekraftwerke im Ausland mehr bauen werde. Von den über 100 | |
bereits geplanten Projekten wurde jedes vierte inzwischen ausgesetzt, was | |
laut dem Center for Research on Energy and Clean Air jährlich 85 Millionen | |
Tonnen Kohlendioxid verhindern wird. | |
Doch selbstverständlich bleiben bei Chinas Klimazielen viele Fragezeichen | |
offen. Wenn sich die derzeit angeschlagene Wirtschaft nicht allmählich | |
erholt, könnte die Regierung versucht sein, ihre Priorisierung der | |
Umweltschutzmaßnahmen für ein höheres Wachstum zu opfern. | |
Überhaupt steht Peking vor schmerzhaften Reformen, bei denen es darum geht, | |
die energieintensive Volkswirtschaft nachhaltiger zu transformieren. | |
Zudem wird der globale Kampf gegen den Klimawandel massiv vom eskalierenden | |
Konflikt zwischen Peking und Washington gelähmt. Nachdem die US-Demokratin | |
Nancy Pelosi im August Taiwan besucht hatte, hat China schließlich seine | |
Klimagespräche mit den USA komplett suspendiert. Auch im Umgang mit Europa | |
könnte Peking künftig versuchen, die Klimakarte auszuspielen, um | |
politischen Druck auszuüben. | |
Trotz aller Hindernisse aber scheint Chinas Staatsführung nach wie vor an | |
ihren ambitionierten Zielen festhalten zu wollen. Und wenn man genauer | |
hinschaut, kann man auch in der neuen Parteiführung einige Lichtblicke für | |
die Zukunft beobachten: Ende Oktober schaffte es der amtierende | |
Bürgermeister Pekings ins mächtige Politbüro. Chen Jining hat an der | |
berühmten Tsinghua-Universität Umwelttechnik studiert und die Hauptstadt | |
unter Hochdruck grün und nachhaltig gestaltet. | |
Je mehr Kader wie Chen es an die Spitze des Machtapparats in Peking | |
schaffen, desto tiefer wird auch die Klimapolitik in der Agenda Chinas | |
verankert. | |
31 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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