# taz.de -- Konzern aus China im Hamburger Hafen: Einfallstor für China? | |
> Olaf Scholz hat die Beteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco an | |
> einem Containerterminal ermöglicht. Gegen Bedenken aus seinem Kabinett. | |
Bild: Schon heute werden hier viele Container aus China umgeschlagen: Hamburger… | |
HAMBURG taz | Kleines Terminal – große Aufregung. Am Mittwoch hat das | |
Kabinett auf Drängen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) einen Einstieg der | |
chinesischen Staatsreederei Cosco im Hamburger Hafen ermöglicht. Sechs | |
Ressorts, allen voran das von Robert Habeck geführte | |
Wirtschaftsministerium, hatten Bedenken. Der Minister sah in der | |
Beteiligung an dem Containerterminal Tollerort „Erpressungspotenzial“ für | |
die Chinesen. | |
Der Hamburger Hafen ist der wichtigste Deutschlands und einer der größten | |
Europas. Der Containerumschlag macht dabei knapp die Hälfte aller | |
Schiffsanläufe aus. Hinter der aufgeregten Diskussion der vergangenen Woche | |
steht also die Frage, ob die Hamburger China den Schlüssel zu Deutschlands | |
Tor zur Welt in die Hand drücken würden. | |
Die Ampel einigte sich am Ende [1][auf einen Kompromiss]: Cosco darf 24,9 | |
Prozent am Containerterminal erwerben. Die Hamburger Hafen und Logistik AG | |
(HHLA), der überwiegend im Besitz der Stadt befindliche Terminalbetreiber, | |
hatte zuvor noch 35 Prozent verkaufen wollen. | |
Tollerort ist das kleinste von drei Containerterminals der HHLA in Hamburg. | |
Darüber hinaus betreibt die Bremer Eurogate-Gruppe dort ein | |
Containerterminal. Der Hamburger Senat wie auch der Bundeskanzler verweisen | |
darauf, dass Grund und Boden, wie es in Hamburg Praxis ist, im Besitz der | |
Stadt blieben. | |
## Scholz wiegelt ab | |
Lediglich an der Suprastruktur aus Containerbrücken, Kränen und Fahrzeugen | |
würde Cosco beteiligt. Ein falscher Einfluss auf die Infrastruktur sei | |
daher „in diesem Fall in keiner Weise gegeben“, versicherte Scholz am | |
Donnerstag in Athen. | |
Mit weniger als 25 Prozent hat Cosco weder eine Sperrminorität noch das | |
Anrecht auf einen Geschäftsführerposten. Der Käufer dürfe sich auch nicht | |
per Vertrag Vetorechte bei strategischen Geschäfts- oder | |
Personalentscheidungen einräumen lassen, versicherte das | |
Wirtschaftsministerium. | |
Cosco hatte für die 35-prozentige Beteiligung nach einer Mitteilung an die | |
Hongkonger Börse 65 Millionen Euro geboten, was nun entsprechend weniger | |
werden dürfte. Die Reederei erklärt sich der HHLA zufolge bereit, Hamburg | |
im Zuge der Beteiligung zum „preferred hub“ in Europa zu machen: zum | |
bevorzugten Anlaufpunkt für seine Containerverkehre. | |
Im Gegenzug erhält Cosco einen Anteil am Gewinn der Betreibergesellschaft | |
und die Container der Reederei werden bevorzugt abgefertigt. „Die sichern | |
zu, dass sie die Ladung zuerst nach Hamburg bringen, wir sichern zu, diese | |
zuverlässig abzufertigen“, sagt HHLA-Sprecher Hans-Jörg Heims. Anders als | |
bei einem „dedicated hub“, der für eine Reederei reserviert ist, würden | |
aber nicht ständig Plätze für Cosco freigehalten. | |
Das Terminal stehe weiterhin anderen Reedereien offen. Im Konfliktfall etwa | |
eine taiwanesische Reederei an der Abfertigung zu hindern, sei nicht | |
möglich, versichert Heims. „In einem Krisen- oder Konfliktfall ergeben sich | |
daraus für den chinesischen Investor keine Handlungsoptionen, die nicht | |
ohnehin bestehen – wie ein Abzug von Ladung oder das Einstellen des | |
Anlaufens des Hamburger Hafens“, sagt eine Sprecherin der Hamburger | |
Wirtschaftsbehörde. | |
Im Übrigen habe sich Cosco bereits in andere europäische Häfen eingekauft. | |
Hamburg das zu versagen „wäre eine schwere Belastung für den | |
Wirtschaftsstandort und eine einseitige, wettbewerbsverzerrende | |
Benachteiligung“. | |
Dabei ist der Hamburger Hafen ohnehin schon unter Druck, weil sich der | |
Ausbau der Elbfahrrinne verzögert und auch nicht zum gewünschten Ergebnis | |
geführt hat. Dazu kämen Staus bei der Bahn und mangelnde Effizienz, sagt | |
Burkhard Lemper vom Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logisik | |
(ISL). | |
„Vom Prinzip her“ sei die jetzt gewählte Lösung „ziemlich ungefährlich… | |
urteilt Lemper. Das Problem sei nicht diese eine Beteiligung. „Es geht eher | |
um die [2][Frage, ob man die relativ aggressive Politik Chinas unterstützen | |
möchte]“, sagt Lemper. | |
Für Rolf Langhammer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IFW) besteht | |
das Problem darin, „dass [3][Cosco ein zentraler Akteur in der chinesischen | |
Strategie der digitalen und maritimen Seidenstraße] ist“. | |
## Die Macht der Reeder-Allianzen | |
Über die vielen Hafenbeteiligungen könnte Cosco eine marktbeherrschende | |
Stellung bei der Abwicklung des globalen Handels erreichen. Zudem wolle | |
Cosco mit anderen chinesischen Partnern die Digitalisierung des globalen | |
Transports vorantreiben und damit eine sehr starke Position im globalen | |
Transport einnehmen. | |
[4][HHLA-Sprecher Heims versichert, mit einer Beteiligung an Tollerort | |
könne Cosco nicht auf sensible IT und Kundendaten zugreifen]. „Unsere IT | |
ist nicht in der Beteiligungsgesellschaft von Tollerort verankert, sondern | |
in der Holding“, sagt er. | |
Alle Häfen seien mit der Marktmacht von vier großen Reedereiallianzen | |
konfrontiert, sodass es sich Hamburg [5][nicht leisten könne, Cosco zu | |
verlieren.] „Durch die Vereinbarung mit Cosco stellen wir sicher, dass sie | |
uns weiterhin anlaufen.“ | |
28 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Streit-um-Hafenbeteiligung/!5887289 | |
[2] /Coscos-Einstieg-in-den-Hamburger-Hafen/!5887209 | |
[3] /Coscos-Anteile-am-Duisburger-Hafen/!5887290 | |
[4] https://hhla.de/ | |
[5] https://world.lines.coscoshipping.com/ | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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