# taz.de -- Bundesvereinigung Trans* über WHO: „Die Entscheidung ist ein Mei… | |
> Die Weltgesundheitsorganisation streicht Transsexualität von der | |
> Krankheitsliste. Das reicht noch nicht, findet BV-Trans*-Vorstand Wiebke | |
> Fuchs. | |
Bild: Beim Christopher Street Day (hier in Berlin) wird auch weiter für die Re… | |
taz: Frau Fuchs, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Transsexualität | |
von der Liste psychischer Erkrankungen gestrichen. Ist das ein großer Sieg | |
für alle Trans*? | |
Die Entscheidung ist ein großer Schritt nach vorne. Wir sind schon immer | |
davon ausgegangen, dass Trans*sein keine Krankheit ist, sondern einfach nur | |
eine geschlechtliche Variante des Menschen, die gleichberechtigt neben | |
allen anderen Vielfältigkeiten steht. Die Entscheidung macht uns Hoffnung | |
und ist ein Meilenstein. | |
Kann die Streichung aus dem Kapitel der psychischen Krankheiten auch im | |
Alltag für mehr Akzeptanz sorgen? | |
Auch in Deutschland halten viele Menschen Trans*sein nach wie vor für eine | |
psychische Erkrankung. Die Änderung ist ein Schritt, ein Mosaikstein, auf | |
dem Weg zu mehr Selbstbestimmung und hoffentlich zunehmender | |
Entstigmatisierung. Auch, weil sie das Transsexuellengesetz ad absurdum | |
führt, ist die Entscheidung für Trans* wichtig. | |
Was hat die Entscheidung mit dem Transsexuellengesetz zu tun? | |
Wir hoffen, dass das Transsexuellengesetz endlich abgeschafft wird. Darin | |
ist Voraussetzung, dass Menschen zwei unabhängige Gutachten von sogenannten | |
Sachverständigen brauchen, die mit dem „Problem des Transsexualismus“ | |
vertraut sind, um ihren Vornamen oder ihren Personenstand zu ändern. Wenn | |
es allerdings die Diagnose „Transsexualismus“ nicht mehr gibt, dann ist | |
diese Regelung im Gesetz hinfällig. SPD, Grüne und Linke sind schon lange | |
für eine Reform des Gesetzes – aber CDU und CSU sperren sich seit mehreren | |
Legislaturperioden. Das hat man ja auch an dem Gesetzentwurf von Horst | |
Seehofer zur Eintragung des dritten Geschlechts gesehen. | |
Inwiefern hat Horst Seehofer etwas blockiert? | |
Den Entwurf hat er so respektlos und konservativ wie nur möglich verfasst. | |
Das wird zum Beispiel daran deutlich, dass die Eintragung des dritten | |
Personenstandes nur für eine ganz bestimmte Gruppe zugänglich sein soll – | |
nämlich für Intersexuelle, die ein entsprechendes ärztliches Gutachten | |
vorlegen müssen. Aber für Menschen mit einer nicht-binären Identität, die | |
sich weder als weiblich noch als männlich identifizieren, gibt es gar | |
keinen Zugang zur Änderung von Vorname und Personenstand. Dabei sollte die | |
Entscheidung überhaupt nicht an körperliche Merkmale geknüpft sein. In der | |
Seehofer-Version bleibt es bei Pathologisierung und Fremdbestimmung. | |
Warum hat die Neuauflage des ICD, also der internationalen Klassifizierung | |
von Krankheiten, eigentlich so lange gedauert? | |
Der ICD wird in nicht festgelegten Abständen überarbeitet. Die letzte | |
Klassizierung stammt aus 1992 und ist in Bezug auf die meisten Diagnosen | |
veraltet. Solche Prozesse sind sehr komplex, aber dauern nach unserer | |
Ansicht oft zu lange. Wir merken das auch in anderen Kontexten, zum | |
Beispiel bei der Erarbeitung der neuen | |
Behandlungsleitlinien“Geschlechtsdysphorie und Geschlechtsinkongruenz“, die | |
hoffentlich bald veröffentlicht werden. Auch in diesem Fall haben | |
verschiedene Fachgesellschaften und Selbstorganisationen über Jahre hinweg | |
miteinander diskutiert. | |
In der Schweiz will der Bundesrat erreichen, dass Vornamen unkompliziert | |
geändert werden können. Was sind Ihre nächsten Ziele im Kampf für mehr | |
Selbstbestimmung und Akzeptanz? | |
Genau das ist schon seit Urzeiten unsere Forderung: Die Änderung des | |
Vornamens und Personenstands soll ein Verwaltungsakt beim Standesamt sein, | |
zu dem eine persönliche Erklärung der jeweiligen Person genügt. Im jetzigen | |
Transsexuellengesetz braucht es dazu zwei psychiatrische Gutachten, die das | |
innere Empfinden bestätigen. Das übersteigt menschliche Möglichkeiten, denn | |
das kann nicht von außen diagnostiziert werden. Stattdessen ist es ein | |
diskriminierendes Verfahren, weil Menschen ihr Innerstes nach außen kehren | |
müssen und danach begutachtet werden. Wir haben uns insbesondere zum Ziel | |
gesetzt, die Gesundheitsversorgung für Transgender erheblich zu verbessern. | |
Auch, indem wir uns für die Umsetzung neuer Behandlungsleitlinien | |
einsetzen, die ein größeres Maß an Individualität, Selbstbestimmung und | |
Bedarfsorientierung ermöglichen und Behandlungsstandards verbindlich | |
vorgeben. | |
20 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Miriam Schröder | |
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