# taz.de -- Ausblick der Radverbände: Fahrradbranche hat einiges auf Lager | |
> Der Zweiradhandel boomte während der Coronapandemie. Danach ging es | |
> bergab. Für 2024 wünscht sich die Industrie Rückenwind aus der Politik. | |
Bild: Neue Radwege wie hier in Berlin treiben den Absatz von Fahrrädern nach o… | |
BERLIN taz | Der Frühling naht, die neue Radsaison steht bevor. Die | |
Fahrradindustrie hofft deshalb auf Schwung für 2024, rechnet jedoch | |
weiterhin mit schwierigen Zeiten. Zuletzt hätten Umsatzverluste, Pleiten | |
oder Massenentlassungen bei Herstellern Schlagzeilen gemacht, sagten | |
Vertreter:innen der Branche am Mittwoch vor Journalist:innen. „Es kann | |
durchaus passieren, dass wir noch die eine oder andere Insolvenz sehen | |
werden in diesem Jahr“, sagte Anke Schäffner vom | |
[1][Zweirad-Industrieverband ZIV]. „Ich würde aber nicht von einer | |
Insolvenzwelle sprechen.“ | |
Noch seien die Lager prall gefüllt, die Nachfrage nach neuen Rädern sei im | |
vergangenen Jahr deutlich hinter den Lagerbeständen geblieben, sagte | |
Schäffner. 2024 will die Industrie so viele Fahrräder verkaufen, dass die | |
Lager wieder ein normales Niveau erreichen. „Rabatte sind da nicht immer | |
der richtige Weg“, warnte Uwe Wöll, Geschäftsführer des [2][Verbunds | |
Service und Fahrrad (VSF)]. Allzu stark reduzierte Preise drohten Händler | |
und Hersteller in finanzielle Nöte zu bringen – das habe die Zeit nach dem | |
[3][Coronaboom der Fahrradbranche] gezeigt. | |
Zwischen 2019 und 2022 stieg die Zahl der Beschäftigten in der deutschen | |
Fahrradwirtschaft auf mehr als 325.000. Der Umsatz wuchs im gleichen | |
Zeitraum um rund 70 Prozent, auf fast 45 Milliarden Euro. Das ist das | |
Ergebnis einer [4][Studie des T3 Transportation Think Tanks] aus dem Juni | |
2023, in Auftrag gegeben vom Unternehmensverband Zukunft Fahrrad. Nach der | |
Pandemie sank der Absatz wieder, mit dem russischen Angriffskrieg gegen die | |
Ukraine, der Energiekrise und der Inflation wurden die Käufer:innen noch | |
zurückhaltender. Wie sich dies in den Zahlen für das gesamte Jahr 2023 | |
niederschlägt, wird sich voraussichtlich im März zeigen. Dann gibt etwa der | |
ZIV neue Marktdaten heraus. | |
„Wenn das Wetter gut ist, zieht der Markt an“, sagte Wöll weiter. Im | |
letzten Jahr sei der Frühling verregnet gewesen. Für dieses Jahr hofft Wöll | |
auf besseres Wetter, auch wenn die Händler laut dem VSF-Leiter ihre Räder | |
mit gutem Marketing selbst bei Nässe und Kälte verkaufen könnten. Darüber | |
hinaus gebe es Alternativen zum Kauf: Wöll blickt zum Beispiel optimistisch | |
[5][auf Jobrad- und Leasingmodelle], vor allem für E-Bikes, deren Kaufpreis | |
oft die Budgets von Radfahrer:innen sprengt. | |
## Verbände fordern Geld für Radwege | |
Wenn es der Radindustrie langfristig gutgehen soll, brauche es außerdem | |
bessere politische Rahmenbedingungen. Gerade erst habe die Bundesregierung | |
bei den [6][Geldern für den Radwegeausbau massiv gekürzt], kritisierte | |
Verbandsvertreterin Schäffner. „Dass es keine Kürzungen bei der Straße gab, | |
ist umso schockierender“, sagte sie. Kommunen seien auf die Mittel aus dem | |
Bundeshaushalt und finanzielle Sicherheit angewiesen, um vor Ort neue | |
Radwege angehen zu können. | |
Die Reform des Straßenverkehrsgesetzes, [7][die im Herbst im Bundesrat | |
scheiterte], hätte den Kommunen ebenfalls mehr Möglichkeiten für die lokale | |
Verkehrswende gegeben. Die Radbranche hoffe seitdem darauf, dass Bund und | |
Länder der Reform in einem Vermittlungsverfahren eine neue Chance geben, so | |
Schäffner. | |
Und: Obwohl Deutschland der größte Fahrrad- und E-Bike-Markt in Europa ist, | |
spiele die Branche in der deutschen Industriepolitik kaum eine Rolle. Die | |
EU-Kommission hat kürzlich eine Strategie zur Transformation der | |
Mobilitätswirtschaft in Europa veröffentlicht, [8][den sogenannten Mobility | |
Transition Pathway (MTP)]. „Darin wird die Radindustrie als eines von vier | |
Standbeinen der Mobilität anerkannt, neben der Automobil-, der | |
Schifffahrts- und der Bahnbranche“, sagte Schäffner. In der deutschen | |
Strategie für die Mobilitätsindustrie, die Bundeswirtschaftsminister Robert | |
Habeck (Grüne) 2023 präsentierte, werde die Zweiradbranche nicht erwähnt. | |
„Wir haben keinen Rückenwind von der Bundesregierung. Aber wir bekommen | |
Unterstützung in den Städten, die ihre Radinfrastruktur verbessern wollen“, | |
wandte Uwe Wöll ein. Und auch Schäffner vom ZIV ergänzte: Der | |
gesellschaftliche Druck sei so groß, die Klimakrise so dringlich, saubere | |
Luft und Bewegung so wichtig für die Gesundheit der Menschen – „da kommt | |
man am Fahrrad gar nicht vorbei“. | |
7 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.ziv-zweirad.de/ | |
[2] https://www.vsf.de/ | |
[3] /Fahrradbranche-floriert/!5752684 | |
[4] https://zukunft-fahrrad.org/branchenstudie2023/ | |
[5] /Fahrradwirtschaft-gruendet-Lobbyverband/!5607091 | |
[6] /Neuer-Haushalt-der-Ampelkoalition/!5985830 | |
[7] /Verkehrsreformen-vorerst-gescheitert/!5972781 | |
[8] https://single-market-economy.ec.europa.eu/sectors/automotive-industry/mobi… | |
## AUTOREN | |
Nanja Boenisch | |
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