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# taz.de -- Ampelkoalition uneins über Entlastungen: Ab in den Ausschuss
> SPD, Grüne und FDP beraten über neue Entlastungen – und sind sich uneins.
> Richten soll es der Koalitionsausschuss.
Bild: Die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge …
Dresden/Potsdam/Berlin taz | Vor dem Ende der Sommerpause und dem Start der
Haushaltswoche im Bundestag sind die Fraktionen der Ampelkoalition zu ihren
jeweiligen Klausurtagungen zusammengekommen. Im Fokus: [1][der
Ukrainekrieg], [2][die Energiepreise], und die Inflation.
So auch die Fraktionsspitze der Grünen, die seit Dienstag in einem edlen
Hotel in Potsdam tagte. Man wolle verhindern, so die Fraktionsvorsitzende
Katharina Dröge, dass zu den derzeitigen Krisen noch eine weitere
hinzukommt: Denn es drohe eine „konsumgetriebene Rezession“, sagte Dröge.
Weil Gas und Strom viel mehr kosten und eine allgemeine
Zukunftsunsicherheit herrscht, kann im Winter auch noch die Nachfrage
einbrechen. Damit besteht die Gefahr von Firmenpleiten und Jobverlusten.
Auch deshalb müsse jetzt schnell ein Entlastungspaket her.
Was die Grünen-Fraktion exakt will, bleibt aber offen. Ihr schwebt, wie der
SPD, ein Energiegeld für Rentner, Azubis und Studierende vor – aber auch
für Familien, Geringverdiener und die Mittelschicht. ALG-II-Bezieher sollen
mehr bekommen – aber ob das die lange angekündigte [3][Reform des
Bürgergeldes] mit höheren Regelsätzen werden soll oder eine Einmalzahlung,
ist offen. Man kann sich viel vorstellen, nennt keine Zahlen und will sich
für den anstehenden Deal nicht in die Karten schauen lassen.
Wünschenswert findet die grüne Fraktionsspitze ein Moratorium für Gas- und
Stromsperren. Und erfreulich, dass die FDP ihr Nein zur Verlängerung des
9-Euro-Tickets in ein „Ja, wenn es nicht teuer wird“ verwandelt hat. Aber
klar ist: Das Problem beim Entlastungspaket sitzt für die Grünen vor allem
im FDP-geführten Finanzministerium.
## Konfliktpunkt Atomkraft
Auch bei der Frage, ob drei Atomkraftwerke länger laufen sollen, sind die
Grünen mit der FDP über Kreuz. Die fordert nämlich seit Wochen in
Dauerschleife eine Verlängerung der verbliebenen AKWs. Das seien „sichere
Anlagen, die sicher betrieben werden können“, sagte der
FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr. Die AKWs sollten mindestens für
die kommenden zwei Winter verlängert werden, um den Preisanstieg beim Strom
zu dämpfen, so Dürr.
Wie die Grünen will die FDP nun aber den laufenden Stresstest der
Versorgungssicherheit beim Strom von Wirtschaftsminister Robert Habeck
abwarten. Wie sich die Regierung am Ende bei diesem Punkt einigen wird,
bleibt spannend.
Seit Mittwoch und noch bis Freitag trifft sich auch die FDP-Fraktion in
Bremen zur Herbstklausur. Zwei Positionspapiere, eines zur
Energieversorgung und eines zu Entlastungen, wurden bereits beschlossen.
Entlasten will die FDP-Fraktion vor allem durch den Abbau der kalten
Progression. Mit dem Vorschlag für ein Inflationsausgleichsgesetz habe
Finanzminister Christian Lindner einen konkreten Vorschlag gemacht, um die
„hart arbeitende Mitte“ zu entlasten, so Christian Dürr.
Mit dem Abbau der kalten Progression soll verhindert werden, dass Menschen
mit steigenden Löhnen einen höheren Steuertarif zahlen müssen, obwohl sie
aufgrund der Inflation nicht mehr Geld zu Verfügung haben. Es sei „eine
Frage der Gerechtigkeit, dass sich der Staat nicht inflationsbedingt an den
Lohnsteigerungen bereichere“, heißt es im Positionspapier.
## Bei der FDP ist der „Westerwelle-Sound“ zurück
Allerdings ist der Abbau der kalten Progression in der jetzigen
Krisensituation umstritten. Der Präsident des Deutschen Institut für
Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, argumentiert etwa, dass von diesem
Vorhaben, das den Staat laut FDP etwa 10 Milliarden Euro kosten würde, 70
Prozent den oberen Einkommensgruppen zugutekommen.
Konfliktpotenzial birgt auch die geplante Reform zum Bürgergeld. Denn da
ist beim Positionspapier der FDP eindeutig ein „Westerwelle-Sound“
erkennbar. Die Liberalen wollen vor allem darauf hinwirken, „dass sich
Arbeit lohnt und die breite Mitte ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten
kann“. Im Gegensatz zur SPD strebt die FDP keine Änderungen der Berechnung
der Regelsätze an. So wird nur begrüßt, dass der Regelsatz „automatisch auf
Basis der Inflation angepasst“ wird.
Die nächste Anpassung Anfang 2023 berücksichtigt allerdings Daten aus dem
Zeitraum Juli 2021 bis Juni 2022. Aufgrund der zeitlichen Verzögerung
gleicht diese Anpassung meist nicht die akute Mehrbelastung aus – das wird
schon länger von Sozialverbänden kritisiert.
Es besteht also noch Klärungsbedarf beim Herzensprojekt der
Sozialdemokraten. Deren Fraktion trifft sich am Donnerstag und Freitag zwei
Tage lang zur Klausur in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden.
Zentrales Thema der internen Beratungen ist das nächste Entlastungspaket.
Die Fraktion hat am Sonntag schon mal Vorschläge vorgelegt, wie das
aussehen kann – und wird konkreter als der grüne Koalitionspartner.
## Ist die Übergewinnsteuer wirklich vom Tisch?
So will man Menschen mit geringen und mittleren Einkommen sowie
Renter:innen und Studierende mit Direktzahlungen unterstützen.
Parteivorsitzende Saskia Esken nannte am Donnerstag gegenüber dem
Nachrichtensender ntv eine Einkommensgrenze von 40.000 Euro brutto.
Außerdem schlägt die Fraktion vor, den Kreis der
Wohngeldempfänger:innen zu vergrößern und den Grundbedarf an Strom
und Gas preislich zu deckeln. Als Nachfolger für das 9-Euro-Ticket bringt
die SPD eine bundesweit gültige Fahrkarte zum Preis von 49 Euro ins
Gespräch.
Das dritte Paket müsse zielgerichtet sein, sagte der
SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich am Donnerstag in Dresden. Statt mit
dem Füllhorn Wohltaten zu verteilen, will die SPD gezielt jene
unterstützen, die unter steigenden Preisen am meisten ächzen. Das sieht man
bei der FDP zwar ähnlich. Jedoch ist man sich nicht einig, wie groß der
Kreis der Unterstützten gezogen werden soll.
So tragen die Liberalen den Vorschlag mit, mehr Menschen Wohngeld
zuzusprechen. Doch bei Einmalzahlungen will sich die FDP auf die Gruppen
beschränken, die bei der letzten Energiepreispauschale nicht bedacht wurden
– etwa Studierende und Rentner*innen.
Das Entlastungspaket wirft erneut die Frage nach der Finanzierung auf. Die
SPD etwa schlägt eine Übergewinnsteuer für jene Energieunternehmen vor, die
von der Krise massiv profitieren. Damit wolle man eine Diskussion über
Gerechtigkeit anstoßen, erklärte Mützenich. Ob man sich in der
Bundesregierung auf eine solche Steuer einigen kann, ist indes fraglich.
Die FDP etwa lehnt sie entschieden ab. Sie wäre „schädlich für den Standort
Deutschland“, sagte Fraktionschef Dürr.
Mützenich brachte denn auch andere Finanzierungsquellen ins Spiel: Man sei
auch bereit, über einen Nachtragshaushalt zu verhandeln. Finanzminister
Christian Lindner hatte bei der Kabinettsklausur in Meseberg Spielräume im
Haushalt in einstelliger Milliardenhöhe in diesem und zweistellige
Milliardenbeträge im nächsten Jahr verkündet.
Am Freitagmorgen stößt in Dresden der Bundeskanzler dazu, man darf gespannt
sein, wie Olaf Scholz reagiert und welche Vorschläge er aus der
SPD-Fraktion mit in den Koalitionsausschuss nimmt. Der soll sich am
Wochenende treffen, vorausgesetzt, es gibt bis dahin unter den
Ampel-Partner:innen weitestgehend Einigung darüber, wie das
Entlastungspaket in seinen Grundzügen aussieht. Die Ampel hat sich aber
fest vorgenommen, vor dem Beginn der Haushaltswoche am Montag ein Paket zu
schnüren.
1 Sep 2022
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[2] /Energiekrise/!t5872932
[3] /Ende-von-Hartz-IV/!5865786
## AUTOREN
Anna Lehmann
Stefan Reinecke
Jasmin Kalarickal
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