| # taz.de -- Ende von Hartz IV: Gesetz zum „Bürgergeld“ soll kommen | |
| > Bundesarbeitsminister Heil (SPD) hat den Entwurf zum „Bürgergeld“ | |
| > vorgestellt. Die Zahlen zum Regelsatz stehen noch aus – wie die | |
| > Zustimmung der FDP. | |
| Bild: Hier werden Sie künftig erst nach 6 Monaten sanktioniert: Jobcenter | |
| Berlin taz | Der Gesetzentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium zum | |
| „Bürgergeld“ steht. Nur die Zahlen, um wie viel genau der | |
| Hartz-IV-Regelsatz im „Bürgergeld“ erhöht werden soll, fehlen noch. Sie | |
| werden noch mithilfe des Statistischen Bundesamtes berechnet und eingefügt. | |
| Dies hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Mittwoch bei der | |
| Vorstellung eines Eckpunktepapiers zum Gesetzesvorhaben gesagt. | |
| Der Gesetzentwurf soll in den nächsten Tagen veröffentlicht werden und im | |
| Herbst ins Kabinett und in den Bundestag. Die neuen Regelungen zum | |
| „Bürgergeld“ sollen zum 1. Januar in Kraft treten, sagte Heil. | |
| Bei der Berechnung der neuen Bürgergeld-Regelsätze verwies Heil auf seine | |
| früheren Aussagen, wonach der Regelsatz künftig nach den Ausgaben der | |
| ärmsten 30 Prozent der Haushalte berechnet werden soll und nicht wie bisher | |
| nach den Ausgaben der untersten 20 Prozent. „Wir müssen den | |
| Bemessungsrahmen erweitern“, sagte er am Mittwoch. Dabei kommen dann nach | |
| seinen Aussagen zwischen 40 und 50 Euro mehr an monatlicher Leistung | |
| heraus, der Regelsatz für einen Alleinstehenden könnte dadurch von 449 Euro | |
| auf fast 500 Euro steigen. | |
| Wie schon in der Pandemie praktiziert, sieht der Gesetzentwurf vor, dass | |
| auch künftig beim Bürgergeld eine „Karenzzeit“ von zwei Jahren für | |
| Wohnkosten und Vermögen eingeführt wird. Das heißt, in den ersten beiden | |
| Jahren des Leistungsbezugs werden die Kosten für die Wohnung vom Jobcenter | |
| in tatsächlicher Höhe erstattet, ohne auf eine „Angemessenheit“ zu achten. | |
| Vermögen bis zu einer Höhe von 60.000 Euro für einen Alleinstehenden | |
| (Paare: 90.000 Euro) wird in dieser Zeit nicht angerechnet. | |
| ## „Vertrauenszeit“ ohne Sanktionen | |
| Ferner sollen Schüler:innen, Studierende und Auszubildende, die etwa in | |
| einem Haushalt mit Eltern im Bürgergeld-Bezug wohnen, Einkommen aus ihrer | |
| Arbeit bis zu einem Freibetrag von 520 Euro ohne Anrechnung behalten | |
| dürfen. | |
| Für die ersten sechs Monate im Bürgergeld-Bezug gilt eine „Vertrauenszeit�… | |
| hier sind Leistungskürzungen wegen Pflichtverletzungen, also etwa der | |
| Ablehnung von Maßnahmen, ausgeschlossen. Danach aber soll das Jobcenter | |
| „Mitwirkungspflichten“, etwa Eigenbemühungen, verbindlich festlegen könne… | |
| so das Eckpunktepapier. Nach sechs Monaten wären wieder Sanktionen bis zu | |
| einer Höhe von 30 Prozent des Regelsatzes möglich. | |
| Heil erklärte, es solle im Gesetz einen „Schlichtungsmechanismus“ geben, | |
| der Konflikte regelt, wenn sich Vermittler:innen und Klient:innen im | |
| Jobcenter über das weitere Vorgehen uneins sind. | |
| Der „Vermittlungsvorrang“, also das Verfahren, im Jobcenter einen | |
| Arbeitslosen vorrangig in einen Job zu bringen statt in eine Weiterbildung, | |
| soll laut Eckpunktepapier fallen. Wer eine berufsabschlussbezogene | |
| Weiterbildung absolviert, soll ein zusätzliches monatliches | |
| Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro bekommen, erklärte Heil. | |
| ## FDP gegen neue Regelsatz-Rechnung | |
| Für Rückforderungen gilt eine Bagatellgrenze, Beträge bis zu einer Höhe von | |
| 50 Euro können vom Jobcenter nicht mehr von den Leistungsbeziehenden | |
| zurückgefordert werden. | |
| Von den Koalitionspartnern erhält Heil zunächst einmal Lob. „Angesichts des | |
| aktuellen Arbeits- und Fachkräftemangels begrüßen wir den deutlichen Fokus | |
| auf Aus- und Weiterbildung“, erklärt der Sprecher für Bürgergeld der | |
| FDP-Fraktion, Jens Teutrine. Ein wichtiger Schritt sei auch die Reform der | |
| Hinzuverdienstregeln für Jugendliche. Aktuell dürfen sie von 450 Euro nur | |
| 170 Euro behalten. Teutrine begrüßt, dass „diese unfairste | |
| Leistungsfeindlichkeit des bisherigen Hartz-IV-Systems“ abgeschafft werde. | |
| Allerdings macht Teutrine auch klar, dass die FDP einer Änderung der | |
| Berechnungsmethodik der Regelsätze, so wie Heil sie plant, nicht zustimmen | |
| werde. „Die Regelsätze werden im Januar auf Grundlage der bisherigen | |
| Grundlage turnusmäßig erhöht. Änderungen darüber hinaus lehnen wir | |
| entschieden ab“, so Teutrine zur taz. | |
| Die sozialpolitische Sprecherin der Grünen, Stephanie Aeffner, nennt die | |
| Heilschen Eckpunkte „einen guten Aufschlag, mit dem man arbeiten kann.“ Aus | |
| Sicht der Grünen ist wichtig, „dass die Jobcenter zu einem Ort werden, wo | |
| die Leute gern hingehen und auf Augenhöhe und mit Würde behandelt werden.“ | |
| Dazu gehöre, dass Sanktionen wirklich nur als allerletztes Mittel zum | |
| Einsatz kämen. „Aus unserer Sicht sollten die Menschen in der Regel gar | |
| nicht mehr mit Sanktionen in Berührung kommen.“ Aeffner hält auch eine | |
| Neuberechnung der Regelsätze für notwendig. „Diese sollen laut | |
| Koalitionsvertrag die Würde achten und soziale Teilhabe garantieren. Das | |
| ist im Moment nicht der Fall“, so Aeffner zur taz. | |
| Die Vorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler, sieht kleine Schritte in | |
| die richtige Richtung. „Aber die entscheidende Frage wird sein, was mit den | |
| Regelsätzen passiert. Diese müssen angesichts der krassen Preissteigerungen | |
| deutlich erhöht werden“, so Wissler zur taz. | |
| Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken im Bundestag, Jan Korte, | |
| hält die Pläne von Arbeits- und Sozialminister Heil hingegen für „eine | |
| einzige Enttäuschung“. „Mit dieser Art von Bürgergeld wird nichts | |
| grundlegend anders oder besser.“ Weder würden die Armutsregelsätze | |
| überwunden, noch Sanktionen abgeschafft. „Offenbar ist bei Heil die Angst | |
| vor Lindner so groß, dass seine Schere im Kopf nur noch Dürftiges zulässt.“ | |
| Die Linke fordert einen Sofortzuschlag von monatlich 200 Euro. | |
| 20 Jul 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Dribbusch | |
| Anna Lehmann | |
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