# taz.de -- Aktivistin über Schutz vor Rassismus: „Wir fordern Taten ein“ | |
> Es sei wichtig, dass der Kanzler sich an die Seite derer stelle, die | |
> Rassismus erleben, sagt Karen Taylor von EOTO. Doch das allein sei nicht | |
> genug. | |
Bild: Symbolträchtig, aber es müssen Taten folgen: Olaf Scholz (vorne 4. v. l… | |
taz: Frau Taylor, diese Woche haben der Bundeskanzler und die | |
Antirassismusbeauftragte Migrant*innenorganisationen eingeladen, | |
um über die Bedrohung durch Rechtsextremismus zu sprechen. Welche Bedeutung | |
hatte dieses Treffen? | |
Karen Taylor: Die symbolische Bedeutung dieses Treffens kann man gar nicht | |
stark genug betonen. Der Kanzler hat klargemacht: Er und die Regierung | |
stehen hinter uns angesichts der Bedrohung von rechts. Was aber folgen | |
muss, sind konkrete Taten, und das fordern wir auch ein. | |
Was sind denn Ihre konkreten Erwartungen an die Politik? | |
Dieses Treffen war wichtig. Wir brauchen aber regelmäßige Formate, in denen | |
die von Rassismus betroffenen Communities ihre Bedarfe und Forderungen | |
artikulieren können – nicht nur dann, wenn [1][gerade wieder ein Anschlag | |
passiert ist] oder [2][ein Geheimplan aufgedeckt wurde]. Die Menschen | |
müssen proaktiv vor Rassismus und Diskriminierung geschützt werden. Die | |
dafür notwendigen Reformen müsste man sich nicht mal ausdenken, die stehen | |
schon im Koalitionsvertrag. | |
Zum Beispiel? | |
Die [3][Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)], also | |
unseres Antidiskriminierungsgesetzes. Bisher gilt dieses nur in der | |
Privatwirtschaft, wenn also ein Vermieter einer Familie die Wohnung nicht | |
gibt, weil sie muslimisch ist, oder ein Arbeitgeber seiner Angestellten die | |
Beförderung verweigert, weil sie queer ist. Staatliches Handeln wird vom | |
Gesetz bisher nicht erfasst, wenn etwa die Polizei rassistisch handelt. | |
Außerdem sind die Klagefristen mit gerade mal drei Wochen sehr kurz, bis | |
dahin finden Betroffene kaum Beratung oder gar anwaltliche Vertretung. Und | |
es gibt kein Verbandsklagerecht. Betroffene müssen alleine vor Gericht | |
ziehen, mit allen damit verbundenen Risiken, auch finanziell. Da es bisher | |
wenig Rechtsprechung gibt, ist das unberechenbar. | |
Die AGG-Reform ist, wie Sie sagten, Teil des Koalitionsvertrags. Wo hakt | |
es? | |
An der FDP und Justizminister Marco Buschmann. Ich sage das in aller | |
Deutlichkeit, weil SPD und Grüne mehrfach sehr deutlich gezeigt haben, dass | |
sie diese Reform wollen. Die FDP hingegen schiebt immer neue Gegenargumente | |
vor. Zuletzt, dass man das aktuelle Gesetz erst evaluieren müsste. Dabei | |
gibt es eine umfassende Evaluation von 2016. Seitdem hat sich am Gesetz | |
nichts verändert. Damals wurden sehr klare Reformforderungen formuliert. | |
Was fordern Sie noch? | |
Die Ampel hat [4][ein Partizipationsgesetz versprochen]. Ein Vorbild dafür | |
gibt es in Berlin, auf Bundesebene wäre es ein Novum. Es geht darum, vor | |
allem in staatlichen Behörden die Teilhabe von Menschen of Color und von | |
Schwarzen Menschen zu gewährleisten. Das ginge mit Quoten, oder etwas | |
weicher mit Zielvorgaben. Wir haben dazu schon vor Jahren einen Vorschlag | |
gemacht. Soweit wir wissen, arbeitet die Ampel an einem Entwurf, der aber | |
sehr abgespeckt ist, ganz ohne Zielvorgaben. Das ist sehr enttäuschend. | |
Warum soll das im Bereich Geschlecht gehen, hier aber nicht? | |
Warum wären diese Gesetze so wichtig? | |
Das Rassismusproblem in Deutschland beschränkt sich nicht auf die AfD, | |
sondern zieht sich durch weite Teile der Gesellschaft. Die AGG-Reform würde | |
genau da ansetzen und Diskriminierung im alltäglichen Leben vorbeugen und | |
sie sanktionieren. Die Reform würde ein Zeichen setzen, vor allem, wenn sie | |
jetzt käme, auch an die betroffenen Communities: Diese Demokratie ist auch | |
für uns da, sie verteidigt und schützt uns. Der Rechtsruck hingegen fördert | |
Diskriminierung bis hin zu lebensgefährlicher Gewalt. | |
Seit Wochen gehen Hunderttausende gegen die AfD und ihre rassistischen | |
Deportationspläne auf die Straße. Gibt Ihnen das Zuversicht? | |
Ich für mich kann sagen: Ich bin dankbar für [5][jede Person, die auf die | |
Straße geht]. Die Enthüllungen über das AfD-Geheimtreffen haben uns nicht | |
überrascht, das sagt die AfD ja schon lange offen. Umso wichtiger, dass die | |
bisherige Teilnahmslosigkeit vorbei ist. Es ist aber nicht nur die | |
Mehrheitsgesellschaft, die für die Demokratie eintritt. Wir tun das auch | |
schon sehr lange. Es ist höchste Zeit, den Communities zuzuhören und mit | |
uns gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, um dem Rechtsruck in diesem Land zu | |
begegnen. | |
8 Feb 2024 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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