| # taz.de -- Antidiskriminierungsrecht in Deutschland: Gesetz, 17 Jahre, sucht R… | |
| > Ein Bündnis fordert, das veraltete Antidiskriminierungsrecht zu | |
| > überarbeiten. So will es auch der Koalitionsvertrag – aber bisher | |
| > blockiert die FDP. | |
| Bild: Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman | |
| Berlin taz | Am Freitag wird das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) | |
| 17 Jahre alt – [1][und manche sagen, es sei schlecht gealtert.] Denn seit | |
| seiner „Geburt“ wurde es nie inhaltlich überarbeitet. Das | |
| zivilgesellschaftliche Bündnis „AGG Reform – Jetzt!“ stellte bei einer | |
| Pressekonferenz am Donnerstag seine Forderungen zu einer Novellierung vor | |
| und kritisierte das FDP-geführte Justizministerium von Marco Buschmann. | |
| Mehr als 100 Organisationen haben das Bündnis Anfang 2023 gegründet. | |
| [2][Sie arbeiteten elf zentrale Forderungen heraus, um das | |
| Antidiskriminierungsrecht zu stärken.] Mitte Juli legte die Unabhängige | |
| Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, dann ein 19 | |
| Maßnahmen umfassendes Grundlagenpapier zur Reform vor. | |
| Das Bündnis und auch Ataman fordern vor allem eine Erweiterung der | |
| Diskriminierungsmerkmale, die im ersten Paragrafen des Gesetzes benannt | |
| sind. Bisher umfassen die verbotenen Benachteiligungen die „Rasse“ (der | |
| veraltete Begriff soll geändert werden) oder ethnische Herkunft, | |
| Geschlecht, Religion/Weltanschauung, Behinderung, Alter und die sexuelle | |
| Identität. | |
| ## Sozialer Status und algorithmische Diskriminierung | |
| Neu hinzukommen soll unter anderem der „soziale Status“, so die Forderung. | |
| Davon könnten beispielsweise Alleinerziehende profitieren, die mit | |
| Kleinkindern bei der Wohnungssuche benachteiligt werden, so Alexander Thom | |
| von der Fachstelle Fair mieten – Fair wohnen. Zudem erschwere ein „nicht | |
| deutsch gelesener Name“ die Wohnungssuche immer noch stark. | |
| Auch Oriel Klatt von der Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung sagt, | |
| eine Ausweitung sei wichtig. Andere europäische Länder hätten zum Teil mehr | |
| als 20 Diskriminierungskategorien, im Vergleich sei Deutschland „fast das | |
| Schlusslicht“. Klatt fordert dabei auch die Berücksichtigung der | |
| Gewichtsdiskriminierung, so würde bisher einigen Personen aufgrund ihres | |
| Gewichts teils eine Verbeamtung verweigert. | |
| Eine Novelle des Gesetzes sei laut dem Bündnis auch deshalb notwendig, weil | |
| 2006 Benachteiligungen wie algorithmische Diskriminierung noch nicht | |
| abzusehen waren. Pia Sombetzki von Algorithm Watch nennt einen Fall aus den | |
| Niederlanden, die sogenannte „Kindergeldaffäre“. Dort wurde beispielsweise | |
| die Staatsangehörigkeit als Verdachtsparameter für möglichen | |
| Kindergeldbetrug benutzt. | |
| [3][Auch bei bereits bestehenden Diskriminierungskategorien wollen Ataman | |
| und das Bündnis nachschärfen.] Sigrid Arnade vom Deutschen Behindertenrat | |
| monierte, dass Menschen mit Behinderung in Deutschland noch „tagtäglich | |
| diskriminiert“ würden. So gäbe es in ganz Deutschland nur drei wirklich | |
| barrierefreie gynäkologische Praxen. Auch Angebote für Gehörlose würden | |
| bisher oft vernachlässigt. | |
| ## FDP bremst – obwohl Reform im Koalitionsvertrag steht | |
| [4][An Atamans Reformvorschlägen gab es in der Vergangenheit scharfe Kritik | |
| von der Union und der FDP.] Bemängelt wurde vor allem Atamans Vorschlag, | |
| den Nachweis der Diskriminierung für Betroffene zu erleichtern. Diese | |
| müssen bisher Indizien vorliegen, Ataman schlägt vor, künftig solle der | |
| Nachweis auf eine „Glaubhaftmachung“ herabgesenkt werden. | |
| Vonseiten des Justizministeriums gibt es bisher weder ein Eckpunktepapier | |
| noch einen Gesetzentwurf. Dabei ist die Reform im Koalitionsvertrag | |
| festgeschrieben. „Diese Chance müssen wir nutzen“, sagte Eva Andrades, | |
| Geschäftsführerin des Antidiskriminierungsverbands Deutschland. | |
| Das Justizministerium verwies das Bündnis bisher auf innerhalb der EU | |
| laufende Reformen, die man zunächst abwarten wolle. Allerdings können sich | |
| EU-Gesetzgebungsprozesse lange ziehen – im schlechtesten Fall, bis die | |
| Legislaturperiode der Ampel vorüber ist. Von Buschmann erwartet das | |
| Bündnis, dass er mit Expert*innen in den Austausch geht. Ein Gespräch | |
| habe bisher nicht stattgefunden. | |
| 17 Aug 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jonas Grimm | |
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