# taz.de -- 4. Jahrestag des Hanau-Anschlags: Keine Gedenkfeier für die Opfer | |
> 2020 erschoss ein Rassist in Hanau zehn Menschen. Stadt und Land wollen | |
> der Opfer des Anschlags diesmal nur still gedenken. Angehörige sind | |
> irritiert. | |
Bild: Gedenkstätte in Hanau für die Opfer des Anschlags, aufgenommen im Febru… | |
BERLIN taz | Zum vierten Mal jährt sich in wenigen Tagen der Anschlag von | |
Hanau: Am 19. Februar 2020 hatte ein Rassist erst in der Stadt neun | |
Menschen und anschließend zuhause seine Mutter erschossen. Doch anders als | |
im letzten Jahr werden die Stadt und das Land diesmal keine Gedenkfeier | |
organisieren – und auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) wird, | |
nach bisherigem Stand, nicht anreisen. | |
Veranstaltet wird nur ein stilles Gedenken auf dem Hauptfriedhof, Hanaus | |
Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) und [1][Hessens neuer | |
Vizeministerpräsident Kaweh Mansoori (SPD)] werden Kränze niederlegen. | |
Reden sind nicht vorgesehen. Wieder anreisen will indes Nancy Faeser (SPD). | |
Dies sei der Bundesinnenministerin wichtig, erklärte ein Sprecher. | |
[2][Im vergangenen Jahr wahren mehrere hundert Menschen zur öffentlichen | |
Gedenkfeier] gekommen. Auf dem Hanauer Marktplatz vor dem Rathaus war eine | |
Bühne aufgebaut, neben Bundesinnenministerin Faeser war damals auch | |
Ministerpräsident Rhein angereist. | |
Bei einigen Angehörigen der Anschlagsopfer sorgt das diesjährige Vorgehen | |
für Befremden. „Dass die Stadt und das Land dieses Jahr keine Gedenkfeier | |
veranstalten wollen, ist schon irritierend“, sagte [3][Çetin Gültekin] der | |
taz. Sein Bruder Gökhan war am 19. Februar 2020 erschossen worden. „Egal, | |
was die Gründe sind: Ich finde, nach einer solchen Tat sollte das sein. | |
Aber wir können natürlich niemanden zwingen.“ | |
## „Wir sollten bestimmen, wer kommt“ | |
[4][Emis Gürbüz], deren Sohn Sedat bei dem Hanau-Attentat starb, wird noch | |
deutlicher. „Ich bin sehr enttäuscht“, sagte sie. „Die Stadt sollte sich | |
schämen, das ist wirklich eine Schande.“ In Hanau seien neun Menschen | |
ermordet worden, ein stilles Niederlegen von Blumen werde dem nicht | |
gerecht. „Wir sollten bestimmen, wer kommt und wie es organisiert wird, | |
aber leider ist es wieder nicht so“, kritisiert Gürbüz. | |
Ein Sprecher der Stadt erklärte auf Nachfrage, dass es für den Gedenktag | |
durchaus Absprachen mit Angehörigen der Opfer gegeben habe. Dabei sei es | |
ein „ausdrücklicher Wunsch“ gewesen, dass es in diesem Jahr beim stillen | |
Gedenken keine politischen Reden gebe. Zudem werde es viele weitere | |
Aktionen rund um den 19. Februar geben, etwa Lesungen, Andachten oder eine | |
Theateraufführung. | |
Hintergrund des stillen Gedenkens ist aber wohl auch, dass im vergangenen | |
Jahr Opferangehörige bei der offiziellen Gedenkfeier Polizei, Ministerien | |
und die Stadt auf der Bühne teils scharf kritisiert hatten. Sie hatten | |
mangelnde Aufklärung und ausgebliebene Konsequenzen nach dem Anschlag | |
beklagt oder die Weigerung, ein [5][Denkmal für die Ermordeten auf dem | |
zentralen Hanauer Marktplatz] zu errichten. In der | |
Stadtverordnetenversammlung waren die Reden teils mit Unverständnis | |
aufgenommen worden. | |
Einige Familienangehörige und die Initiative 19. Februar rufen derweil | |
[6][zu einer Gedenkdemonstration] am Samstag, 17. Februar, in Hanau auf. | |
Die Opfer „fordern uns auf, den rassistischen Normalzustand im Alltag, in | |
Behörden, Politik, Medien und in den Sicherheitsapparaten konsequent zu | |
bekämpfen“, heißt es in ihrem Aufruf. Dieser sei der Nährboden, auf dem der | |
Hass der Täter überhaupt erst gedeihen könne. Es sei „Zeit für lückenlose | |
Aufklärung und konkrete Konsequenzen“. Zu der Demonstration wird bundesweit | |
mobilisiert. | |
## Weiter keine Einigung über Denkmal | |
Zum Hanau-Anschlag tagte bis Ende 2023 ein Untersuchungsausschuss in | |
Hessen. [7][Auch dieser attestierte Polizei und Waffenbehörde Fehler]. CDU, | |
FDP und AfD hielten den Anschlag letztlich aber nicht für verhinderbar. Die | |
Angehörigen hatten sich auch über die Ergebnisse des Ausschusses enttäuscht | |
gezeigt. | |
Uneinigkeit gibt es zwischen Opferangehörigen und der Stadt Hanau weiterhin | |
auch über das geplante Mahnmal in der Stadt. Bereits Mitte 2022 war ein | |
Siegerentwurf dafür gekürt worden – ein Halbrund, das die Namen der | |
Mordopfer zeigen soll. | |
Streit aber gibt es über den Standort. Die Angehörigen wollen das Denkmal | |
auf dem Hanauer Marktplatz realisiert sehen. Oberbürgermeister Kaminsky und | |
die Stadtverordnetenversammlung schlagen dagegen einen Platz weiter | |
westlich vor, vor dem geplanten Zentrum für Demokratie und Vielfalt, das | |
bis Ende 2026 realisiert werden soll. | |
Dieser liege zwischen den beiden Tatorten des Anschlags und könnte mit | |
einer Umbenennung in „Platz des 19. Februar“ die Erinnerung unterstreichen, | |
erklärte ein Sprecher der Stadt. Auch würden sich inzwischen nicht mehr | |
alle Hinterbliebenen einzig für den Marktplatz aussprechen. | |
6 Feb 2024 | |
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[6] https://19feb-hanau.org/2024/01/07/jahrestag-2024/ | |
[7] /Abschlussbericht-zu-Hanau-Morden/!5978472 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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