# taz.de -- Hanau und das Staatsversagen: Deutsche Aufklärung | |
> Bald jährt sich der Anschlag von Hanau. Noch immer haben sich Politik und | |
> Polizei nicht zu ihren Fehlern bekannt. Wie zwingt man sie dazu? | |
Bild: Mehr tut die Politik nicht: Mit bedröppelter Miene vor Gräbern stehen �… | |
Stellen Sie sich vor, ein Rechtsextremer hat in einer Bar ihren Sohn, | |
Bruder, Neffen oder Onkel ermordet und Sie müssen selbst herausfinden, wie | |
das passieren konnte. Sie tun das, weil es sonst niemand tut, und sie | |
finden heraus, dass es gravierende Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Tat | |
vielleicht nicht verhindert, aber zumindest hätte unterbrochen werden | |
können. | |
Sie finden unter anderem heraus, dass der Täter mehrfach psychisch | |
auffällig war, und fragen sich, warum er trotzdem einen Waffenschein hatte. | |
Sie finden heraus, dass der Notausgang der Bar verschlossen war, weil ein | |
Polizist das angeordnet hatte, damit bei polizeilichen Razzien niemand | |
abhauen könnte. | |
Sie finden heraus, dass ihr Sohn, Bruder, Neffe oder Onkel möglicherweise | |
überlebt hätte, wenn er durch diese Tür vor dem Attentäter hätte fliehen | |
können. Sie finden heraus, warum der Notruf ihres Sohns, Bruders, Neffen | |
oder Onkels, der den Attentäter mit seinem Autor verfolgte, stellte und von | |
ihm erschossen wurde, niemanden erreichte: Das zweite Telefon in der | |
Notrufzentrale war nicht besetzt. | |
Jahrelang müssen Sie darum kämpfen, dass endlich ein Untersuchungsausschuss | |
im Landtag eingesetzt wird. Im Abschlussbericht steht dann, dass die Stadt | |
im Falle des verschlossenen Notausgangs ihrer Fürsorgepflicht nicht | |
nachgekommen sei. | |
## Konsequenzen die wehtun | |
Sie müssen nun aber feststellen, dass sich kein Politiker bei Ihnen oder in | |
der Öffentlichkeit meldet und zugibt, dass Fehler gemacht wurden. Sie | |
müssen feststellen, dass niemand Verantwortung übernimmt und Sie um | |
Entschuldigung bittet. Niemand wird für die Fehler zur Rechenschaft | |
gezogen. | |
Stattdessen kriegen Sie eine Einladung von Ihrem Bürgermeister, der Sie | |
dazu einlädt, gemeinsam mit ihm am Todestag Ihres Sohns, Bruders, Neffen | |
oder Onkels an dessen Grab in Stille zu trauern. Und das, [1][obwohl Sie | |
dem Bürgermeister klipp und klar gesagt haben], dass Sie an diesem Tag | |
gerne alleine und nicht im Beisein von Politikern sein wollen. | |
Wenn Sie zusätzlich dann noch erfahren, dass die Stadt das Denkmal für | |
Ihren ermordeten Sohn, Bruder, Neffen oder Onkel nicht mehr wie geplant auf | |
dem zentralen Marktplatz bauen will, sondern abseits, und [2][dass Sie bei | |
der Gedenkfeier am Jahrestag dieses Mal nicht reden dürfen]: Als wie | |
ernsthaft würden Sie dann die Absichtserklärungen der Politiker | |
einschätzen, alles zu tun, dass sich so etwas nicht noch mal wiederholt? | |
Würde Ihr Vertrauensverhältnis in diesen Staat ins Wanken geraten? Würden | |
Sie denken, dass deutsche Aufklärung für deutsche Politiker da endet, wo | |
sie Konsequenzen ziehen müssten? Konsequenzen, die wehtun, weil sie gegen | |
den eigenen Apparat ermitteln müssten? | |
Würden Sie denken, dass das aber ganz schön krass ist, weil in deutschen | |
Behörden möglicherweise immer noch rechte Netzwerke bestehen? Und ist die | |
Sache mit dem rechten Terrornetzwerk NSU nicht ebenfalls noch unaufgeklärt? | |
Würden Sie denken, deutsche Aufklärung bestehe darin, mit bedröppelter | |
Miene den Kopf über den Gräbern der Opfer hängen zu lassen, das aber auch | |
nur in Anwesenheit von Fotojournalisten? | |
Würden Sie denken, dass der OB längst hätte sagen müssen: Sorry, blöde | |
Idee; wir stellen uns vors Rathaus und überlassen euch Angehörigen an | |
diesem Tag den Friedhof. | |
Selbst wenn es all die eklatanten Fragen zu behördlichen Unzulänglichkeiten | |
und polizeilichem Versagen rund um das rechte Attentat in Hanau vom 19. | |
Februar 2020 nicht gäbe – selbst dann –, wäre „unanständig“ noch ein… | |
freundliches Wort für das Verhalten des Oberbürgermeisters von Hanau. Das | |
ist so moralisch verkommen wie der Gesamtzustand der hessischen Behörden | |
verlottert. Failed state Hessen. | |
## Spenden, um den Staat zur Aufarbeitung zu zwingen | |
Am heutigen Samstag, dem 17. Februar, findet in Hanau eine Demo statt. | |
Jeder, der in diesen Tagen gegen rechts demonstriert, sollte sich | |
aufgerufen fühlen, hinzufahren und von den Politikern der Stadt, des Landes | |
und des Bundes Konsequenzen zu fordern. | |
Armin Kurtović, der Vater des ermordeten Hamza Kurtović, geht jetzt einen | |
Schritt weiter. Er will die Bundesanwaltsschaft zu einem Klageverfahren | |
zwingen; wenn nötig, will er bis vor das Bundesverfassungsgericht und den | |
Europäischen Gerichtshof ziehen. Um die Anwälte, Gerichtskosten, Gutachten | |
und Recherchen weiterfinanzieren zu können, hat er [3][eine Spendenkampagne | |
initiiert]. | |
Wenn Sie sich fragen, wie viel es bringt, gegen rechts zu demonstrieren, | |
und noch was tun wollen, spenden Sie für das Anliegen von Armin Kurtović | |
und anderen Angehörigen der Opfer eines der größten rechten Anschläge der | |
Bundesrepublik. | |
Auf diese Weise können Sie die Behörden auffordern, verdammt noch mal ihren | |
Job zu machen. In Hanau, Thüringen und anderswo. | |
18 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Attentat-von-Hanau/!5988995 | |
[2] /4-Jahrestag-des-Hanau-Anschlags/!5990757 | |
[3] https://commonsplace.de/project/hanau-klagen | |
## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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