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# taz.de -- Bruder von Hanau-Opfer über Gedenken: „Erinnern heißt veränder…
> Vor vier Jahren wurden bei einem rassistischen Anschlag in Hanau neun
> Menschen ermordet. Bis heute kämpfen Angehörige für Aufklärung.
Bild: Çetin Gültekin vor dem Bild seines Bruders Gökhan, der bei dem Anschla…
Çetin Gültekins Bruder Gökhan verlor bei dem Anschlag in Hanau sein Leben.
Im Januar erschien Çetin Gültekins Buch „Geboren, aufgewachsen und ermordet
in Deutschland“, in dem er das Leben seines Bruders Gökhan sowie das
Behördenversagen nach dem Anschlag in Hanau beschreibt.
wochentaz: Herr Gültekin, was gibt Ihnen vier Jahre nach dem Anschlag die
Kraft, weiter für Gerechtigkeit zu kämpfen?
Çetin Gültekin: Gökhan. Ich bekomme Kraft aus Gott, aus Gebeten, aber auch
aus Gökhans positiver Einstellung. Und aus der Gesellschaft und ihrer
Solidarität, die uns bis heute trägt.
Der Name des Täters ist der Öffentlichkeit kaum bekannt, alle
Aufmerksamkeit lag auf dem Gedenken der Ermordeten. Wie haben Sie das
geschafft?
Wir haben nach dem Anschlag schnell die Initiative 19. Februar Hanau
gegründet. Und wir haben dem Täter keine Aufmerksamkeit geschenkt, wir
nennen ihn nur „Rassist“. Das haben wir von Anfang an gut gemeistert.
Unsere Botschaft ist: [1][„Say their names.“] Wir erinnern an unsere
Liebsten.
Kann das Erinnern dabei helfen, so einen Anschlag in Zukunft zu verhindern?
Ja, erinnern heißt verändern. Nur so können wir es schaffen, dass so etwas
nie wieder passiert. Unsere Initiative fordert Erinnerung, Aufklärung,
Gerechtigkeit und Konsequenzen. Bei manchem sind wir machtlos, da müssen
wir zu Gerichten und Politikern. Aber für Erinnerung brauchen wir keine
Politiker, wir konnten hier in Hanau eine gute Erinnerungskultur schaffen.
Wieso gingen nach den Enthüllungen der Correctiv-Recherche Millionen
Menschen auf die Straße, nach dem rechtsterroristischen Anschlag vor vier
Jahren aber nicht?
Weil es sie jetzt selbst betrifft. Vor Hanau war ich auch nicht aktiv, mein
Alltag ging nach den Anschlägen in Solingen oder Mölln weiter. Und Hanau
hat die meisten Leute nicht betroffen, aber das Geheimtreffen betrifft sie.
23 Millionen Menschen hier haben einen Migrationshintergrund, ein Viertel
der Bevölkerung ist betroffen.
Zur diesjährigen Gedenkveranstaltung in Hanau hatten sich auch
Politiker*innen angekündigt, Angehörige der Ermordeten sprachen sich
gegen deren Teilnahme aus.
Wenn Politiker kommen, werden Vorschriften gemacht, wie viele Leute zu der
Veranstaltung kommen dürfen. Wir wollten nicht, dass nicht alle
Hinterbliebenen am Grab trauern dürfen. Als wir letztes Jahr bei einer
Kundgebung auf dem Marktplatz [2][Politiker kritisiert haben,] fühlten sie
sich angegriffen. Aber was erwarten sie von uns? Sollen wir sagen: „Danke,
dass unsere Kinder tot sind. Danke, dass es keine Gerechtigkeit gibt?“
Was kann jede*r Einzelne gegen Rassismus tun?
Die Menschen sollten zur Vernunft kommen und aufpassen, wen sie wählen. Das
soll doch ein gewaltfreies, demokratisches Land sein, wieso sind die
Rechten so stark? Wählt andere Parteien! Und lest mein Buch! Es sollte
Pflichtlektüre an Oberschulen sein, damit die Menschen ein Verständnis von
[3][Rassismus] bekommen. Ich hoffe, dass wir mit Gökhans Buch Rassismus
minimieren können.
Wie soll Ihr Bruder den Menschen in Erinnerung bleiben?
Gökhan war ein sehr hilfsbereiter Mensch. Wie sehr, haben wir erst nach
seinem Tod mitbekommen, als sich eine Hilfsorganisation für
Augenoperationen aus Togo bei der Stadt Hanau gemeldet hat. Sie haben
seinen Namen in den Nachrichten gehört und eine Beileidsbekundung an die
Stadt geschrieben.
Die Organisation kannte ihn?
Genau, er hat regelmäßig an sie gespendet, davon wussten wir aber gar
nichts. Deshalb gehen auch meine Anteile, die ich mit dem Buche verdiene,
als Spende an diese Organisation. So wird er auch nach seinem Tod Menschen
das Sehen ermöglichen.
Wem würden Sie Ihr Buch gerne schenken?
Steven Spielberg, damit es richtig publik wird. Es zeigt das wirkliche
Leben und sollte verfilmt werden. Ein Regisseur wie Spielberg, der auch
einen Film über das Münchner Olympia-Attentat gemacht hat, könnte auch
hieraus einen machen. Eigentlich fehlt nur der Kontakt zu ihm.
4 Apr 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Sølvi Nymoen
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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