Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gedenken an polnische NS-Opfer: Wir brauchen bessere Gedenkarbeit
> Das Gedenken an die polnischen Opfer des Zweiten Weltkrieges schreitet im
> Deutschlandtempo voran. Ein provisorisches Denkmal kann nur ein Anfang
> sein.
Bild: Einweihung des temporären Denkmals für die polnischen Opfer der deutsch…
Achtzig Jahre zu spät, aber besser als nie. Das ist wohl das Motto der
deutsch-polnischen Versöhnung. Ein Findling und ein Baum mit Blick auf den
Bundestag sollen nun für maximal fünf Jahre an die NS-Gräueltaten während
der deutschen Besatzung Polens im Zweiten Weltkrieg erinnern. Ein Projekt,
das zeigt, was an der deutschen Gedenkarbeit falsch läuft.
Die Vernichtung während der NS-Zeit war beispiellos: Mehr als sechs
Millionen Menschen, mehr als ein Fünftel der damaligen Gesamtbevölkerung,
kam ums Leben. Davon allein drei Millionen polnische Juden und drei
Millionen nicht-jüdische polnische Zivilist*innen, die Opfer deutscher
Verbrechen wurden. Da sollte man meinen, dass sich Deutschland längst um
eine Gedenkstätte gekümmert hätte. Stattdessen nun ein provisorisches
Denkmal. „Ein Stein des Anstoßes“, wie es der Leiter des deutschen
Polen-Instituts nennt.
Warum zeitlich begrenzt? Weil auch vor der Gedenkarbeit die Bürokratie
keinen Halt macht. Im Deutschlandtempo berät die Bundesregierung über ein
Denkmal und einen Gedenkort für die polnischen Opfer des
Nationalsozialismus. Damit es mehr als nur eine [1][weitere Stelle für
Kranzablegungen deutscher Politiker*innen wird], soll neben dem
Denkmal das Deutsch-Polnische Haus eröffnet werden.
Bereits 2013 forderte der frühere polnische Außenminister Władysław
Bartoszewski, selbst Häftling im Konzentrationslager Auschwitz und
Widerstandskämpfer, einen Gedenkort. 2017 entstand dann eine bürgerliche
Initiative. Der Plan, das Denkmal mit einer Begegnungsstätte zu verbinden,
ist richtig; sind in Deutschland doch das Interesse an den und das Wissen
über die Verbrechen der Nationalsozialisten in Polen kaum vorhanden. Ein
Ort, der den Blick in die Vergangenheit schärft und die Lehren für die
Zukunft bewahrt, ist daher notwendig.
## Findling schürt Hoffnung
Doch der Traum vom Haus bleibt weiterhin eben nur eine Skizze in einer
[2][netten Broschüre zum Projekt] – nicht mal der Standort ist beschlossene
Sache.
Einerseits macht der Findling daher Hoffnung. Er ist das erste Ergebnis
eines zähen Prozesses. Denn dass Deutschland seine Schuld anerkennt und
danach handelt, hat viel zu lange gedauert. Warum hat es nicht schon früher
Vorstöße in der BRD gegeben? Zumal nicht weit weg, in Friedrichshain,
bereits 1972 ein DDR-„Denkmal des polnischen Soldaten und deutschen
Antifaschisten“ errichtet worden war. Nur war es damals ein polnischer
Verband, von dem die Initiative ausging.
Andererseits zeigt der provisorische Stein, wie schnell sich die
Verantwortungen scheinbar verschoben haben. Zivilgesellschaftliche Akteure,
allen voran das Deutsche Polen-Institut, haben sich auf unbürokratischem
Weg gekümmert, Spenden gesammelt und eine Genehmigung des Berliner
Abgeordnetenhauses eingeholt, für die fünf Jahre eben, die der Findling
laut Auflage nun mahnen darf.
Dabei muss es auch für die gegenwärtige deutsch-polnische Beziehung
weitergehen mit dem Deutsch-Polnischen Haus. Denn fragt man Deutsche nach
ihren Assoziationen mit Polen, geht es meist ums Reisen, um günstige Preise
und Gastfreundschaft.
## Pol*innen blicken in die gemeinsame Vergangenheit
Und andersherum? „Die Polen verbinden Deutschland und die Deutschen mit der
schwierigen deutsch-polnischen Vergangenheit (jede fünfte Assoziation),
insbesondere mit dem Zweiten Weltkrieg“. So steht es im
[3][Deutsch-polnischen Barometer für 2024].
Die Deutschen leben gern in der Gegenwart, viele Pol*innen können auch
gerade deswegen mit der Vergangenheit nicht ganz abschließen. Zu Recht.
Während in Deutschland das Interesse an den Verbrechen der eigenen Nation
schwindet, haben die Jahre unter der nationalkonservativen PiS-Regierung in
Polen den Fokus der Beziehungen zu Deutschland auf die Gedenkarbeit und
Forderung nach Reparationszahlungen gelenkt. Anti-deutsche Ressentiments in
der politischen Rechten sind in Polen alltäglich. Premierminister Donald
Tusk hat bereits das Image des „deutschen Agenten“ bei Anhängern der
nationalkonservativen PiS inne.
Daher ist es wichtig, die Anliegen der polnischen Bevölkerung auch hier
ernst zu nehmen und dem Nachbarn auf Augenhöhe zu begegnen. Denn wer laut
dem deutsch-polnischen Barometer die Beziehungen in einem ungünstigen Licht
sieht, bemängelt überwiegend die unzureichende Aufarbeitung der deutschen
Kriegsverbrechen in Polen. Trotzdem schätze die Mehrheit den deutschen
Nachbarn. Wie lang es angesichts der unzureichenden Gedenkarbeit so bleibt?
Bisher haben wir wohl noch Stein gehabt.
17 Jun 2025
## LINKS
[1] /Plaene-fuer-Deutsch-Polnisches-Haus/!5953254
[2] https://deutschpolnischeshaus.de/uploads/files/Dateien/stiftung-denkmal-deu…
[3] https://www.deutsches-polen-institut.de/themen-projekte/politik/deutsch-pol…
## AUTOREN
Anastasia Zejneli
## TAGS
Polen
NS-Verbrechen
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
Erinnerungspolitik
NS-Gedenken
Gedenkstätte
Gedenkpolitik
Gedenken
GNS
Kolumne Economy, bitch
wochentaz
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Polen
Polen
Kulturpolitik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Lieferkette und Lidl-Regal: Der frühe Vogel findet noch ein Schokocroissant
Wie immer begann es im Internet. Und nun ist die Frage: Wer trägt alles
dazu bei, dass es morgens (kein) „Schoko Crosong“ beim Discounter gibt?
Aufarbeitung von NS-Verbrechen: Mit 60 Litern Benzin zur Synagoge
Zwei Historiker rekonstruieren den Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge
von 1938. Sie stoßen auf neue Beteiligten. Dessen 90-jähriger Sohn läuft
Sturm.
Förderung von NS-Gedenkstätten: Zu kurz bedacht
Für Gedenkorte zur Aufarbeitung von NS-Diktatur und SED-Regime fehlt
Sachsen das Geld im Haushalt. Der KZ-Gedenkstätte Sachsenburg droht ein
Baustopp.
Deutsch-polnische Beziehungen: „Man erwartet von einer deutschen Regierung do…
Es fehle das Verständnis füreinander, sagt Krzysztof Ruchniewicz, Polens
Beauftragter für die deutsch-polnischen Beziehungen. Dabei stünden die
beiden Länder vor großen Herausforderungen.
Pläne für Deutsch-Polnisches Haus: Kein Kranzabwurfplatz
Das geplante „Polen-Denkmal“ soll nicht nur Gedenkstätte, sondern auch
Museum und Ort des Lernens sein. Probleme zeichnen sich allerdings bei der
Umsetzung ab.
Pläne für Deutsch-Polnisches Haus: Gedenken am Ort der Lüge geplant
Erinnern an die NS-Besatzungszeit in Polen: Das Deutsch-Polnische Haus soll
am Standort der früheren Kroll-Oper in Berlin entstehen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.