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# taz.de -- Flüchtlingsunterbringung in Berlin: „Tegel könnte das neue Mori…
> Am ehemaligen Flughafen Tegel wird ein Aufnahmezentrum für Asylsuchende
> nach den neuen EU-Regeln eingerichtet. Pro Asyl befürchtet
> Einschränkungen des Asylrechts.
Bild: Immerhin: Mit den Großzelten soll in Tegel bald Schluss sein
Berlin taz | Flüchtlingsorganisationen sehen den neuen Beschluss des
Berliner Senats zur Notunterkunft in Tegel mit großer Sorge. Der Sprecher
von Pro Asyl, Tareq Alaows, befürchtet, dass Tegel unter den EU-Regeln zum
Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) das größte „Haftzentrum“ für
Asylsuchende in Deutschland, vielleicht sogar in Europa wird. „Tegel könnte
das neue Moria werden“, sagte Alaows am Mittwoch der taz.
Auch beim Berliner Flüchtlingsrat lässt die Ankündigung von CDU und SPD,
Tegel werde zum zentralen Ankunftszentrum nach den GEAS-Regeln, die
Alarmglocken klingeln. „Unter dem Deckmantel eines einheitlichen Verfahrens
droht eine massive Einschränkung des individuellen Asylrechts – inklusive
Schnellverfahren, eingeschränkter Rechtsmittel und haftähnlicher
Unterbringung“, sagte Mitarbeiterin Djairan Jekta der taz.
Der Senat hatte am Dienstag auf Vorlage der zuständigen Senatorin für
Integration, Cansel Kiziltepe (SPD), eine Verlängerung der Unterbringung
von Geflüchteten in Tegel bis 2031 beschlossen. Bisher lief die Genehmigung
nur bis Ende 2025. Zugleich sollen die Kapazitäten von derzeit 7.000 auf
2.600 Plätze verkleinert, die Großzelte abgebaut und durch Container
ersetzt werden.
Die Betriebserlaubnis wird verlängert, weil Tegel übergangsweise zum
zentralen Ankunftszentrum für Asylsuchende nach den GEAS-Regeln werden
soll. Das derzeitige zentrale Ankunftszentrum auf dem Gelände der
ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Berlin-Reinickendorf entspreche
nicht den EU-Standards, so der Senat – es soll saniert werden.
Zu GEAS gehört die zentrale Unterbringung von neu ankommenden Asylsuchenden
und das so genannte Screening, bei dem es um Identität, Gesundheitszustand
und Bleibeperspektive der Geflüchteten geht.
## Screening nach Bleibeperspektive
Was genau die neuen GEAS-Regeln für den Asylprozess in Berlin wie auch in
den anderen Bundesländern bedeuten, ist noch nicht klar. Nach
taz-Informationen stellt sich der Senat unter anderem auf die Vorgabe ein,
dass Menschen ohne „gute“ Bleibeperspektive nach dem Screening, das etwa
eine Woche dauern soll, nicht in eine Gemeinschaftunterkunft in der Stadt
verteilt werden, sondern in Tegel bleiben müssen. Gleiches könnte für
sogenannte Dublin-Fälle gelten, für die andere EU-Länder zuständig sind.
Damit würde Tegel nicht nur Aufnahmezentrum, sondern auch eine Art
Gewahrsam bis zur Abschiebung.
Auch an den [1][EU-Außengrenzen sollen laut GEAS Aufnahmelager] entstehen,
in denen Flüchtlinge interniert werden – und solche mit „schlechter“
Bleibeperspektive sollen in der Regel gar nicht erst einreisen dürfen. Laut
Alaows soll das Screening normalerweise in den Lagern an den
EU-Außengrenzen geschehen. „Dass nun auch für Tegel von einem Screening die
Rede ist, weist darauf hin, dass hier ähnliches geplant ist wie an den
Außengrenzen.“
Auch die Gesamtzahl der geplanten Plätze in Tegel weise in die Richtung
einer riesigen Haftanstalt, so der Experte von Pro Asyl. Tatsächlich sind
laut Senatsbeschluss von den geplanten 2.600 Plätzen im neuen
Ankunftszentrum nur 600 für das Screening vorgesehen – wofür die übrigen
gedacht sind, wird nicht erwähnt.
## „Isolation, Gewalt, Krankheiten“
Dem Flüchtlingsrat gibt die große Kapazität von Tegel ebenfalls zu denken:
„Große Sammelunterkünfte schaffen Abhängigkeit, Isolation, Gewalt,
Krankheiten und erschweren gesellschaftliche Teilhabe, insbesondere wenn
sie mit restriktiven Verfahren verknüpft sind“, so Jekta.
Vor zwei Wochen hatte die beim Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU)
angesiedelte Task Force Unterbringung noch [2][weitere Vorschläge gemacht].
Dazu gehörte unter anderem der weitere Ausbau der Unterbringung am
ehemaligen Flughafen Tempelhof sowie die Festlegung, bis zu 8.700 weitere
Plätze in dezentralen Unterkünften schaffen zu wollen. Zu all dem beschloss
der Senat am Dienstag nichts – offenbar gibt es dazu keine Einigkeit in der
Koalition aus CDU und SPD.
Die Notunterkunft in Tegel war kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs Anfang
2022 entstanden. Ursprünglich war sie nur als Verteilzentrum geplant, von
dem aus Kriegsflüchtlinge binnen weniger Tage in andere deutsche Kommunen
oder in Gemeinschaftsunterkünfte in Berlin gebracht werden sollten. Mit der
Zeit wurde Tegel jedoch zu [3][Deutschlands größter Notunterkunft, in der
skandalöse Zustände] herrschen.
Menschen müssen teils weit länger als ein Jahr in Großzelten leben, in
denen jeweils bis zu 320 Menschen auf engstem Raum untergebracht sind. Das
Lager ist mit etwa 250 Euro Kosten pro Platz und Tag vermutlich auch die
teuerste Flüchtlingsunterbringung Deutschlands.
In den vergangenen Monaten wurde Tegel immer leerer, Mitte Mai lebten dort
laut Landesflüchtlingsamt knapp 3.000 Menschen. Ohnehin kommen in Berlin
immer weniger neue Flüchtlinge an. Bis Ende April nahm Berlin 2.278
Geflüchtete auf – 30 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
Der Senatsbeschluss von Dienstag schafft außerdem die Voraussetzungen für
die Umsetzung des Projekts „Urban Tech Republic“ sowie des
[4][Wohnungsbauprojekts „Schumacher-Quartier“]. Auch die [5][Berliner
Feuerwehr- und Rettungsakademie] will auf dem früheren Flughafengelände
bauen.
28 May 2025
## LINKS
[1] /Europaeische-Asylrechtsreform-Geas/!6003865
[2] /Fluechtlingspolitik-in-Berlin/!6087936
[3] /Bundesweit-groesste-Gefluechtetenunterkunft/!6018899
[4] /Wohnen-am-ehemaligen-Flughafen-Tegel/!6066446
[5] https://www.berliner-feuerwehr.de/ueber-uns/ausbildung-an-der-bfra/projekt-…
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
GEAS (Gemeinsames Europäisches Asylsystem)
Schwerpunkt Flucht
Abschiebung
Schwerpunkt Flucht
Wohnungsbaugesellschaften
Schwarz-rote Koalition in Berlin
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