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# taz.de -- Deutsches GEAS-Gesetz: Spielräume ausreizen
> Abschieben noch vom Flughafen: Wie Deutschland die Reform des Gemeinsamen
> Europäischen Asylsystems umsetzen will.
Bild: Eine Unterkunft für Geflüchtete, hier ein sogenanntes Dublin-Zentrum in…
Berlin taz | So hart wie möglich: Ein Referentenentwurf aus dem
Bundesinnenministerium zeigt, wie Deutschland [1][die große Reform des
Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas)] von 2024 umsetzen will. Diese
erste Fassung des Geas-Anpassungsgesetzes, die seit einigen Tagen kursiert,
reizt die nationalen Spielräume aus und setzt auf maximale Abschreckung.
Ein zentraler Punkt des Entwurfs befasst sich mit den Grenzverfahren, die
die Geas-Reform für alle Asylsuchenden vorsieht, die zum ersten Mal
europäischen Boden betreten. In Deutschland betrifft das ausschließlich
Menschen, die per Schiff oder Flugzeug einreisen. Bislang müssen sich nur
Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten einem ähnlichen
Verfahren unterziehen, wenn sie an Flughäfen einreisen. Und auch das nur,
wenn sie falsche Angaben machen.
Künftig soll es alle Menschen treffen, die aus Staaten kommen, bei denen
die Asylanerkennungsquote in Deutschland unter 20 Prozent liegt. Außerdem
sollen auch Menschen, die in anderen EU-Staaten schon Schutz bekommen
haben, diesen Verfahren unterworfen werden. Die Anträge all dieser
Personengruppen sollen dann noch am Flughafen innerhalb weniger Wochen
geprüft und entschieden werden. Währenddessen gelten sie als juristisch
nicht eingereist, außerdem ist ihr Zugang zu Anwält*innen eingeschränkt.
Wird ihr Antrag abgelehnt, sollen sie direkt aus dem
Flughafen-Transitbereich abgeschoben werden.
Der Gesetzentwurf eröffnet den Behörden zudem die Möglichkeit, Geflüchtete
de facto in Haft zu nehmen. Das Bundesinnenministerium zielt dabei
offensichtlich auf die sogenannten Dublin-Fälle, also Geflüchtete, für
deren Asylantrag eigentliche andere EU-Staaten zuständig sind. Schon jetzt
gibt es für sie vereinzelt separate Unterkünfte, die sogenannten
Dublin-Zentren, die aber bisher aber noch weitgehende Bewegungsfreiheit
bieten. Mit dem neuen Gesetzentwurf könnten sich diese Zentren zu
Haftlagern entwickeln, deren Bewohner*innen das Gelände nicht mehr
verlassen dürfen.
## Leistungsstreichungen
Auch an anderen Stellen zielt der Gesetzentwurf besonders auf die
Dublin-Fälle. Schon bisher können diesen Personen die staatlichen
Leistungen komplett gestrichen werden, um sie zur Ausreise zu bewegen. Das
gilt auch für Personen in Deutschland, denen in einem Drittstaat bereits
Asyl gewehrt wurde. Doch bislang gibt es dabei eine zusätzliche Bedingung:
Die Ausreise muss rechtlich und tatsächlich möglich sein. Heißt also, dass
der eigentlich zuständige Staat die Menschen wirklich wieder zurücknimmt.
Genau diese Bedingung soll nun gestrichen werden, sodass Leistungskürzungen
möglich werden. Für die Betroffenen hätte das zur Folge: Sie stecken in
Deutschland fest, bekommen hier aber keine Leistungen mehr. Für sie gäbe es
keinen Ausweg.
[2][Schon die aktuelle Gesetzgebung, die Ende Oktober 2024 in Kraft trat,]
hatte dutzende Gerichtsverfahren zur Folge, die Betroffenen werten sich
dagegen. Bei mindestens 50 Eilverfahren wurde der Leistungsausschluss
wieder aufgehoben. Denn tatsächlich ist eine freiwillige Ausreise für
Personen aus Drittstaaten nicht so einfach möglich. Eine solche
Entscheidung fällte im Juni auch das Landessozialgericht
Niedersachsen-Bremen und fügte an: Die Vereinbarkeit mit „Verfassungs- und
Europarecht ist zweifelhaft“. Es sei fraglich, ob durch den
Leistungsausschluss das Existenzminimum noch sichergestellt sei. Eine
vollständige Prüfung war im Eilverfahren aber nicht möglich.
Den Leistungsausschluss kritisiert auch Lena Frerichs von der Gesellschaft
für Freiheitsrechte. Es sei irritierend, dass Verwaltungen die Praxis
weiter umsetzen, obwohl „wir mehr als 50 sozialgerichtliche Entscheidungen
aus Eilverfahren haben“. Inwieweit die geplante Neuerung diese Probleme
löst, steht nicht im Referentenentwurf des Innenministeriums.
Pro Asyl fordert in einer Stellungnahme, der Entwurf müsse „grundlegend
überarbeitet werden“. Die Organisation bemängelt aber nicht nur den Inhalt
des Entwurfs, sondern auch, dass den Verbänden nur sechs Tage Zeit gegeben
wurde, um Stellung zu beziehen.
Offenbar soll das Bundeskabinett noch innerhalb der nächsten zwei Wochen
einen Beschluss zu dem Vorhaben fassen. Nach der Sommerpause soll der
beschlossene Entwurf dann in den Bundestag eingebracht werden.
9 Jul 2025
## LINKS
[1] /Europaeische-Asylrechtsreform-Geas/!6003865
[2] /EU-Asylreform-in-Deutschland/!6044282
## AUTOREN
Frederik Eikmanns
David Muschenich
## TAGS
GEAS (Gemeinsames Europäisches Asylsystem)
Migration
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Schwerpunkt Flucht
Familienministerium
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Asylrecht
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