# taz.de -- Ausstellung Queere Kunst aus Ghana: Kunst als Kampf | |
> Über den Zorn und das Anlegen der zweiten Haut: In der nGbK erzählt die | |
> Ausstellung „Activist Choreographies of Care“ queere Geschichten aus | |
> Ghana. | |
Bild: Va-Bene Elikem Fiatsis dokumentarische Fotoarbeit „froZen“, Ausstellu… | |
Ein Weckruf ging aus vom Alexanderplatz. Mit den Worten „We are black, we | |
are queer, we are proud, we are here“ beendete die [1][Künstlerin und | |
Transgender-Artivistin Va-Bene Elikem Fiatsi] ihre Eröffnungsrede. Der | |
Applaus war frenetisch, eine Woge der Anerkennung, Freude und Solidarität | |
breitete sich in dem entkernten Plattenbau in Berlin-Mitte aus. In Zeiten | |
des aufschwellenden, reaktionär-rassistischen Machismos wirkten diese Worte | |
wie ein Fanal, für Europa wie auch für Afrika. | |
„Meine Rede war von Zorn befeuert – wegen all der Dinge, die gerade | |
passieren. Sie ist ein Versuch, alle aufzurufen, für Gleichheit und | |
Gerechtigkeit einzutreten und gegen Unterdrückung und Diskriminierung zu | |
kämpfen“, erklärte Elikem Fiatsi später taz. | |
In Kumasi, der zweitgrößten Stadt Ghanas, betreibt sie das crazinisT artisT | |
studiO als Performance Space und sicheren Ort für die Queer-Community. Seit | |
2018 lädt sie zu Residenzen im perfocraZe International Artist Residency | |
(pIAR) ein. Mehr als 200 Künstler*innen aus Afrika, Asien, | |
Lateinamerika, aber auch aus Europa nahmen bereits an den Residenzen teil. | |
Weil zahlreiche Berliner Künstler*innen dazugehörten, unter anderem drei | |
der Co-Kurator*innen der aktuellen Ausstellung in der nGbK – Sunny Pfalzer, | |
Malte Pieper und Maj Smoszna – lag die Kooperation zwischen dem pIAR in | |
Kumasi und Berlins wohl basisdemokratischster Kunstinstitution auf der | |
Hand. | |
## Make-up und Eyeliner | |
Va-Bene Elikem Fiatsi ist in der Ausstellung omnipräsent. Ihre | |
Großinstallation „Monument of Second Skin“ prägt den Eingangsbereich. | |
Dutzende Kleider und Tücher in allerlei Farben und Mustern hängen an zwei | |
Wänden fein säuberlich aufgereiht. Schuhe stapeln sich in Regalen, rote, | |
weiße und schwarze, mal mit Plateausohlen, mal hochhackig. Oben an der | |
Decke befinden sich schließlich Unterwäsche und BHs. Was auch nicht fehlt: | |
eine Ecke zum Schminken, mit Spiegel, Make-up, Eyelinern und diversen | |
Ketten, Ringen und anderen Accessoires. | |
„Es handelt sich um meine private Garderobe. Seit 2012 sammle ich all die | |
Stoffe und Kleider, die unsere Identität definieren. Vor meiner kompletten | |
Geschlechtsumwandlung begann ich, Frauenkleider und nicht-binäre | |
Kleidungsstücke bis hin zur Unterwäsche zu sammeln. Mit ihnen führte ich | |
mein Ritual des Werdens auf“, erzählt sie. | |
Die „zweite Haut“, die sie jetzt in Berlin ausstellt – Teile davon stammen | |
aus Ghana, andere Stücke sammelte sie in Berlin – sieht sie einerseits als | |
schützende Schicht und als Elemente, die sie selbst definieren und ihr | |
Selbstbewusstsein verleihen. Andererseits ist sie sich darüber bewusst, | |
dass Frauenkleider nicht-binäre Personen wie sie in heteronormativen | |
Strukturen auch verwundbar machen. | |
Elikem Fiatsi ist neben „Monument of Second Skin“ mit einer großen | |
dokumentarischen Fotoarbeit vertreten. Ihre Serie „froZen“ zeigt auf einer | |
rasterartig angeordneten Wand aus zahlreichen kleinen Fotos Rituale ihrer | |
Reinigung, ihres Anziehens und ihres Schminkens – des Prozesses vor dem | |
Anlegen der „zweiten Haut“ also. | |
## Die Züge der Mutter | |
Zudem ist sie in der aus Bienenwachs und roter Farbe gefertigten Skulptur | |
„Mother of Many“ verewigt. Die deutsch-ghanaische Künstlerin Sarah Ama Duah | |
spiegelt darin die Zuwendung, die sie durch Elikem Fiatsi während ihrer | |
Residenz bei pIAR erfuhr. Die Dargestellte selbst sieht das Werk | |
ambivalent: „Ich habe wirklich widerstreitende Gefühle, wenn ich mir selbst | |
in dieser Skulptur begegne. Ich beginne andererseits, immer mehr Züge | |
meiner Mutter darin zu sehen. Und das gibt mir Kraft“. | |
Weitere Werke in der Ausstellung widmen sich den Beziehungen, die zwischen | |
Menschen entstehen können. Martin Toloku etwa gräbt aus Holz gefertigte | |
Köpfe in kreisförmiger Anordnung in die Erde ein und evoziert so ein | |
Nachdenken über Kommunikation zwischen Menschen und Materialien. Eine | |
multimediale Installation des Choreografen Julius Yaw Quansah und des | |
Komponisten Anthony R. Green betont den Widerstand queerer Communitys. | |
Der ist gegenwärtig besonders nötig. Denn [2][die aktuelle ghanaische | |
Regierung möchte ein Gesetz durchbringen, das nicht nur die LGBTQIA+-Szene | |
selbst massiv kriminalisiert]. „Es bedroht auch Journalisten, die über | |
queere Themen berichten, mit Gefängnis. Selbst Eltern werden strafbar | |
gemacht und auch Vermieter, die queere Personen nicht aus ihren Häusern | |
werfen“, malt Elikem Fiatsi ein kaum glaubliches, aber kurz vor der | |
Realisierung stehendes Szenario aus. Der Ausruf „We are black, we are | |
queer, we are proud, we are here“ ist daher auch aus sehr großer Not | |
geboren. | |
11 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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