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# taz.de -- Frida Orupabo im Sprengel Museum: Aus kolonialen Bildwelten befreit
> Die Künstlerin Frida Orupabo dekonstruiert in Hannover koloniale Blicke
> auf Schwarze Körper und schafft mit Collagen aus Archivbildern Bilder von
> Selbstermächtigung.
Bild: Das Bildarchiv neu zusammengesetzt: Collage „Omega“
Ein riesiger, Schwarzer Kopf starrt durch mehrere Räume hindurch, die Augen
weichen der Kamera aus. Der Blick der Person of Colour wirkt kritisch. Über
der rechten Augenbraue ragt eine Hand mit einer Stricknadel und einem Faden
hervor.
Es scheint, als wäre ein Teil des Gesichtes überstrickt und das Foto durch
Verzerrung und Manipulation verändert worden, auch ist das Geschlecht nicht
eindeutig zuzuordnen. Der Kopf wird zu beiden Seiten von schweren,
dunkelgrünen Vorhängen eingerahmt, die symbolisch zwischen Verbergen und
Offenbaren, Schützen und Präsentieren, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit
wechseln.
Die Wandinstallation „Grandma’s House“ (2023) der norwegischen Künstlerin
Frida Orupabo erstreckt sich mehrere Meter breit und hoch über eine Wand.
Wer vorbeigeht, bleibt stehen, hält inne, blickt zurück, auf den Boden, zur
Seite. Die Künstlerin setzt sich mit dem [1][kolonialen Blick Europas auf
Schwarze Menschen] auseinander – ein Blick, den sie schonungslos offenlegt
und konsequent dekonstruiert. „Für mich ist es eine Art, mich der
Objektivierung zu verweigern, wenn ich Werke schaffe, die auf die
Betrachtenden zurückblicken – und sagen: Ich sehe dich.“
Orupabo stellt im [2][Sprengel Museum in Hannover] im Rahmen des
„[3][Spectrum – Internationaler Preis für Fotografie]“ 30 Werke aus.
Überwiegend arbeitet sie mit digitalen und physischen Collagen und setzt
sich mit Themen wie Geschlecht, Rassismus, Sexualität, Schönheit und Klasse
auseinander.
Dabei untersucht sie die Verflechtungen dieser Themen und richtet ihren
Fokus auf weiße Fantasien über Schwarze Körper – insbesondere Schwarze
weibliche Körper. Sie macht die Verletzungen und Folgen von Fremdbestimmung
sichtbar und öffnet Räume für Widerstand und Selbstermächtigung. Ihre
Arbeiten speisen sich aus persönlichen Erfahrungen, die eng mit
kollektiven, geteilten Erlebnissen verwoben sind.
Orupabo wuchs in einer Kleinstadt auf, etwa eine Stunde von Oslo entfernt.
Seitdem sie denken kann, fehlt es ihr an Bildern, Fotos, Videos, die ihre
Realität widerspiegeln. Die ausgebildete Soziologin begann während ihrer
Tätigkeit in einem Zentrum für Opfer von Menschenhandel und Prostitution,
Bilder aus dem Internet zu sammeln.
Sie eröffnete den Instagram-Account @nemiepeba, dort zeigt sie persönliche
und historische Archivfotos mit Inhalten aus Literatur, Philosophie und
Poesie. Nach ihrer ersten Ausstellung in der Serpentine Gallery in London
entwickelten sich aus dem Archiv zunächst Fotomontagen, später Skulpturen
und schließlich Videos.
## Befreite Körper
Orupabo knüpft an die Tradition der Fotomontage an: Sie manipuliert,
zerschneidet, arrangiert, invertiert und wiederholt Bilder. Dabei steht das
Leben der People of Colour und seine Darstellung in Schrift, Fotografie,
Film und Musik im Vordergrund. Sie nutzt die Technik in einer Weise, die
koloniale Vorstellungen, die noch immer in vielen sozialen,
wirtschaftlichen und politischen Strukturen verankert sind, infrage stellt.
Ein Beispiel ist [4][die Arbeit „Can we Pretend“] (2024). Sie zeigt eine
als Schwarz gelesene Frau, deren Kopf unterhalb der Nase abgeschnitten ist.
Ihre voluminöse Frisur dominiert den oberen Bildbereich und macht den
größten Teil des verbliebenen Kopfes aus. Verschiedene schwarz-weiße
Papiere sind mit Spreizklammern zusammengefügt.
Der Oberkörper setzt sich aus unterschiedlichen Fotografien zusammen.
Besonders auffällig ist die Brustpartie: Sie ist heller als der Rest des
Körpers und könnte von einer weißen Frau stammen – ein Bruch, der
Irritation erzeugt. Die Hände sind zu Halbfäusten geballt. Durch die Art
des Zuschnitts wirken sie zugleich unfähig zu greifen und kurz davor, sich
zur Abwehr oder zum Angriff zu erheben.
Unterhalb des Bauchnabels fehlt der Schambereich. Stattdessen sehen wir ein
Gesäß, vor dem eine Handtasche montiert ist – ein symbolischer
Schutzschild, der den Blick der Betrachtenden abwehrt oder umlenkt.
In ihren Collagen befreit Orupabo Körper so aus den Fesseln kolonialer
Archive und gewaltvoller Bildwelten. Aus Fragmenten unterschiedlichster
Herkunft formt sie neue Figuren und Narrative. Es entstehen Gestalten des
Widerstandes: losgelöst von tradierten Rollenbildern, in autonome
Positionen versetzt – sie begegnen den Betrachtenden mit einem Blick, der
nicht bittet, sondern fordert. Die Fragilität des Papiers, auf dem die
meisten dieser Figuren entstehen, steht in starkem Kontrast zu ihrer
Präsenz – zu jenen Blicken, die uns durch die Hallen fixieren und einen
inneren Dialog herausfordern, der noch lange nachhallt.
24 May 2025
## LINKS
[1] /Postkolonialer-Kunstdiskurs/!5693379
[2] https://www.sprengel-museum.de/ausstellungen/aktuell/frida-orupabo
[3] /Als-Knipsen-Kunst-wurde/!5869710
[4] https://www.artsy.net/artwork/frida-orupabo-can-we-pretend
## AUTOREN
Theresa Weise
## TAGS
Körper in der Kunst
Bildende Kunst
Feministische Kunst
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Schwarz
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