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# taz.de -- Diskussion über Mindestlohn: Der Bluff der SPD-Führung
> CDU-Chef Merz hat recht: Ein höherer Mindestlohn steht nicht im
> Koalitionsvertrag. Der Ball liegt bei einer Kommission, die zuletzt pro
> Arbeitgeber agierte.
Bild: Merz hat Recht: Im Koalitionsvertrag ist ein höherer Mindestlohn nicht v…
Die Aufregung in der SPD-Spitze um die Äußerungen von Friedrich Merz zum
Mindestlohn ist verständlich. Wer wird schon gerne bei einem Bluff erwischt
– ausgerechnet zu Beginn des SPD-Mitgliederentscheids? „Wir sorgen für
höhere Einkommen, indem wir die Tariftreue stärken und den Mindestlohn auf
15 Euro erhöhen“, sagte Saskia Esken wörtlich bei der Vorstellung des
Koalitionsvertrages. Das entspricht nicht der Wahrheit.
Merz hat leider recht, dass sich Union und SPD [1][nur darauf verständigt
haben, die Entscheidung der Mindestlohnkommission zu überlassen]. Bis Ende
Juni muss das paritätisch mit Vertreter:innen der
Arbeitgeber:innen und der Gewerkschaften besetzte Gremium seinen
Vorschlag für das kommende Jahr machen. Mal schauen, was dabei herauskommt
– vielleicht sind es 15 Euro, wahrscheinlich aber weniger.
Es gibt keine bindende Formel, sondern nur Orientierungspunkte, die im
Rahmen einer „Gesamtabwägung“ von der Kommission für die Festlegung des
Mindestlohns zu berücksichtigen sind. Das ist ein Konstruktionsfehler, an
dem auch die neue Koalition bedauerlicherweise nichts ändern will. Im
schlimmsten Fall kann das zu so einem Debakel wie zu Ampelzeiten führen,
als 2023 mit der Mehrheit der Arbeitgeber:innen und der formal
unabhängigen Kommissionsvorsitzenden gegen die
Gewerkschaftsvertreter:innen eine viel zu mickrige Anhebung der
Lohnuntergrenze beschlossen wurde.
Dass Union und SPD vor zehn Jahren einen flächendeckend geltenden
Mindestlohn eingeführten, beruhte auf der Erkenntnis, dass das deutsche
Sozialpartnerschaftsmodell ausgerechnet im untersten Lohnbereich nicht mehr
funktioniert. Das liegt vor allem in der Schwäche der Gewerkschaften
hierzulande begründet. In Ländern mit starken Gewerkschaften braucht es
keinen gesetzlich festgelegten Mindestlohn.
Das Problem ist, dass sich diese Schwäche in der Mindestlohnkommission
fortsetzt. Anders als in Tarifauseinandersetzungen fehlt den Gewerkschaften
hier jegliches Druckmittel, während die Arbeitgeber:innenseite über
eine Blockademacht verfügt. Ausgehend vom dem bereits damals von Union und
SPD zu niedrig angelegten Ausgangspunkt von 8,50 Euro brutto pro Stunde
führte das zu nicht ausreichenden Mindestlohnsteigerungen in der Folgezeit.
Der [2][von der Ampelkoalition nach der Bundestagswahl 2021 per Gesetz –
und unter Umgehung der Mindestlohnkommission – beschlossene Sprung auf 12
Euro versuchte], das zu korrigieren, ohne jedoch eine grundsätzliche Lösung
zu wagen.
Ein Ausweg wäre, endlich den in der EU-Mindestlohnrichtlinie genannten
Referenzwert von 60 Prozent des Bruttomedianlohns, also des mittleren
Einkommens, als Mindestlohnuntergrenze verbindlich festzuschreiben. Die
Daten des Statistischen Bundesamtes zur Grundlage genommen, würde das
tatsächlich für 2026 einen Mindestlohn um die 15 Euro bedeuten. Dass die
Arbeitgeber:innenlobby eine solche Festschreibung auf keinen Fall
will, verwundert nicht. Entsprechend gibt es sie denn auch nicht im
Koalitionsvertrag. Da helfen auch keine nachträglichen verbalen
Kraftmeiereien der SPD-Führung. Sie sollte ihre Parteibasis nicht für dumm
verkaufen.
14 Apr 2025
## LINKS
[1] /Koalitionsvertrag-von-Union-und-SPD/!6081312
[2] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/12-euro-mindestlohn-2006858
## AUTOREN
Pascal Beucker
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