| # taz.de -- Situation der freien Tanzszene: Passen Sie sich den Gegebenheiten an | |
| > Die Berliner Tanzszene ist von Sorgen schwer gebeutelt seit den | |
| > beschlossenen Kürzungen. In der AdK erteilte sie Kultursenator Joe Chialo | |
| > Nachhilfe. | |
| Bild: Joana Tischkaus „Schlagerballett“ ist im Februar im Kampnagel in Hamb… | |
| Die Liste der Verluste ist lang. Auf der Website des [1][Freelance Dance | |
| Ensemble Berlin] erzählen inzwischen 300 Beteiligte der Berliner Tanzszene, | |
| was die geplanten Kürzungen in der Kulturförderung von Berlin für sie | |
| bedeuten. Verlust des Probenraums, Verlust niedrigschwelliger Angebote, | |
| keine Bezahlung mehr für den Unterricht sozial schlecht gestellter Kinder. | |
| Die Einbeziehung von Marginalisierten, die Projekte an den Schnittstellen | |
| von sozialer und kultureller Arbeit, die Ermöglichung von Teilhabe – all | |
| das, was sich viele Akteure der Tanzszene in den letzten Jahren auf ihre | |
| Fahnen geschrieben haben, wird blockiert. Immer mehr Arbeitszeit wird | |
| gebraucht für die Suche nach finanzieller Unterstützung, immer weniger | |
| steht für die Kreativität zur Verfügung. Kontinuierliche Weiterarbeit ist | |
| nicht mehr möglich. | |
| Verbunden sind die Statements mit Porträts und Angaben zum bisherigen | |
| Arbeitsweg. Ein Bild der vielfachen Vernetzung ergibt sich daraus – aber | |
| auch der Fragilität der Strukturen. Wenn, wie jetzt an vielen Orten | |
| Stützpfeiler eingeschlagen werden, stürzt da vieles in den Abgrund. Man | |
| schaut den Tänzer:innen, Choreograf:innen, Lehrenden und Tanzvermittelnden | |
| ins Gesicht und wünscht sich, all dies wäre nicht wahr. | |
| Im Dezember wurde die Website von einem Kollektiv von Choreograf:innen | |
| gegründet, darunter [2][Claire Vivianne Sobottke,] Jared Gradinger, Jule | |
| Flierl, Siegmar Zacharias, [3][Sheena McGrandles], Laurie Young, Martin | |
| Hansen und der Kulturmanagerin Silke Bake. Anfangs waren sie 200, täglich | |
| werden es mehr. | |
| Ein Stück Sichtbarkeit | |
| Es ist eine Reaktion auf die Krise, in die die finanziellen Streichungen | |
| die Szene stürzen. Aber auch ein Akt, sich zusammenzuschließen und | |
| gegenzuhalten. Sie sorgen für ein Stück Sichtbarkeit der Tanzszene und | |
| ihrer Verwobenheit. Das erschien auch notwendig angesichts der Blindheit | |
| gegen die konkreten Arbeitsbedingungen der Künstler:innen, wie sie aus dem | |
| Kürzungsszenario sprechen. | |
| Den [4][Kultursenator Joe Chialo (CDU)] einmal zum Hinsehen zu bewegen, zu | |
| informieren darüber, wie viel die Szene leistet, wie viel Unternehmertum, | |
| privates Engagement und Resilienz in ihrer Arbeit schon steckt, weil der | |
| Senator diese Dinge oft anführt, als wären sie der Berliner Kultur fremd, | |
| dafür war unter dem Titel „Tanz Macht Berlin“ der letzte Samstagnachmittag | |
| in der Akademie der Künste geplant. Chialo war der Adressat von 14 | |
| Statements der Tanzakteure, die für verschiedene Segmente sprachen. | |
| Was sie zeichneten, war eine Situation des Mangels, mit dem Tanz ja schon | |
| lange lebt. 3 Prozent des Kulturetats geht in den Tanz, | |
| Spartengerechtigkeit sähe anders aus. | |
| Seit 2018 hat ein sogenannter Runder Tisch Tanz an der Ermittlung der | |
| Bedarfe gearbeitet, um mehr Nachhaltigkeit und mehr Verlässlichkeit in | |
| Förderprogramme zu bringen. Karen Kirchoff, die dabei war, erzählte davon. | |
| Nach langen Diskussionen wurden sieben neue Programme entwickelt, von denen | |
| jetzt schon wieder vier gestrichen wurden. | |
| Chialos Reaktion | |
| Zeigte der Senator Empathie mit der Situation derer, die ihm zuriefen: „Wir | |
| gehen vor ihren Augen unter!?“ Eher nicht. Er ließ in der von der | |
| Journalistin Elisabeth Nehring sehr sachkundig moderierten Diskussion nicht | |
| erkennen, verstanden zu haben, wie viel auch gesellschaftspolitische | |
| relevante Bildungsarbeit gerade zerstört wird. | |
| Was als Notwendigkeiten beschrieben worden war, überging er. Stellte sich | |
| in seinen Antworten aber vor, dass ein dem Runden Tisch Tanz ähnliches | |
| Instrument nun noch einmal von vorne beginnen sollte, aber angepasst an die | |
| „Gegebenheiten von heute“, sprich, den Streichungen. Dann könne man bis | |
| 2030 neue Förderstrukturen aufstellen. | |
| Hoffnungsfroh stimmte diese Aussage niemanden. Sie stieß den | |
| Künstler:innen eher bitter auf. So lange hält nicht durch, wem jetzt der | |
| Arbeitsraum, die Auftrittsmöglichkeit, die Kooperationspartner wegbrechen. | |
| Moment der Verbundenheit | |
| Trotzdem war der Nachmittag nicht umsonst. Wie auch auf der Website des | |
| Freelance Dance Ensembles Berlin sorgten die Künstler:innen, | |
| Produzent:innen und kulturpolitisch für den Tanz Engagierten an diesem | |
| Tag für einen Moment der sichtbaren Verbundenheit. Das braucht man in | |
| diesen Tagen. | |
| Besonders viel Applaus hatte die [5][Choreografin und Performerin Joana | |
| Tischkau] bekommen, die ihr Statement in Hochgeschwindigkeit rappte, ihre | |
| vielen Jobs aufzählte und ihre Karriere als Schwarze Deutsche Künstlerin | |
| als ein statistisches Wunder bezeichnete. | |
| Möglich geworden auch dank diversitätsbewussten Förderungen, die jetzt | |
| wieder eingestampft werden. „Move Joe, get out of the way“, rief sie dem | |
| Kultursenator zu, der ihr im Publikum gegenüber saß. Ein in den Berichten | |
| über das Treffen mit dem Senator viel zitierter Satz. | |
| Zukunft von Projekten der Inklusion | |
| Eva-Maria Hoerster vom HZT, der universitären Ausbildung für Choreografie | |
| in Berlin, berichtete, wie die Kürzungen die Qualität der Lehre bedrohen | |
| und die Studierenden sich sorgen, weil Einstiegsförderungen fehlen. [6][Die | |
| Performerin Angela Alves], die sich mit den Begriffen „krank“ und „gesund… | |
| auseinandersetzt und deren politischen Dimensionen, fürchtet in Zukunft den | |
| Verzicht auf Projekte der Inklusion. | |
| Eingeladen war auch Christian Spuck, [7][Intendant des Staatsballetts | |
| Berlin], mit 80 festangestellten Tänzern. Er betonte, wie wichtig auch für | |
| sein Haus die Freie Szene sei, aus der immer wieder die spannenden | |
| Choreografen kommen. | |
| Es gab auch ein gute Nachricht: ein Junges Tanzhaus für Kinder und | |
| Jugendliche in Neukölln – für das sich Livia Patrizi, die 2005 der Projekt | |
| TanzZeit begründet hat, das seitdem in vielen Schulen Kindern den Tanz | |
| gebracht hat, einsetzt. Es stand schon auf der Streichliste, doch das wurde | |
| zurückgenommen. Die Freude darüber wurde nur durch das Wissen getrübt, das | |
| andere Projekte dafür über die Klinge springen mussten. | |
| 6 Feb 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://freelancedanceensembleberlin.weebly.com/ensemble.html | |
| [2] /!5619151&s=Sobottke&SuchRahmen=Print/ | |
| [3] /!5996518&s=Sheena+McGrandles&SuchRahmen=Print/ | |
| [4] /Kuerzungen-in-der-Hauptstadt/!6058892 | |
| [5] /Ausstellung-ueber-Schwarze-Unterhaltung/!5874419 | |
| [6] /Disability--Performance-Festival-Berlin/!6047084 | |
| [7] /William-Forsythe-im-Staatsballett-Berlin/!5990238 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Bettina Müller | |
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