| # taz.de -- Ausstellung über Schwarze Unterhaltung: Viel mehr als Tic Tac Toe | |
| > Hamburgs „Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music“ erinnert an | |
| > Schwarze Künstler*innen. Es verweist auch auf rassistische | |
| > Zuschreibungen. | |
| Bild: Kontrast: Glamouröse Überhöhung Schwarzer Stars trifft auf nüchterne … | |
| Hamburg taz | Überlebensgroß lächeln Jazzy, Lee und Ricky, die | |
| Sänger*innen von Tic Tac Toe, von den Wänden des temporären Museums | |
| herab. In den 1990er-Jahren war sie eine der erfolgreichsten Girlbands | |
| Europas. Die Wände sind mit Postern tapeziert, das Sofa ziert ein Kissen | |
| der No Angels, einer Castingband der 2000er-Jahre. Von der belebten | |
| Shoppingmeile in der Hamburger Mönckebergstraße sind es nur wenige Schritte | |
| bis ins „Teenie-Zimmer“ des [1][Deutschen Museums für Schwarze Unterhaltung | |
| und Black Music] (DMSUBM). | |
| Mit Discman und Zeitschrift können es sich die Besucher*innen auf dem | |
| Sofa bequem machen. Der Raum sei allerdings nicht nur als „Chill Area“ | |
| gedacht. „Das Teenie-Zimmer ist den Girl- und Boybands gewidmet, die | |
| wichtige Identifikationsfiguren für Schwarze Jugendliche in Deutschland | |
| waren“, sagt Nebou N’Diaye vom [2][Kurator*innen-Kollektiv Formation | |
| Now**]. | |
| Knapp drei Wochen lang befindet sich das Museum im ehemaligen Karstadt | |
| Sport, dessen Gebäude seit Anfang Juni ein „Raum für kreative | |
| Zwischennutzung“ ist. Anhand von Zeitschriften, Autogrammen, Fotos, | |
| Videoclips, Filmen, Schallplatten und CDs erzählt das | |
| Kurator*innen-Kollektiv Formation Now** die Geschichte Schwarzer | |
| Künstler*innen der Musik- und Unterhaltungsbranche in Deutschland von | |
| 1920 bis in die frühen 2000er-Jahre. „Wir wollen Schwarze Künstler*innen, | |
| die Teil der deutschen Musikgeschichte sind, ins Zentrum stellen“, sagt | |
| Naomi Kelechi Odhiambo vom Kurator*innen-Kollektiv. | |
| ## Alle Genres sind vertreten | |
| Dabei lassen sie kaum ein Genre aus: Fernsehstars, Eurodance, Castingbands, | |
| Schlager, R&B, Rap und Raggae. Das kühle, helle Licht und die Rolltreppe in | |
| der Mitte des Raums erinnern noch an die frühere Nutzung des Gebäudes. | |
| Verschiedenste Exponate stehen, liegen und hängen nun auf weißen Tischen, | |
| an weißen Wänden. | |
| Drei große Trommeln in jamaikanischen Farben stehen auf einem der Tische in | |
| der Ecke der „Hamburg Highlights“. Sie gehören dem Künstler [3][Jamaica] | |
| Papa Curvin. Auf dem Boden liegt die Gitarre der Liedermacherin Fasia | |
| Jansen in ihrem Koffer. Von der Gitarre am Boden wandert der Blick an die | |
| Wand, die mit einem großen Lebkuchenherz verziert ist. Daneben hängt ein | |
| Foto von Nadja Abd el Farrag, bekannt als „Naddl“, im Dirndl, auf dem sie | |
| das Herz lächelnd in die Kamera hält. | |
| Das Deutsche Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music wurde von den | |
| Performer*innen Joana Tischkau, Anta Helena Recke, Elisabeth Hampe und | |
| Frieder Blume gegründet. Es gastierte bereits in Frankfurt und Berlin. Im | |
| Rahmen des Kampnagel-Sommerfestes ist die Sammlung in Hamburg zu sehen. | |
| Kuratiert wurde sie hier vom Kollektiv Formation Now**. Die | |
| Kurator*innen nutzten Archiv und Konzept des Museums, erweiterten es | |
| aber durch einen Fokus auf Hamburger Künstler*innen. Das Museum selbst sei | |
| ein „stetig wachsendes Archiv“, sagt Naomi Kelechi Odhiambo, und verstehe | |
| sich nicht als abgeschlossenes Projekt. | |
| Begleitet wird die Ausstellung von verschiedenen Veranstaltungen, unter | |
| anderem einer Podiumsdiskussion zum [4][Black History Month]. „Aktivismus | |
| und Schwarze Kulturgeschichte gingen in Hamburg schon immer zusammen“, sagt | |
| Nebou N’Diaye. Ein ganzer Tisch ist dem Schlagersänger und Schauspieler | |
| Roberto Blanco gewidmet – inklusive seines Jacketts und Parfums. | |
| ## Auch eine Geschichte des Rassismus | |
| Aber auch weniger bekannte Musik- und Fernsehstars bekommen hier ihren | |
| Platz. Kleine QR-Codes auf den Tischen führen zu einem Audioguide, den das | |
| Kurator*innen-Kollektiv eingesprochen hat. Nur hier gibt es Informationen | |
| zu den ansonsten unkommentierten Exponaten. | |
| Musikvideos und Fernsehausschnitte können auf Flachbildfernsehern in einer | |
| Sitzecke bequem angeschaut werden. Einen Plattenspieler, um die vielen | |
| ausgestellten Platten anzuhören, gibt es nicht. Stattdessen man die CDs, | |
| die auf verspiegelten Tischen liegen, mit Discmans anhören. | |
| Teenie-Zeitschriften wie Juice, die daneben zum Stöbern liegen, | |
| komplettieren die 90er-/00er-Jahre-Nostalgie. | |
| Die Geschichte Schwarzer Künstler*innen und Fernsehstars in Deutschland | |
| zu erzählen bedeutet auch, über Rassismus zu sprechen. Eine Dokumentation | |
| zeigt die Repräsentation Schwarzer Schauspieler*innen in Filmen während | |
| des Nationalsozialismus. | |
| „Auf Schwarze Körper wird viel projiziert. Rassistische Zuschreibungen | |
| bleiben in Film und Fernsehen oft unkommentiert“, sagt Naomi Kelechi | |
| Odhiambo. Als ein Beispiel wird auf Kurt Hauenstein und Frank Farian | |
| verwiesen: Weiße Produzenten, die in den 1970er- bis 1990er-Jahren | |
| hauptsächlich Schwarze Musiker*innen und Tänzer*innen für Bands | |
| casteten. Oft dienten diese vor allem der Repräsentation. An den Gewinnen | |
| durch Plattenverkäufe wurden sie nicht beteiligt. | |
| Letztlich sei es den Produzierenden darum gegangen, möglichst international | |
| zu wirken. Das sei ein Beispiel für die Vermarktung und Sexualisierung | |
| Schwarzer Körper, sagt Naomi Kelechi Odhiambo. Es ist dieses Spannungsfeld | |
| zwischen rassistischen Zuschreibungen und Ausbeutung als Preis der | |
| Sichtbarkeit einerseits, und andererseits den Erfolgen und Leistungen | |
| Schwarzer Künstler*innen in Deutschland, in dem sich die Ausstellung | |
| nicht nur bewegt. Sie macht es geradezu physisch erfahrbar. | |
| 21 Aug 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Josephine von der Haar | |
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