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# taz.de -- Designerin über Nächstenliebe: „Mich und meine Leute stärken“
> Sandra Mawuto Dotou geht während ihrer Residenz am Hamburger Museum für
> Kunst und Gewerbe der Frage nach, wie Design zu Aufklärung beitragen
> kann.
Bild: Nicht das eine Problem und die eine Lösung: Projekt „Escape Racism“
taz: Mawuto Dotou, seit November sind Sie Residentin im [1][Museum für
Kunst und Gewerbe]. Wie waren Ihre ersten Wochen?
Mawuto Dotou: Überfordernd! Was Besucher*innen in den Ausstellungen
sehen, ist nur ein Bruchteil dessen, [2][was dieses Haus alles beherbergt].
Ich war für meine Recherchen schon in sechs Sammlungen. Mir ist auch klar
geworden, wie wenig Zeit sechs Monate doch sind: Ich muss mich mit dem Haus
und den Sammlungen auseinandersetzen, ein eigenes Konzept entwickeln und
eigene Werke kreieren. Und das in einem langsam arbeitenden Museumsapparat,
in dem Dinge nicht auf den letzten Drücker funktionieren. Daran muss ich
mich auch erst mal gewöhnen: dass plötzlich 30 Leute in meine Arbeit
involviert sind.
Als Grafikdesignerin machen Sie vor allem Auftragsarbeiten. Wie fühlt es
sich an, jetzt völlige Freiheit für die Entwicklung einer Ausstellung zu
haben?
Ich glaube, das Problem jeder kreativen Person ist, dass einen 1.000 Dinge
begeistern, aber man sich für etwas entscheiden soll. Zum ersten Mal habe
ich jetzt ein relativ großes Budget und kann einfach machen, was mich
interessiert. Meine Gefühle dazu wechseln von Tag zu Tag: Heute finde ich
das sehr cool, gestern hatte ich aber einen Moment in dem ich mir dachte
„Oh mein Gott, was mache ich hier eigentlich?“. Am Ende darf ich 200
Quadratmeter füllen, und das möchte ich natürlich so gut wie möglich
ausnutzen. Darin liegt schon ein gewisser Druck.
Wie gehen Sie damit um? Wie gehen Sie vor, um Ihre Kunst hier zu
entwickeln?
Ich habe in den Monaten vor dem Beginn meiner Residenz alle Themen und
Medien aufgeschrieben, die mich für die Ausstellung interessieren. Aktuell
beschäftigt mich das Thema Nächstenliebe sehr, weil es so viele Facetten
hat. Nächstenliebe ist persönlich, religiös, aber auch sehr politisch: Wem
gewähren wir Nächstenliebe und wo hört sie auf? Sie hängt für mich auch eng
mit einem Community-Gedanken zusammen. Das Thema beschränkt mich aber nicht
darauf, nur politisch zu arbeiten, sondern ich kann auch Emotionen
darstellen und in den Besucher*innen wecken.
Sie haben einen Community-Gedanken angesprochen – Welche Rolle spielt
Community für Sie?
Meine Eltern kommen beide aus Togo und ich war von meiner Geburt an Teil
der afro-diasporischen Community. Hier in Hamburg spielt meine Community
für mich eine sehr große Rolle, weil ich zum ersten Mal einen größeren
Freundeskreis aus Personen habe, die meinen afro-diasporischen Hintergrund
und ähnliche Erfahrungen wie ich teilen. Das hat sich auch auf meine Arbeit
ausgewirkt: Der [3][Black History Month in Hamburg] oder das
Empowernment-Projekt „Each One Teach One“ waren meine ersten Freelance-Jobs
als Designerin.
Fühlen Sie eine Verantwortung gegenüber Ihrer Community in Ihrer Arbeit und
Themensetzung?
Am Anfang ja. Ich hatte einen starken Ansporn, mit meiner Kunst und als
Designerin antirassistisch zu wirken. Heute geht es mir nicht mehr darum,
wie ich und meine Community von der weißen Mehrheitsgesellschaft
wahrgenommen werden, sondern ich konzentriere mich darauf, mich und meine
Leute zu stärken. Falls ich dabei bewirken kann, dass weiße Menschen etwas
lernen, ist das schön, aber es ist nicht mein Hauptanliegen. Beim
Durchsehen der Sammlungen hier im Museum ist mir aufgefallen, dass Schwarze
Künstler*innen nur vorkommen, wenn es um die Themen Rassismus oder
Kolonialismus geht. Ich will mich darauf nicht beschränken. Wenn Personen,
die nach mir folgen, die Schubladen in den Sammlungen durchsehen, sollen
sie Schwarze Künstler*innen auch in Bereichen wie Grafikdesign finden
und nicht nur zu diesen Themen.
Wie verhalten sich Design und Kunst für Sie zueinander?
Das ist ein ja ein ewiger Streit. Ich denke schon, dass Design auch Kunst
sein kann, aber es sind zwei wesentlich unterschiedliche Tätigkeiten. Als
Designerin setze ich hauptsächlich das um, was meine Kund*innen sich
schon überlegt haben und finde Lösungen für Probleme. Als Künstlerin muss
ich akzeptieren, dass es nicht das eine Problem und die eine Lösung gibt.
Sie sind auch in der Ballroom-Szene aktiv. Was bedeutet dieses Hobby für
Sie?
Hobby! (lacht kopfschüttelnd) [4][Ballroom is a lifestyle!] Ballroom ist
eine Subkultur, die in den 1970er Jahren in New York von Schwarzen und
Latinx trans Frauen gegründet wurde. Es ist ein safer Space für die queere
Community, um sich selbst entfalten und präsentieren zu können. Es geht
darum, dass Menschen zeigen können, wie viel Glamour sie in sich tragen,
auch wenn die Welt ihnen jegliche Art von Glamour verweigert. Aus Ballroom
ist eine eigene Tanzrichtung entstanden: Vogueing (macht Tanzbewegungen und
Posen vor). Die Szene hat einen riesigen Einfluss auf unsere Popkultur. Auf
Musik, Tanz, Mode, sogar auf unsere Sprache: Slay, Yas Queen, you ate that
– das ist alles Ballroom! Es ist für mich eine Form, mich künstlerisch
auszudrücken.
Sie haben viele Interessen und Talente. Gab es prägende Erfahrungen für
Ihre künstlerische Entfaltung?
Ich habe schon als Jugendliche mein eigenes Ding gemacht. Als ich 16 war,
habe ich mit zwei Freundinnen ein Festival organisiert. Wir hatten Bock auf
unterschiedliche Musikrichtungen, Poetry-Slam, Impro-Theater, Mode. Also
organisierten wir ein Event, bei dem alles zusammenkam. Ich habe da schon
gelernt, verschiedene Menschen und Talente für ein Projekt
zusammenzubringen. Es war eine coole Erfahrung!
10 Dec 2023
## LINKS
[1] /Ausstellung-zu-Musik-und-KI-in-Hamburg/!5936941
[2] /Ausstellung-The-FWord-in-Hamburg/!5912832
[3] /Ausstellung-zu-Schwarzen-in-Deutschland/!5662385
[4] /Ballroomszene-in-Deutschland/!5621169
## AUTOREN
Marta Ahmedov
## TAGS
Design
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Bildende Kunst
Schwerpunkt Rassismus
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