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# taz.de -- Album von Ezé Wendtoin: Neue deutsche Schwärze
> Der Singer-Songwriter aus Westafrika ist mittlerweile in Dresden
> heimisch. Er ist ein Sprachakrobat. Das zeigt er auf „Heute HIER, morgen
> DEUTSCH“.
Bild: Der „Goethe aus Ouagadougou“, so wurde Ezé Wendtoin auch schon genan…
Vieles lässt sich über Ezé Wendtoin sagen, das coole Multitalent aus
Burkina Faso, mittlerweile in Dresden heimisch – verwunderlich ist vor
allem, dass er noch nicht bekannter ist. Der 32-Jährige ist
Singer-Songwriter und Schauspieler zugleich, dazu singt er dreisprachig,
auf Deutsch, Französisch und in seiner Muttersprache Moreé. Die meisten
seiner Lieder haben deutsche Texte. In ihnen schafft er es immer, ein
Vermittler zwischen den verschiedenen Milieus zu sein, in denen er wirkt.
Ezé Wendoin entwickelte seinen Deutsch-Enthusiasmus schon, während er in
Burkina Faso lebte. Als Jugendlicher wechselte er auf eine Schule, die
Deutsch als Fremdsprache anbot, dort wurde der Grundstein für seine spätere
Faszination für die deutsche Sprache gelegt. Schon vor seiner ersten
Deutschstunde war er „mega begeistert“ und nahm sich vor, das mit dem
Sprachenstudium durchzuziehen. Er lernte Deutsch und begann, Germanistik an
der Universität von Ouagadougou zu studieren.
Dann kam er nach Deutschland, und es folgte ein Master an der TU Dresden.
Die sächsische Landeshauptstadt ist mittlerweile sein Zuhause geworden, der
Ezé mit „Dresden Daheeme“ sogar einen Song gewidmet hat. Darin thematisiert
er die Zuneigung, die er für sie entwickelt hat, verschweigt aber auch
nicht den Rassismus, den er dort erfahren musste. Ezé bleibt
zuversichtlich: „Ich fürchte mich nicht, Dresden ich liebe dich“, singt er.
Rassismus-Erfahrungen bewegten ihn auch zu seinem bis dato bekanntesten
Projekt: e[1][iner Coverversion des Konstantin-Wecker-Songs „Sage Nein“],
ein unmissverständliches Statement gegen Diskriminierung. Im dazugehörigen
Videoclip gab es prominente Unterstützung unter anderem von den
Schauspieler*innen Franziska Weisz, Frederik Lau und Kida Khodr Ramadan
sowie von Comedian Atze Schröder.
## Neuinterpretation von Konstanin Wecker und Reinhard Mey
Ezé hat eine Leidenschaft für deutschsprachige Songs entwickelt. Deswegen
veröffentlicht der Afro-Dresdner regelmäßig eigene Interpretationen von
Songs der Kollegen. [2][Neben Wecker], nahm sich Ezé auch Reinhards Meys
Klassiker „Sei Wachsam“ an. Das Video wurde an Schauplätzen in Burkina Faso
und Deutschland gedreht.
Im Juli 2019 veröffentlichte Ezé sein Debütalbum beim Münchner Label
Trikont: „Inzwischen Dazwischen“, in dessen Songs er seine Ankunft in
Deutschland behandelt und das Thema Rassismus. Auffällig an seinen Songs
ist die unglaubliche Sprachbegabung, er setzt Deutsch kreativ und
lautmalerisch in seinen Texten ein. Musikalisch reichen seine Einflüsse vom
US-geprägten Blues, bis hin zu westafrikanischen Folkstilen, aber durch
seine eigenwillige Verwendung des Deutschen, klingt seine Musik
unkonventionell.
Die vielfältigen Welten und Sprachebenen, auf denen er sich bewegt, sind
auch auf seinem neuen Album „Heute HIER morgen DEUTSCH“ zu hören. Der Titel
verweist auf das Hannes Wader Lied „Heute hier morgen dort“. Die Lieder
darauf sind ein buntes Auf und Ab, laut und leise, mal gelassen, mal
kritisch, mal mit schrägem Humor und Ironie, mal elektronisch, mal mit
tradtitionellen westafrikanischen Instrumenten wie der großen Tama-Trommel.
Ezé besingt die Liebe in „Kuilga Nooré“ und fragt nach dem Deutschsein in
„Grammatische Deutschheit“: „Ich werde afrikanisch sein, auch wenn ihr mi…
deutsch haben wollt und werde trotzdem deutsch sein, auch wenn euch meine
Schwärze nicht passt“, heißt es zu Beginn des Songs. Spannend an Ezés
Umgang mit der deutschen Sprache ist der Aspekt, dass er den
Zuhörer:innen seine Perspektive auf das Deutsche zeigt. Er zerlegt die
Sprache in ihre Einzelteile baut sie kreativ wieder zusammen: „Jetzt
wettdeutschen sie, deutschend in grammatikalischer Deutschheit“.
## Lyrik über postmigrantische Gesellschaft
Begleitet von der burkinischen Gitarre Ngoni, erzählt er von der brutalen
Trennung von seinem Vater, feiert die burkinische, feministische und
kämpfende Frau, die er in seiner Mutter sieht und interpretiert seine
Textwelten durch sein Sprachgefühl immer neu. Es sind durchaus biografische
Elemente, die in seine Songs eingewebt werden. Das kann die Liebe zur Lyrik
im Allgemeinen betreffen, aber auch Deutschland als postmigrantische
Gesellschaft. Es geht um Frieden, Flucht, Liebe, Migration, um das
Anderssein.
Ezés Entwurf von Deutschsein ist weitab von dem, was die CDU bis vor
wenigen Jahren darunter verstanden hat. An einer Zusammenführung
verschiedener Traditionen arbeitet Ezé übrigens auch jenseits von der
Musik. So hat er sich zum Ziel gesetzt, ein Kunst- und Schulzentrum in
Burkina Faso zu errichten, das er gemeinsam mit den von ihm gegründeten
Vereinen APECA in Ouagadougou und TAM e.V. in Dresden umsetzt.
Ezés musikalisches Werk lässt sich durchaus als eine westafrikanische
Aneignung deutscher Kultur verstehen. Wenigen Künstler:innen gelingt
dieser Brückenbau so spielerisch wie dem „Goethe aus Ouagadougou“, wie Ezé
einmal genannt wurde. Sein Bruch mit sprachlichen und kulturellen Normen,
erweitert jedenfalls den Raum, für das, was als Deutsch verstanden werden
kann. Mit seinem neuen Album entwirft er eine ganz neue Vorstellung davon.
27 Jun 2022
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=LEH_cBe9KfU
[2] /Konstantin-Wecker-ueber-Soli-Konzerte/!5533046
## AUTOREN
Victor Efevberha
## TAGS
Musik
Experimentelle Musik
Lyrik
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Neues Album
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Afrobeat
Schwerpunkt Rassismus
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