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# taz.de -- Merz und die AfD: Deutschland ist ein bisschen österreichischer ge…
> Wenn sich Liberale mit Rechtsextremen verbünden, steht es nicht gut um
> die Demokratie. Auch Grüne und SPD tragen Schuld an der Verrohung der
> Debatte.
Bild: Nicht nur das Plakat, auch die politische Kultur in Deutschland ist besch…
Was diese Woche im Bundestag los war, verdient in mehrfacher Hinsicht das
Attribut „historisch“. Eine konservative, mittige Partei hat erstmals seit
1933 im Berliner Reichstagsgebäude wieder Mehrheiten [1][mit den extrem
Rechten] gesucht und gefunden. Eine [2][ehemalige Bundeskanzlerin] nahm
dies zum Anlass, ihren Nachfolger an der Parteispitze zurechtzuweisen und
damit aktiv in den Wahlkampf einzugreifen. Das war beispiellos.
Und eine völkische Partei wie die AfD hat erfolgreich demonstriert, wie man
beim Kernthema Migration zunächst die Meinungsführerschaft übernimmt und
dann politische Vorschläge mehrheitsfähig macht, die rassistisch konnotiert
und rechtswidrig sind. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Bernd
Baumann, hat es (leider) gut in Worte gefasst: „Jetzt beginnt was Neues,
und das führen wir an“.
Nein, noch ist es nicht so weit. Das Zustrombegrenzungsgesetz der Union
fand trotz AfD-Stimmen keine Mehrheit im Bundestag, anders als der
Unionsantrag am Mittwoch. Aber Deutschland ist in dieser Woche ein bisschen
mehr wie [3][Österreich], wie Argentinien und die USA geworden. Länder, in
denen sich das libertäre Lager mit der extrem Rechten verbündet hat, um
ihre Besitzstände vor dem Staat zu schützen. Länder, in denen Kompromisse
nicht mehr in der Mitte der Gesellschaft gesucht und gefunden werden, in
denen der Kompromiss an sich verpönt ist und die Kettensäge, das Recht des
Stärkeren, gefeiert wird.
Daran trägt Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz den größten Anteil. Er hat
sich als Trumpdarsteller aufgespielt und dabei beängstigend viel
Trottelpotenzial offenbart. Er hat der AfD Triumphszenen beschert, zerlegt
die CDU und beschädigt die politische Kultur. Wohin soll das führen, wenn
man anderen Fraktionen die eigenen Anträge vor den Latz knallt, mit den
Worten: „Da sind keine Kompromisse mehr möglich“?
## Überzogene Panik
Man stelle sich mal vor, wie Tarifverhandlungen oder
Sorgerechtsstreitigkeiten aussehen würden, wenn alle Parteien nach dieser
Friss-oder-stirb-Maxime verfahren würden? Es ist schmerzhaft, aber nicht
überraschend, dass trotz stundenlanger Gespräche zwischen den Fraktionen in
letzter Minute und tumultartiger Szenen am Freitag im Bundestag kein
Kompromiss über den Unionsentwurf zur Begrenzung der Zuwanderung gefunden
wurde.
SPD und Grüne wollten sich von Merz zu Recht nicht erpressen lassen. Denn
was hieße das für künftige Koalitionsgespräche, etwa über die richtige
Steuerpolitik: Entweder Union pur oder wir machen es mit der AfD? Trotzdem
sind auch SPD und Grüne nicht schuldlos an der Verrohung der Debatte. Sie
haben zugelassen, dass über die richtige Asylpolitik nur noch in
Schlagworten wie Abschiebung und Begrenzung gestritten wird. Es geht längst
nicht mehr darum, wie Asylbewerber:innen besser integriert werden
können.
Vom Tisch sind Vorschläge zu einer sofortigen Integration in den
Arbeitsmarkt, gekürzt wurde an der psychosozialen Versorgung und beim BAMF.
Die ehemalige Ampel hat eine Asylrechtsverschärfung nach der anderen
beschlossen – Bezahlkarten, längeren Abschiebegewahrsam, Grenzkontrollen,
Zurückweisungen. Und hat damit sogar Erfolg. Die Zahl der Asylanträge ist
im vergangenen Jahr um 30 Prozent gesunken, mehr Menschen wurden
abgeschoben.
Doch das Starren darauf, wie man Asylsuchende fernhält und loswird, hat
solche grausigen und verstörenden Taten wie in Aschaffenburg und Magdeburg
eben nicht verhindert. Da ist die Versuchung groß, zu sagen: Jetzt muss
aber wirklich was geschehen. Ob Deutschland sicherer und friedlicher wird,
wenn man, wie die Union, alle Asylsuchenden unter Generalverdacht stellt
und ausschließlich Gesetze beschließen will, die ihre Integration weiter
erschweren, etwa den Familiennachzug abschafft, darf bezweifelt werden.
## Neue Ideen für die Migrationspolitik
Klar ist aber auch: Eine Wende in der Asyl- und Migrationspolitik ist
nötig. Diese muss vorausschauender und besser koordiniert sein. Es gibt
dazu Vorschläge aus der Fachwelt. Die Hilfsorganisation [4][International
Rescue Committee] regt an, humanitäre Aufnahmeprogramme auszubauen, was
auch Unionspolitiker wie Thorsten Frei in einem anderen Debattenzeitalter
mal richtig fanden. Naika Foroutan vom Progressiven Zentrum, einem
SPD-nahen Thinktank, schlägt ein Migrationsministerium vor, welches das
Zuständigkeitswirrwarr bündeln soll.
Es wäre gut, solche und andere Vorschläge zu diskutieren. Dazu muss man
aber zur sachlichen Debatte zurückkehren und wieder aufeinander zugehen.
Das gilt für alle demokratischen Parteien, vor allem aber gilt es für CDU
und CSU. Sie müssen sich aus der Umarmung durch die AfD lösen. Denn diese
Umarmung erstickt nicht nur die Union.
31 Jan 2025
## LINKS
[1] /Merz-und-die-AfD/!6062183
[2] /Merkel-zur-CDU-Kooperation-mit-AfD/!6066217
[3] /Regierungskrise-in-Oesterreich/!6056902
[4] https://www.rescue.org/de?gad_source=1&gclid=EAIaIQobChMI6Ka07qmgiwMVIw…
## AUTOREN
Anna Lehmann
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