# taz.de -- CDU-Plan zu Migration: Vabanquespiel im Bundestag | |
> Die Debatte über die Asylpolitik erreicht den Bundestag. Werden | |
> Verschärfungen mit AfD-Stimmen beschlossen oder findet die demokratische | |
> Mitte zusammen? | |
Bild: Möchte, dass SPD und Grüne ihm folgen: CDU-Chef Friedrich Merz | |
BERLIN taz | Es läuft nicht schlecht für die AfD. Der Plan der | |
demokratischen Mitbewerber, das Thema Migration aus dem Wahlkampf | |
herauszuhalten, ist seit dem [1][Doppelmord von Aschaffenburg] Makulatur. | |
Nach der grausamen Tat eines [2][mutmaßlich psychisch kranken] Afghanen ist | |
eine hitzige Debatte über die Asylpolitik entfacht, die nun auch den | |
Bundestag erreicht. | |
Der trifft sich zu seiner letzten vollständigen Sitzungswoche vor der Wahl. | |
Wird das Parlament Grenzschließungen fordern, wird es die Regierung | |
auffordern, tausende Menschen in Abschiebegewahrsam zu nehmen und wird die | |
AfD dabei zur Mehrheitsbeschafferin? Oder finden SPD, Grüne, Union und die | |
anderen Parteien noch einen Kompromiss in der demokratischen Mitte? Ein | |
Krimi mit ungewissem Ausgang. | |
Die Unionsfraktion will am Freitag nicht nur zwei Anträge in den Bundestag | |
einbringen, die unter anderem eine drastische Verschärfung der | |
Migrationspolitik fordern, sondern erwägt auch, zwei Gesetzentwürfe zur | |
Abstimmung zu stellen. In dem einen soll es dem Vernehmen nach um die | |
Sicherung der Grenzen gehen. Bei dem anderen handelt es sich um den | |
[3][Unionsentwurf des „Zustrombegrenzungsgesetzes“, der] im November im | |
Innenausschuss gescheitert war. | |
Darin fordert die Union eine „Begrenzung des illegalen Zustroms von | |
Drittstaatsangehörigen nach Deutschland“ und hält „umfassende | |
Grenzkontrolle und Zurückweisungen“ für geboten. Den Familiennachzug für | |
Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz will sie bis auf Weiteres beenden. | |
Hintergrund dieses neuerlichen Vorstoßes: Die AfD hatte angekündigt, einen | |
gleichlautenden Antrag in den Bundestag einzubringen, um die Union unter | |
Druck zu setzen. Dem wollen CDU und CSU nun zuvorkommen. „Es ist Zeit, | |
Entscheidungen zu treffen“, sagte Merz nach einer Sondersitzung des | |
CDU-Bundesvorstands am Montag. | |
Der Kanzlerkandidat betonte auch noch einmal, die Möglichkeit, dass | |
notwendige Stimmen für eine Mehrheit von der AfD kommen könnten, würde ihn | |
nicht abhalten. „Was in der Sache richtig ist, wird nicht falsch dadurch, | |
dass die Falschen zustimmen“, sagte Merz. Er suche diese Mehrheit nicht: | |
„Ich möchte, dass Sozialdemokraten und Grüne zur Vernunft kommen.“ | |
## SPD schließt Zustimmung aus | |
Die SPD wiederum sieht die Union von allen guten Geistern verlassen. | |
Generalsekretär Matthias Miersch attestierte Merz und der Union gleichfalls | |
am Montag einen „beispiellosen Tabubruch“. Es sei bisher festes | |
Einvernehmen gewesen, dass kein Gesetz in den Bundestag eingebracht werde, | |
„bei dem die AfD Zünglein an der Waage sein wird“. | |
Dass die SPD ihrerseits den Unionsvorschlägen zustimmen wird, schloss | |
Miersch aus. Diese verstießen eindeutig gegen die Verfassung und gegen | |
europäisches Recht, er sehe „hier keine Grundlage eines Kompromisses.“ In | |
einem internen Bewertungspapier der Bundestagsfraktion, welches der taz | |
vorliegt, verwirft die SPD sowohl dauerhafte Grenzkontrollen („praktisch | |
nicht durchführbar“) als auch die Inhaftierung aller Ausreisepflichtigen | |
(„rechtlich schwierig“). | |
Ein faktisches Einreiseverbot für Menschen ohne Papiere verstößt der | |
Einschätzung nach „gegen europäisches und internationales Recht, wofür sich | |
Deutschland verantworten müsste“. Auch ein nationaler Alleingang | |
(Nationaler Notstand) sei nicht angezeigt. Man habe keine rechtliche | |
Handhabe, „solche Zurückweisungen ohne Einverständnis gegen den Willen der | |
anderen EU-Mitgliedsstaaten durchzusetzen.“ | |
Noch vor drei Wochen teilte FDP-Generalsekretär Marco Buschmann diese | |
Einschätzung. Der ehemalige Justizminister sagte Anfang Januar, er halte | |
pauschale Zurückweisungen an der Grenze rechtlich für nicht haltbar. Nun | |
sucht er den Schulterschluss mit der Union: Die FDP-Spitze empfehle der | |
Fraktion, dem Antrag der CDU/CSU zuzustimmen, sagte Buschmann am Montag. | |
Die SPD will stattdessen drei eigene Gesetzentwürfe einbringen, die | |
ebenfalls auf eine Verschärfung der Migrationspolitik abzielen. Zum einen | |
geht es um die Punkte des Sicherheitspakets, denen die Unionsländer bislang | |
nicht zugestimmt haben, weil sie ihnen nicht weit genug gingen. So sollen | |
etwa Sicherheitsbehörden zusätzliche Befugnisse erhalten und | |
Fahndungsbilder mittels KI auswerten dürfen. Dies fordern die | |
Innenminister*innen der Länder schon länger, nach einer | |
Sonderkonferenz am Montag erneuerten sie diese Forderung. | |
Zum anderen wollen die Sozialdemokraten das Gemeinsame Europäische | |
Asylsystem, GEAS, nun rasch auf nationaler Ebene umsetzen. Im Ergebnis soll | |
künftig über einen wesentlichen Teil der Asylanträge jenseits der | |
europäischen Außengrenzen entschieden werden. Die eingeführten | |
Grenzkontrollen an den deutschen Grenzen will die SPD fortführen. Zum | |
dritten will sie das [4][Bundespolizeigesetz, mit dem die Bundespolizei | |
neue Überwachungsbefugnisse] erhält, in zweiter und dritter Lesung zur | |
Abstimmung stellen. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte der taz, die Fristen | |
seien mit Blick auf den 23. Februar sportlich. „Aber man kann alle drei | |
Gesetzesvorhaben noch zum Abschluss bringen“. | |
## Beim Bier oder in den CDU-Chatgruppen wird Zweifel laut | |
Ob und was am Ende von den Unions- und Restampelvorschlägen tatsächlich | |
noch bis zur Bundestagswahl beschlossen und umgesetzt wird, und ob diese | |
geeignet sind, ein zweites Aschaffenburg, Mannheim oder Solingen zu | |
verhindern, ist bei diesem politischen Bankdrücken fast zweitrangig. | |
Vielmehr geht es darum, wer in dieser Stimmung aus Verunsicherung und | |
Empörung das Wahlvolk auf seine Seite ziehen kann. Die Union mit | |
„demonstrativer Entschlossenheit“ oder die SPD mit „Besonnenheit“ und d… | |
Beschwörung der „Brandmauer.“ | |
„Wer die AfD in sein Haus lässt, wird sie nicht mehr herausbekommen“, | |
warnte Miersch. Doch für die Union scheint das Vabanquespiel aufzugehen. | |
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann berichtete von „unglaublichem | |
Zuspruch“ am vergangenen Wochenende. Vier Veranstaltungen mit Merz seien | |
überfüllt gewesen, und allein in der Parteizentrale habe es 200 neue | |
Mitgliedsanträge gegeben. | |
In den Gremiensitzungen, so war zu hören, habe es auch einige kritische | |
Stimmen gegeben, insbesondere mit Blick auf die Möglichkeit der gemeinsamen | |
Abstimmungen mit der AfD. Jenseits der Gremien gibt es durchaus auch | |
scharfe Kritik an dem Kurs von Merz. In Chatgruppen, beim Bier, auch in | |
einer Schalte einer kleinen Gruppe aus der Bundestagsfraktion soll es viele | |
besorgte Stimmen geben. Öffentlich aber will sich niemand äußern. Man wolle | |
dem Kanzlerkandidaten vor der Wahl nicht in den Rücken fallen und wichtiger | |
noch, keinen weiteren Grundsatzstreit zu Migration. | |
In der SPD und gerade bei den Jusos sehen viele wiederum die verschärfte | |
Migrationspolitik und das Sicherheitspaket kritisch. Nun aber stärken sie | |
der Partei den Rücken. „Mir sind all die vernünftigen Stimmen innerhalb der | |
Union gerade viel zu leise“, so Juso-Chef Philipp Türmer zur taz. „Deswegen | |
ist es so wichtig, dass wir als SPD umso deutlicher immer wieder sagen: Wir | |
machen da nicht mit! Wir besorgen uns Mehrheiten nicht bei | |
Anti-Demokrat*innen und Faschos.“ | |
## AfD will wohl mit der CDU stimmen | |
Die Stimmung in der AfD kann man indessen nur als „machttrunken“ | |
beschreiben. Die Abgeordnete Beatrix von Storch nannte den CDU-Antrag | |
„Gratis-Wahlkampfhilfe“. Thüringens AfD-Chef Björn Höcke feixte auf | |
Telegram über den „hektischen Aktionismus“ von Merz. Spitzenkandidatin | |
Alice Weidel forderte am Montagmorgen, dass Merz Ernst machen müsse mit | |
einer „kompromisslosen Migrationswende“. „Mein Angebot an Herrn Merz für | |
eine Zusammenarbeit steht weiter“, so Weidel. | |
Dank der Union haben die extrem Rechten jetzt eine ganze Palette an | |
Handlungsoptionen, um die Christdemokraten und die parlamentarische | |
Demokratie vor sich herzutreiben. Aus Vorstandskreisen der AfD-Fraktion war | |
zu hören, dass man den Abgeordneten am Dienstag empfehlen wolle, dem | |
CDU-Antrag zuzustimmen. Läuft also. | |
27 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Nach-dem-Messerangriff-in-Aschaffenburg/!6059741 | |
[2] /Traumareferentin-zu-Aschaffenburg/!6064606 | |
[3] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw42-de-zustrombegrenzun… | |
[4] /Bundeskabinett-beschliesst-Gesetz/!5981037 | |
## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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