| # taz.de -- Gotteshäuser kritisieren Asyldebatte: Kirchen kanzeln die Union ab | |
| > Die evangelische und die katholische Kirche üben scharfe Kritik an den | |
| > Plänen der Union in der Asylpolitik. Sie warnen vor Zusammenarbeit mit | |
| > der AfD. | |
| Bild: Kaum zu ignorieren: Die Vertreter:innen der evangelischen und katholische… | |
| Berlin taz/epd | In einem Brandbrief warnen evangelische und katholische | |
| Kirche die Unionsparteien davor, Anträge für eine Verschärfung der | |
| Asylpolitik mit Unterstützung der AfD durch den Bundestag zu bringen. Auch | |
| zivilgesellschaftliche Organisationen wie der Deutsche Gewerkschaftsbund | |
| (DGB) und das International Rescue Committee (IRC) kritisieren dieses | |
| Vorgehen scharf. | |
| Die Fraktionen hätten sich mit der Auflösung der Ampelkoalition darauf | |
| verständigt, keine Abstimmungen herbeizuführen, in der die Stimmen der AfD | |
| ausschlaggebend sind, heißt es in einem Schreiben an alle | |
| Bundestagsabgeordneten, das der taz vorliegt. „Wir befürchten, dass die | |
| deutsche Demokratie massiven Schaden nimmt, wenn dieses politische | |
| Versprechen aufgegeben wird“, heißt es darin. | |
| Unterzeichnet wurde der Brief von den Leitungen der Berliner Büros der | |
| Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anne Gidion, und der | |
| katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Karl Jüsten. | |
| Die beiden Kirchen äußern grundsätzlich tiefes Befremden über „Zeitpunkt | |
| und Tonlage“ der aktuellen Debatte. „Sie ist dazu geeignet, alle in | |
| Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu diffamieren, Vorurteile | |
| zu schüren, und trägt unserer Meinung nach nicht zur Lösung der tatsächlich | |
| bestehenden Fragen bei“, heißt es darin. Die vorgeschlagenen Verschärfungen | |
| seien nicht zielführend, vergleichbare Taten zu verhindern und tragfähige | |
| Antworten auf das öffentliche Sicherheitsbedürfnis zu geben. | |
| Dem Schreiben ist eine vierseitige Stellungnahme zu dem Entwurf des | |
| „Zustrombegrenzungsgesetzes“ der Fraktion von CDU und CSU beigefügt, das am | |
| Freitag im Parlament zur Abstimmung gestellt werden soll. | |
| ## Vorschläge laut Kirchen nicht zielführend | |
| Laut Stellungnahme hätten die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen keinen der | |
| Anschläge verhindert, die Anlass für die aktuelle Debatte sind. Die | |
| Attentate von Magdeburg und Aschaffenburg seien von offensichtlich | |
| psychisch kranken Personen begangen worden. „Die Taten zeigen aus Sicht der | |
| Kirchen daher ein Defizit hinsichtlich des Informationsaustausches | |
| unterschiedlicher Behörden und einen eklatanten Mangel an adäquater | |
| Versorgung psychisch Kranker auf“, heißt es in der Stellungnahme. | |
| Der Gesetzentwurf der Union zielt auf die „Steuerung und Begrenzung des | |
| Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland“. Die beiden | |
| Kirchen weisen darauf hin, dass die Begrenzung des Zuzugs im Widerspruch zu | |
| einem Großteil der Regelungen des Aufenthaltsgesetzes stehen könnte, die | |
| den Zuzug von Arbeitskräften auf allen Qualifikationsstufen gerade | |
| erleichtern sollen. | |
| Mit dem Gesetz will die Union außerdem den Familiennachzug zu subsidiär | |
| Schutzberechtigten beenden. Auch das sehen die Kirchen äußerst kritisch und | |
| warnen vor negativen Folgen: „Die Integration drittstaatsangehöriger | |
| Personen wird erheblich erschwert, wenn sie sich um die Sicherheit und das | |
| Wohlergehen ihrer zurückgebliebenen Familienangehörigen sorgen müssen.“ Aus | |
| ihrer Sicht sei es „rechtlich unerlässlich“, den Familiennachzug zu | |
| subsidiär Schutzberechtigen unter erfüllbaren Bedingungen zuzulassen. | |
| ## AfD ist Zünglein an der Waage | |
| Das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz wurde bereits im vergangenen Jahr | |
| im Bundestag beraten, aber im Innenausschuss abgelehnt. Nun stellt ihn die | |
| Union erneut zur Abstimmung, als Reaktion auf die Messerattacke in | |
| Aschaffenburg, aber auch um der AfD zuvorzukommen, die einen | |
| gleichlautenden Antrag einbringen wollte. | |
| DGB-Chefin Yasmin Fahimi warnt davor, mit der AfD gemeinsame Sache zu | |
| machen. Grenzschließungen und Inhaftierungen seien Scheinlösungen und | |
| verstießen gegen deutsches und europäisches Recht. Sie fordert stattdessen | |
| 10.000 neue Stellen bei der Bundespolizei für effektive Kontrollen. „Jetzt | |
| mit den Rechtsextremen gemeinsame Sache zu machen, ist ein Dammbruch. Wer | |
| sich von den Stimmen der AfD abhängig macht, verlässt die demokratische | |
| Mitte dieses Landes“, sagt Fahimi. | |
| Sie betont die Errungenschaften der EU, wie die Freizügigkeit, den freien | |
| Warenverkehr und das Recht auf Asyl. „Grundrechte und europäisches Recht | |
| lassen sich nicht per Dekret beseitigen.“ | |
| Das IRC fordert als eine internationale Hilfsorganisation eine Kehrtwende | |
| hin zu einer menschenwürdigen Migrationspolitik. Die Geschäftsführerin | |
| Corina Pfitzner betont in einem Statement, dass das Recht auf Asyl eine der | |
| wichtigsten Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg sei. Wahlkampf auf Kosten | |
| derer, die vor Konflikten und Verfolgung Schutz suchen, verkenne die Lehren | |
| der deutschen Vergangenheit. | |
| „Es fehlt lediglich am politischen Willen, alternative, | |
| menschenrechtsbasierte Politikansätze umzusetzen“, sagt Pfitzner. Lösungen | |
| lägen in einer solidarischen europäischen Zusammenarbeit und besseren | |
| ausgestatteten Aufnahme- und Integrationssysteme. Das IRC fordert dazu, das | |
| Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) menschenrechtskonform umzusetzen, | |
| also schutzbedürftigen Menschen einen fairen Zugang zu Asylverfahren zu | |
| ermöglichen. Dazu sollen humanitäre Aufnahmeprogramme ausgebaut und der | |
| Familiennachzug vereinfacht werden, was die Integration auch erleichtern | |
| würde. Auch der Arbeitsmarkt für Menschen mit Flucht- und | |
| Migrationserfahrung soll schneller geöffnet werden. | |
| Da SPD und Grüne das Gesetz ablehnen, hat es nur eine Chance auf Mehrheit, | |
| wenn FDP, BSW und AfD zustimmen. Diese haben bereits ihre Unterstützung | |
| signalisiert. CDU-Vorstandsmitglied Steffen Bilger zeigte sich von der | |
| Kritik unbeeindruckt und schrieb dazu auf X: „Überrascht nicht, | |
| interessiert nicht.“ | |
| Anmerkung der Redaktion: Der Text wurde nachträglich um Statements des DGB | |
| und des IRC ergänzt. | |
| 29 Jan 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Lehmann | |
| David Honold | |
| ## TAGS | |
| Aschaffenburg | |
| Asyl | |
| Katholische Kirche | |
| Evangelische Kirche | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Bundestag | |
| Migration | |
| Hamburg | |
| Deutsche Bischofskonferenz | |
| Bundestag | |
| psychische Gesundheit | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Friedrich Merz | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Katholik über Kirche und Politik: „Die Kirche muss sich einmischen“ | |
| Der katholische Theologe Thomas Söding hält die Kirche vom Ursprung her für | |
| politisch. Daher sollte sie Stellung in tagespolitischen Debatten beziehen. | |
| CDU und Kirche: Wie die CDU sich vom C entfremdet | |
| Die Entfremdung zwischen Unionsparteien und den großen Kirchen dauert schon | |
| eine Weile an. Aber jetzt ist ein neuer Punkt erreicht. | |
| Hilfe bei der Wahlentscheidung: Darum ist der „Real-O-Mat“ besser als der �… | |
| Mit dem Tool von FragdenStaat kann man seine eigene politische Haltung mit | |
| der von Parteien vergleichen. Und herausfinden, ob sie ihre Versprechen | |
| halten. | |
| Offener Brief: Psychiater:innen gegen Merz | |
| Expert:innen wehren sich gegen die Vereinnahmung des Messerangriffs in | |
| Aschaffenburg. Ihre Meinung: Stigmata befeuerten Probleme, statt sie zu | |
| lösen. | |
| Merz und die AfD: Alles auf die rechte Karte | |
| CDU-Chef Merz soll auf Gesprächsangebote von SPD und Grünen nicht reagiert | |
| haben. Die AfD macht sich derweil für ihren Auftritt bereit. | |
| CDU-Plan zu Migration: Vabanquespiel im Bundestag | |
| Die Debatte über die Asylpolitik erreicht den Bundestag. Werden | |
| Verschärfungen mit AfD-Stimmen beschlossen oder findet die demokratische | |
| Mitte zusammen? | |
| Die CDU und die Brandmauer: Der Schlingerkurs des Friedrich Merz | |
| Mit oder ohne AfD? Der Kanzlerkandidat fordert nach Aschaffenburg | |
| drastische Verschärfungen in der Asylpolitik. Nur: Mit wem will er die | |
| durchsetzen? |