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# taz.de -- Über das Älterwerden in Würde: Subjektqualitäten muss man sich …
> Alt werden ist nichts für Feiglinge? Leben ist nichts für Feiglinge! Und
> erst recht die Rente. Die ist nämlich wirklich nichts für Feiglinge.
Bild: Oh je, diese Post machen viele Menschen sicher nicht gerne auf …
Ich hatte das erwähnt: Ich werde älter. Mir macht das im Grunde nichts aus,
ich fühle mich wie immer, in my prime. Alt werden ist nichts für Feiglinge?
Leben ist nichts für Feiglinge, würde ich sagen, und das klingt jetzt
defätistischer, als ich es meine: Mir kommt es eher wie ein langes
Abenteuer vor, manchmal zum Fürchten, häufig beglückend, stets spannend und
abwechslungsreich – und, ja, oft hilft ein bisschen Mut.
Eigentlich macht es mir also nichts aus, das Älterwerden. Was mir jedoch
ganz schön viel ausmacht, ist, worauf ich mit dem Altern zugehe: auf die
Rente. Die ist nämlich wirklich nichts für Feiglinge.
1.093 Euro monatlich betrug die durchschnittliche staatliche Rente in
Deutschland dem [1][Alterssicherungsbericht des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales 2024] zufolge im Vorjahr. Ich werde, wenn das Abenteuer
Leben nicht noch andere Pläne für mich hat, da sogar ein klein bisschen
drüber liegen; und trotzdem kann ich mir angesichts der bis dahin noch
gesetzlich ermöglichten Mieterhöhungen für meine Wohnung und sonstiger
erwartbarer Teuerungen jetzt schon ausrechnen, dass ich davon zwar
vielleicht noch Wohnen, Strom und Heizen bezahlen kann, dann aber kein
Essen und keine Kleidung mehr. Das finde ich ziemlich entmutigend.
Ich erwarte wirklich keinen Held*innenlohn am Ende des Abenteuers. Und
ja, ich weiß: Es gibt Grundsicherung, Wohngeld, Ermäßigungen für
Rentner*innen. Aber ich empfinde die Aussicht, nach einem Leben voller
Arbeit staatliche Unterstützung beantragen zu müssen, als demütigend:
„Würdelos“ würden die Jugendlichen sagen, mit denen ich bei meiner Arbeit
zu tun habe und von denen sich viele von klein auf, ganz ohne eigenes Zutun
also, mit staatlicher Unterstützung auskennen. Und ich habe das Gefühl, sie
haben recht.
## Die „Würde“ des Menschen
Es ist mehr ein Gefühl, weil die im Grundgesetz verankerte „Würde“ des
Menschen ein Begriff ist, für den ich noch nie eine wirklich
praxistaugliche Definition gefunden habe. Am besten gefällt mir ein Satz
[2][des Bundesverfassungsgerichts], der sie als Prinzip erklärt, das
„verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn
einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in
Frage stellt“.
Ich kenne mich besser mit dem Wort „würde“ aus, und auch da habe ich so ein
Gefühl, nämlich, dass die beiden Wörter etwas miteinander zu tun haben: Ich
würde mir gerne auch im Alter noch mal ein Paar neue Schuhe leisten oder
vielleicht mal verreisen können.
Ich würde dafür gerne auch in eine kleinere, preiswertere Wohnung ziehen,
die es aber, die Politik [3][hat’s den Markt regeln lassen], einfach nicht
mehr gibt. Oder nur da, [4][wo ich subjektiv nicht gerne leben möchte], und
wo ich im Alter wohne, würde ich gerne selbst entscheiden: Ich würde gerne
auch als Rentnerin noch selbstbestimmt, mit „Subjektqualität“ also, leben
können. Und ich würde mal vermuten, dass es vielen der „Menschen da
draußen“ (wie Politiker gern sagen) genauso geht, zumal denen, die sie sich
nicht mehr leisten können, diese Subjektqualität.
Deshalb würde es mich so unglaublich freuen, wenn sich wenigstens ein paar
der sich als der Verfassung und damit der Menschenwürde verpflichtet
betrachtenden Politiker*innen und Parteien, die bei der bevorstehenden
Bundestagswahl Chancen auf Regierungsmacht haben, auch mal mit Würde-Themen
beschäftigen würden. Statt auch noch mit dem eigenen Hammer auf den Meißel
der Rechten zu schlagen, mit dem diese einen Spalt schlagen wollen, der gar
keinen Sinn macht, keinen positiven Nutzen, sondern nur Einsturzgefahr
erzeugt. Vielleicht würde das ja ein paar dieser „Menschen da draußen“
zurück nach drinnen holen.
4 Feb 2025
## LINKS
[1] https://www.bmas.de/DE/Soziales/Rente-und-Altersvorsorge/rentenversicherung…
[2] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/1992/1…
[3] /Wohnen-in-Berlin-als-Luxusproblem/!5926478
[4] /Wohnen-in-Berlin-immer-noch-Luxus/!5934503
## AUTOREN
Alke Wierth
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