# taz.de -- Endlich auch mal reich sein: Das hier fühlt sich doch gut an | |
> Es macht was aus, wenn man plötzlich viel Geld in der Tasche hat. Was für | |
> ein erhabenes, erhebendes, erhobenes Lebensgefühl, weiß unsere | |
> Kolumnistin. | |
Bild: Ist auch nur Geld. Haut aber schon rein | |
Um Ihnen diese Geschichte erzählen zu können, muss ich zunächst ein | |
Geständnis machen: Bis vor wenigen Wochen [1][besaß ich ein Auto]. Nichts | |
Besonderes, ein Kleinwagen, noch von meinen Eltern übernommen, praktisch | |
für innerstädtische Transporte oder kleine Ausflüge, fast 20 Jahre alt und | |
dennoch nur knapp 95.000 Kilometer auf dem Tacho – Sie merken: Ich bin | |
nicht viel damit gefahren. | |
Ende letzten Jahres hatte ich den Wagen an einen Freund verliehen, der | |
damit ein paar Umzugskisten transportierte und ihn als Dankeschön dafür | |
volltankte. Als mir im März auffiel, dass der Tank noch fast zur Hälfte | |
voll war, beschloss ich, das Auto zu verkaufen; ganz offensichtlich | |
brauchte ich es nicht. Geschätzte Bekannte bekundeten Interesse, fuhren | |
Probe, waren zufrieden und übergaben mir einen dicken Batzen Geld. | |
Und hier fängt die Geschichte an: Denn das führte zu einer für mich völlig | |
neuen Lebenserfahrung. Es war eine kleine vierstellige Summe, teils ganz | |
neue Scheine und mehr Bargeld, als ich je zuvor in der Hand hatte. Oder gar | |
im Haus! Dazu an einem Sonntag! | |
Als die Käufer weg waren, merkte ich, wie Nervosität in mir hochstieg: | |
Konnte ich so viel Geld überhaupt sicher in der Wohnung aufbewahren, auch | |
noch über Nacht? Das erschien mir äußerst schlafraubend. Konnte ich es | |
wagen, mit dem vielen Geld in der Tasche zum nächstgelegenen | |
Sparkassenautomaten – [2][Hermannplatz!] – zu gehen, um es auf mein Konto | |
einzuzahlen? Was, wenn ich überfallen und ausgeraubt würde? Mir war hier in | |
der Gegend zwar nie etwas passiert, aber man würde mir ja sicher irgendwie | |
anmerken können, dass ich plötzlich viel Geld hatte. Dachte ich. | |
Und so, nur ganz anders, kam es dann auch. | |
Ich beschloss, das Geld erst am nächsten Tag morgens vor der Arbeit zur | |
Bank zu bringen, wenn viele Menschen auf der Straße und in Eile wären und | |
gar keine Zeit hätten, mir meinen Reichtum anzusehen. Als ich dann am | |
Montagmorgen mit dem Umschlag voller Scheine in der Tasche auf die Straße | |
trat, bemerkte tatsächlich offenbar niemand, was sich an mir verändert | |
hatte – ich selbst dagegen bemerkte es ganz kolossal. | |
## Mit so viel Geld in der Tasche | |
Was für ein erhabenes, erhebendes, erhobenes Lebensgefühl, mit so viel Geld | |
in der Tasche – und gleich auf der Bank! – durch die Straßen zu gehen! Was | |
heißt gehen: Fast schwebte ich, so sorgenfrei erleichtert fühlte ich mich | |
plötzlich. Ich war reich! | |
Mit wohlwollend-rücksichtsvoller Herablassung wich ich elegant den armen | |
Schluckern aus, die mir auf den engen Gehwegen der Karl-Marx-Straße | |
begegneten – meine Nachbar:innen, in denen ich plötzlich bedauernswerte | |
Geschöpfe erkannte, die in ihrer Armut ihre ganze Aufmerksamkeit darauf | |
richten mussten, die billigsten der Billigangebote auf [3][diesem Ku’damm | |
Neuköll]ns zu finden – wie ich noch vorgestern auch. | |
Doch das war nun vorbei, ich war eine Andere geworden – mir standen jetzt | |
ganz andere Möglichkeiten offen. Ich könnte reisen! Mir einen neuen | |
Staubsauger, gar einen neuen Laptop kaufen! Oder endlich meine Wohnung | |
renovieren! Ich konnte mir beinahe alles leisten – die Welt gehörte mir. | |
Weil mir dieses Geld gehörte – ich hatte es ja verdient! | |
Nun gut, eigentlich hatte ich das Auto geerbt, das ich jetzt verkauft | |
hatte. Aber damit war es ja zu meinem Besitz geworden; es stand mir also | |
zu, es gehörte mir und ebenso nun das viele Geld! Es war meins. Ich war | |
reich. Und ich verspürte nicht einmal ein schlechtes Gewissen, während sich | |
diese garstigen Gedanken schamlos in meinem Kopf bewegen konnten. | |
Es war eine überwältigende Erfahrung, wie Geld das Selbstgefühl, den Blick | |
auf die Welt verändern kann. Ich glaube, ich weiß jetzt, wie reiche Leute | |
denken. | |
25 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Alke Wierth | |
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