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# taz.de -- Über den Stress, sich zu entspannen: Im Kopf tausende offene Tabs
> Runter vom Dauerstress. Aber wie? Also ab in die Sauna. Und in den
> Auwald. Doch Entspannung auf Teufel komm raus ist ganz schön anstrengend.
Bild: Und jetzt heißt es: entspannen
An meinem zweiundzwanzigsten Geburtstag steigen mir ätherische Öle in die
Nase. Es ist der erste Aufguss meines Lebens. Mein Po ist auf dem Handtuch
platziert. Sieben Minuten lang sitze ich in einer Holzhütte und habe
Schwierigkeiten, eine bequeme Sitzposition zu finden. Die trockene Luft
macht mir Probleme. Ich muss die Augen schließen. Für meine Freund*innen
scheint das gerade die absolute Mega-Entspannung zu sein, für mich ist
saunieren der absolute Kampf: Ich fühle mich eklig und warte nur darauf,
den Raum mit der brechenden Hitze endlich zu verlassen. Gut 16 Euro habe
ich für den Eintritt bei der [1][Sachsentherme] hingeblättert, deshalb
wiegt die Enttäuschung umso mehr. Denn was ich gerade brauche, ist
Entspannung.
Seit über einem halben Jahr lebe ich in einem Dauerstress – tausende Tabs
in meinem Kopf sind offen, aber nichts wird wirklich fertig. Mein Körper
signalisiert mir schon eine Weile, dass er nicht mehr kann: Ich habe
Kopfschmerzen, ich knirsche nachts mit den Zähnen, Bauchkrämpfe und
Magenprobleme stehen an der Tagesordnung. Ich bin wieder unruhig und kann
nicht schlafen. Owei.
Ich brauche Pause. Aber weil ich so unruhig bin, habe ich Angst, Zeit zu
verschwenden, und traue mich nicht, zu entspannen. Aber weil ich nicht
entspanne, kann ich nicht konzentriert an meinen Texten arbeiten, und weil
ich nicht konzentriert an meinen Texten arbeite, wird nichts fertig, also
werde ich unruhig. Die Unruhe hämmert wie ein Specht hinter meinem
Brustkorb. Pick, pick, pick. Brrr, brrr. Hilfe.
Apropos Specht: Der Versuch mit der Sauna ist zwar gescheitert, aber mir
steht ja noch ein günstigeres Tool zur Entspannung zur Verfügung: ein
Waldspaziergang. Tieren beim Krabbeln zusehen, auf Bäume klettern und
schweigend durch den Auwald flanieren ist tatsächlich eine Sache, die mich
runterbringt. Im Frühling gibt es dort auch Wildschweinbabys zu sehen.
## Die Suche nach Entspannung? Regelrechter Stress!
Die ganze Sache hat aber einen Haken: Ich brauche 40 Minuten mit dem ÖPNV
dahin. Und es gibt nichts, was stressiger ist als der öffentlichen
Personennahverkehr. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Busse, Bahnen
und Trams sind die absolute Reizhölle. Babys kreischen, betrunkene
Fußballmänner grölen, es ist viel zu heiß, die busfahrende Person fährt mal
wieder zu radikal um eine Ecke, man setzt sich auf einen Kaugummi. Mit dem
Rückweg aus dem Auwald bin ich also wieder bei Punkt null angelangt und
setze mich zu Hause erneut gestresst an den Schreibtisch.
Die Suche nach der Entspannung entpuppt sich als regelrechter Stress. Egal
wo, ich bleibe immer bei der Erschöpfung hängen. Aber vielleicht ist das
auch gar nicht der falsche Ansatz – denn ich weiß, dass Sport zum Beispiel
immer ein stresslösendes Mittel für mich ist.
Ich frage mich, ob mein Körper da irgendwie falsch verdrahtet ist – dass
ich mich bei Höchstleistungen entspannter fühle als bei einem
Eukalyptus-Aufguss. Wenn ich an die Sachsentherme zurückdenke, sind mir
jedenfalls nicht die Sauna oder der Whirlpool im Gedächtnis geblieben –
sondern die Rutschen. Als wir hinterher noch einmal zum Wasserbereich
gegangen sind, konnte ich gar nicht aufhören, zu rutschen. Aber die innere
Ruhe, die ich danach empfinde, ist nur kurzweilig, weil ich immer im
Hinterkopf habe, mich wieder an den Schreibtisch setzen zu müssen.
Mit ein, zwei Stunden Pause ist es in Zeiten des dauerhaften Stresses
nicht getan. Ich und wahrscheinlich auch ihr, wir bräuchten alle mal zwei
Monate off. Zwei Monate ohne To-do-Listen oder Existenzangst, in denen
unsere Köpfe endlich so leer werden wie das Dokument, das ich eigentlich
fertig schreiben sollte.
28 May 2025
## LINKS
[1] https://www.sachsen-therme.de/
## AUTOREN
Jona Rausch
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
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Entspannung
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