| # taz.de -- Verstärkte Polizeipräsenz: Sicherheit – für wen? | |
| > In der Eisenbahnstraße in Leipzig ist ein neuer Polizeiposten eröffnet | |
| > worden. Dagegen regt sich Widerstand. | |
| Bild: 25. Juni in Leipzig: Nicht alle freuen sich über den neuen Polizeiposten… | |
| Es ist der 25. Juni 2025 in Leipzig, als sich auf der Kreuzung | |
| Hermann-Liebmann-Straße/Eisenbahnstraße eine merkwürdige Dichte einstellt. | |
| In den Parkbuchten sitzen Menschen mit Spaßgetränken in der Hand und Tüten | |
| mit Aldi-Gebäck vor den Füßen. Ein paar Meter weiter läge ein Park, besser | |
| geeignet zum Nachmittage-Verbringen – und doch zieht es alle an diesem | |
| Mittwoch an die sonst so befahrene Kreuzung. | |
| An einer Wand in einer Nebenstraße steht in großen Buchstaben gesprayt: | |
| „Welche Sicherheit“ – die Frage trifft mich, denn viele der Menschen, die | |
| an der Eisenbahnstraße wohnen, können sich schon seit einiger Zeit nicht | |
| mehr sicher fühlen, daran ändern auch die Kameras nichts. Als es 14 Uhr | |
| wird, schließen sich die cornernden Menschen zusammen, halten Transparente | |
| hoch, denn ab heute hat die einzige Waffenverbotszone in Sachsen einen | |
| neuen Polizeiposten, und das wird nicht unbeantwortet gelassen. | |
| Wir sitzen gegenüber. Es gibt ein offenes Mikrofon, an welchem Menschen aus | |
| dem Kiez Erfahrungen von Polizeigewalt teilen. Aufgrund der | |
| Waffenverbotszone dürfen Menschen hier vErdachTsunabHängIg kontrolliert | |
| werden. Über die Straße hallen Berichte über erlebte Gewalt: zum Beispiel | |
| über die Kontrolle einer Person, die zu arm für ihr Fahrrad aussah und der | |
| die Beamten vorwarfen, es gestohlen zu haben. | |
| Einige Minuten später bewegt sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite | |
| ein blaues, überdimensionales Kuscheltier mit Helm. In der einen Hand ein | |
| Schlagstock, auf dem Bauch das Wappen Sachsens. Es sieht aus wie eine | |
| Albtraumversion eines Kindergartenbesuchs beim Landeskriminalamt. Es ist | |
| POLDI, das Maskottchen der sächsischen Polizei, das tagsüber Kindern | |
| Straßenverkehrsschilder erklärt und nachts Menschen in die Abschiebehaft | |
| überführt. | |
| ## Schwerer Tag für die PR-Abteilung | |
| Es stellt sich heraus, dass darunter kein echter Beamter steckt, sondern | |
| jemand von der Gegendemonstration – mit Sterni-Bier in der Hand und dem | |
| Willen, der sächsischen PR-Abteilung einen schweren Tag zu bereiten. Ein | |
| paar Menschen kichern, andere halten ihre Handys hoch. | |
| Die Polizeiwache ist unscheinbar. Es gibt Fenster, aus denen man von | |
| drinnen nach außen schauen kann, nicht aber andersherum. An diesem | |
| Eröffnungstag ist die Wache leerer als erwartet. Tag der offenen Tür, alles | |
| auf Deutsch. Das macht klar, für wen die Türen hier offenstehen. | |
| Die Polizeistation soll eröffnet worden sein, um die Waffenverbotszone | |
| abzuschaffen – trotzdem sagt das Innenministerium, die Voraussetzungen | |
| seien noch nicht erfüllt, genau das jetzt zu tun (klar). Auch die Polizei | |
| in Sachsen sagt, dass sie hier sehr präsent seien, aber die Sicherheit im | |
| Viertel sich nicht erhöht habe (ach, wirklich?). | |
| Für wen eigentlich stellt die Polizei auf der Eisenbahnstraße Sicherheit | |
| her? Die Sicherheit der Menschen, die hier leben, kann nicht gemeint sein. | |
| In einem mehrheitlich migrantisch geprägten Viertel sind rassistische und | |
| klassistische Polizeikontrollen an der Tagesordnung. Die Kameras filmen | |
| zwar jede Bewegung, aber sie schaffen es leider nicht, Verdrängung oder | |
| Armut ins Visier zu nehmen. Es wirkt eher so, als ob es darum geht, das | |
| Viertel so umzugestalten, dass vor allem die sich wohl fühlen können, die | |
| gerade nicht hier leben. Investoren zum Beispiel, die ihr Eigentum | |
| verteidigt sehen wollen. | |
| ## Komplexität einer Straße | |
| Die Eisenbahnstraße wird von manchen als „gefährlichste Straße | |
| Deutschlands“ bezeichnet, aber dieser Titel wird der Komplexität einer | |
| Straße und der Menschen, die dort wohnen niemals gerecht. Denn die Eisi | |
| bietet (noch. r.i.p) viele Orte, die zumindest einen kleinen Teil von dem | |
| erfüllen können, was wir begehren: Spätis, Hausprojekte, Gewürzläden, | |
| ehemals einen Umsonstladen (r.i.p), Kneipen (manche davon r.i.p), | |
| Shishabars, tausend Orte, an denen wir zusammenkommen können. | |
| Und in dem Herz unseres Kiezes steht nun ein 966.000 Euro teurer | |
| Polizeiposten, der keines unserer Probleme lösen wird. | |
| 6 Jul 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Jona Rausch | |
| ## TAGS | |
| wochentaz | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Gefahrengebiet | |
| Polizeigewalt | |
| Kolumne Begehren de luxe | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Kolumne Begehren de luxe | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Schlechte Jobs: Wehrt euch! | |
| Manchmal reicht es, nach einer Lohnbescheinigung zu fragen. Und in die | |
| Gewerkschaft einzutreten schadet auch nicht. | |
| Passwort weg, Schlüssel auch: Im Meer des Vergessens | |
| Unsere Autorin vergisst immer häufiger Absprachen und Gegenstände. Muss man | |
| sich Sorgen machen, wenn sich der Gedächtnisschwund schon mit 22 einstellt? | |
| Merkwürdiger Reiz des Evangelikalen: Don’t stay, be gay | |
| Die Zeiten sind unsicher, da verspricht Religiöses Halt. Dass unsere | |
| Kolumnistin mit dem Kalender einer Freikirche liebäugelt, hat aber andere | |
| Gründe. | |
| Über den Stress, sich zu entspannen: Im Kopf tausende offene Tabs | |
| Runter vom Dauerstress. Aber wie? Also ab in die Sauna. Und in den Auwald. | |
| Doch Entspannung auf Teufel komm raus ist ganz schön anstrengend. | |
| Weinen in der Öffentlichkeit: Sorry, ich bin kurz im Breakdown-Modus | |
| Klar kann man anderen mit den eigenen Sorgen auf die Nerven gehen. Aber | |
| macht der Anspruch, alles allein zu regeln, die Sache nicht noch schlimmer? | |
| Linke Stylekunde: Klassenfrage in drei Streifen | |
| Unsere Kolumnistin grübelt über linke Begeisterung für Adidas. Und darüber, | |
| wie sich ihr Sozialleben mit der ersten eigenen Markenhose verändert hat. |