| # taz.de -- Audio-Walk im Phoenix-Center Harburg: Mein Nachmittag als Biene | |
| > Am Hamburger Stadtrand lassen sich bewusstseinsverändernde Erfahrungen | |
| > machen. Man muss nur mit der Performance-Truppe JaJaJa spazieren gehen. | |
| Bild: „Nopping“ spielen im Supermarkt: Teilnehmer beim Erfüllen des Auftra… | |
| Wir sind gut 20 Erwachsene, angereist mit S-Bahnen und Zügen an diesen | |
| Bahnhof, an dem auch jeder Fernzug hält, obwohl selten jemand aussteigt: | |
| Hamburg-Harburg. Harburg ist mehr [1][eine eigene Kleinstadt] als ein | |
| Hamburger Stadtteil und es gibt für das Hamburger Kulturpublikum wenig | |
| Gründe, nach Harburg zu fahren, abgesehen vom örtlichen [2][Kunstverein] | |
| und dem Liveclub [3][Stellwerk]. Beide haben ihren Sitz direkt im | |
| Bahnhofsgebäude, was so wirkt, als wolle man nicht nur die Anfahrt | |
| erleichtern, sondern auch eine schnelle Abfahrt ermöglichen. | |
| An diesem Samstag stehen also rund 20 Menschen in Reih und Glied im leeren | |
| und schlecht geheizten Kunstverein im Harburger Bahnhof, tragen Kopfhörer | |
| und lernen eine Choreografie. Es ist der Tanz der Bienen, den ihnen die | |
| Trainerin Iris (man ist per du) beibringt, indem sie Anweisungen per Funk | |
| auf die Kopfhörer schickt. „Vor – vor – drehen – drehen – schütteln… | |
| schütteln – und die Hüften kreisen – wie – eine – Acht – und von vo… | |
| Der Tanz der Bienen ist kein Selbstgänger, schnell ist klar, wer von den | |
| Leuten ab und zu was mit seinem Körper macht und wer eher ausschließlich | |
| der Kopfarbeit zugeneigt ist. Aber alle bemühen sich und der Tanz der | |
| Bienen ist ja nur das Warm-up für einen gemeinsamen Spaziergang, bei dem | |
| alle etwas über die Welt, aber auch über sich lernen werden, hier draußen | |
| am Stadtrand, wo niemand aussteigt, der nicht muss. | |
| Der Spaziergang ist ein Audio Walk auf Initiative des | |
| KunstHasserStammTisches der [4][Hamburger noroomgallery]. Die Gestaltung | |
| und Leitung übernehmen Iris Minich und Arvild J. Baud von dem | |
| [5][Performance-Kollektiv JaJaJa]. | |
| Audio Walk bedeutet, dass alle Teilnehmer*innen einen Kopfhörer tragen | |
| und sich dem hingeben, was sie zu hören bekommen. Am Anfang ist das ein | |
| Essay von John von Düffel über die unschöne Sisyphos-Existenz des | |
| Konsumenten. Die Worte begleiten die kleine Gruppe durch einen | |
| Bahnhofsdurchgang zur Fassade eines Einkaufszentrums, wie sie [6][aus den | |
| Innenstädten zunehmend verschwinden], weil pleite: 26.500 Quadratmeter | |
| Verkaufsfläche, 110 Läden, 1.072 Rolltreppenstufen. Das Phoenix-Center | |
| Harburg. Da geht es rein. | |
| Der Audio Walk ist ein Stationendrama, beginnend auf dem Parkdeck ganz | |
| oben, von dem aus man eine phänomenale Aussicht hat auf Verkehrsadern, | |
| eingeschrieben in eine organisch gewachsene Betonlandschaft. Ein heller | |
| Mond steht am glasklaren Himmel und die vollkommene Szenerie wird allein | |
| dadurch gebrochen, dass die Autos fehlen. Fast niemand will hier oben | |
| parken. Stattdessen steht da eine Gruppe Jugendlicher und kifft mutmaßlich. | |
| Als Performerin Iris die Erwachsenen anweist, den Jugendlichen den Tanz der | |
| Bienen zu zeigen, verziehen sie sich verunsichert. Dabei war der Tanz als | |
| Geschenk gemeint. | |
| Über das Treppenhaus geht es hinab in den Supermarkt des Centers, um | |
| gemeinsam „Nopping“ zu spielen. Über ihre Smartphones bekommen die | |
| Teilnehmenden Aufgaben wie diese hier: Stelle dich in die Warteschlange und | |
| genieße den Luxus, anderen den Vortritt zu lassen. Suche ein weit gereistes | |
| Produkt und erkläre ihm, wie es hierhergekommen ist. Finde einen Ort, an | |
| dem man sitzen oder liegen kann und mache ein Foto. | |
| Erklärungen und Bilder werden gepostet in eine WhatApp-Gruppe, in der alle | |
| online vereint sind. Das stellt eine gewisse Motivation dar für das nächste | |
| Spiel: Jeweils zwei Gruppen haben die Aufgabe, in einen Kleidungs- und | |
| Nippes-Discounter zu gehen und eine Person aus ihrer Gruppen als König zu | |
| verkleiden. Und als Bauer. Und als Narr. Am Ende wird ein Foto gemacht und | |
| bewertet. | |
| Es ist wie im richtigen Leben: Durchs gemeinsame Spielen kommen sich die | |
| Menschen, die als [7][Bienen] gestartet sind, näher. Machen eine | |
| Abschlussmeditation unterm Dach, da, wo das Center-Management tatsächlich | |
| ein Bienenvolk angesiedelt hat. Gehen danach essen im Erdgeschoss, wo es | |
| Pizza, Pommes und Asiatisch gibt. Und fahren zurück in die große Stadt, | |
| inspiriert von der Idee, öfter die Perspektive zu wechseln – in Harburg, | |
| Eimsbüttel oder sonst wo. | |
| 19 Jan 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Klaus Irler | |
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