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# taz.de -- Tagung über die Rettung der Demokratien: Bessere Gärtner für die…
> Wie kann man den Liberalismus neu denken, fragte eine internationale
> Tagung in Berlin. Dafür analysierte sie die Schwächen in der Gegenwart.
Bild: Das Schlusswort hatte der online zugeschaltete russische Dissident Garry …
Ein Baumstumpf mit abgehackten Ästen, nur aus einem sprießen noch Blätter:
Unter diesem tristen Emblem lud am 16. Januar der Thinktank Liberale
Moderne zu einer Tagung in Berlin. Die Stimmung im Allianz-Forum war dem
Ernst der Lage angemessen: Kurz vor Trump fühlten rund 30 Intellektuelle
und Politiker:innen unter der Federführung von [1][Ralf Fücks] der
liberalen Demokratie den Puls. „Rethinking Liberalism“, den Liberalismus
neu denken, lautete das Motto. Über allem stand die bange Frage: Ist die
parlamentarisch verfasste liberale Demokratie westlicher Prägung noch zu
retten?
Von einer globalen „illiberalen Konterrevolution“ sprach Fücks eingangs,
und dass das größte Problem der liberalen Demokratie nicht die Stärke ihrer
Gegner sei, sondern ihre eigene Schwäche. Die mitveranstaltende
[2][Karolina Wigura] vom polnischen Thinktank Kultura Liberalna verglich
das liberale Versprechen mit einem Garten, der gut gepflegt werden müsse,
in letzter Zeit aber vernachlässigt worden sei.
Der Diagnose stimmte auch Alan S. Kahan zu, Professor für Britische
Zivilisation in Versailles: Unkraut gedeihe am besten auf Mangelböden. Dass
autoritäre Strömungen so viel Zuspruch bekämen, liege an einem moralischen
Vakuum in liberalen Gesellschaften: Diese zeichne die Abwesenheit von Angst
aus – in den vergangenen Jahrzehnten habe man den Fokus zu sehr auf
Wahlfreiheit gelegt. Menschen wünschten sich aber auch moralische
Leitplanken.
## Arroganz der Macht
Jan Zielonka, Politikprofessor in Venedig, sah eher die Arroganz der Macht
am Werk: Seit dem Zweiten Weltkrieg und mehr noch seit dem Fall des
Eisernen Vorhangs hätten sich liberale Demokratien als alternativlose
Sieger der Geschichte gesehen. Die Publizistin Constanze Stelzenmüller, die
bei der Brookings Institution forscht, fragte, ob der Flirt junger Leute
mit dem Autoritarismus ein Generationenproblem sei: Wer in den Ruinen des
Finanzsystems aufgewachsen sei und mit wechselnd erfolgreichen
Interventionen westlich-demokratischer Staaten, fühle sich vom
Freiheitsversprechen der liberalen Moderne betrogen.
Die Politikstrategin Jessica Berlin vom Center for European Policy Analisis
(CEPA) war dagegen der Ansicht, dass die liberale Weltordnung westlicher
Prägung an ihrer eigenen Hybris zugrunde gehe. Für viele Teile der Welt
habe sie ohnehin nie Gültigkeit besessen.
Dass die Tagung nicht bei Diagnosen und Selbstkritik stecken blieb (oder
Widersprüche diskutierte, wie die zwischen der ehrwürdigen politischen Idee
des bürgerlichen Liberalismus und der von der FDP praktizierten
Ampel-Verantwortungslosigkeit), lag an den vielen osteuropäischen und
postsowjetischen Stimmen. Diese verliehen der Debatte Dringlichkeit: Der
aus Kyjiew angereiste Philosoph Wolodymyr Yermolenko erinnerte daran, dass
Freiheit nicht selbstverständlich sei, dass sie leicht verloren gehe und
dass es für Freiheit territoriale Souveränität brauche – um die sein Land
seit drei Jahren kämpfe.
## Kampf für die Werte der Europäischen Union
Für die Selbstgeißelung westlicher Demokrat:innen hatte er wenig
Verständnis. Der polnische Politikwissenschaftler Jarosław Kuisz erinnerte
daran, dass in der Ukraine, in Georgien und Belarus jeden Tag Menschen für
die Werte der Europäischen Union stürben.
Auch die bulgarischstämmige Politologin Ewa Atanassow machte deutlich: „Wir
sind im Kampf“, die deutsche Gesellschaft müsse das endlich verstehen. Wenn
er als politisches Angebot überleben wolle, müsse der Liberalismus
Patriotismus und Nation wieder entdecken – ein starker Staat sei
Grundbedingung für bürgerliche Freiheitsrechte. Das Schlusswort hatte der
online zugeschaltete russische Dissident [3][Garry Kasparow], der an die
Versammelten appellierte: „Wir alle müssen uns endlich verhalten wie ein
Land im Krieg und der Ukraine beistehen!“
20 Jan 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Nina Apin
## TAGS
Tagung
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Demokratie
Liberalismus
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Wir retten die Welt
Donald Trump
wochentaz
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