| # taz.de -- Hans Haacke-Ausstellung in Frankfurt: Zähmung der widerspenstigen … | |
| > Hans Haacke provozierte mit politischer Intervention den Kunstbetrieb. | |
| > Eine Retrospektive in der Frankfurter Schirn hegt ihn durch | |
| > Historisierung ein. | |
| Bild: Baumaterial und Abfälle am Strand von Carboneras in Spanien häuft Hans … | |
| „Die Institutionskritik ist tot, lang lebe die Institutionskritik!“ scheint | |
| sich die Kunsthalle Schirn auf die Fahnen geschrieben zu haben und erhebt | |
| damit den Revolutionär erst zum König, bevor sie ihn einbalsamiert ins | |
| Mausoleum verbannt. Solch kaustische Gedanken kamen mir zumindest in den | |
| Sinn, als ich nach dem Besuch der Hans-Haacke-Retrospektive vor der Liste | |
| illustrer Sponsorenfirmen im Museumsfoyer saß. | |
| Aber der Reihe nach: Haacke, geboren 1936 in Köln und seit 1965 in New York | |
| lebend, ist zweifellos einer der wichtigsten Gegenwartskünstler, denn mit | |
| Haacke entwickelt die Kunst eine Kritik ihrer eigenen systemischen | |
| Bedingungen. Die Schirn feiert ihn gar als „[1][Legende der politischen | |
| Konzeptkunst]“. | |
| Den Ausstellungsbesucher*innen begegnet Haacke zunächst als Urheber | |
| kinetischer Skulpturen, die sich der Formen des [2][amerikanischen | |
| Minimalismus] bedienen, dessen Tendenz zur erhabenen Objekthaftigkeit aber | |
| aufbrechen. | |
| ## Große Kondensationswürfel | |
| So zum Beispiel der „Große Kondensationswürfel“ von 1963 bis 1967 aus | |
| Plexiglas, in dessen Innern eine kleine Menge Wasser fortwährend ihren | |
| Aggregatzustand ändert. Der Rhythmus von Kondensation und Verdunstung sowie | |
| das Muster der Laufspuren wandeln sich mit Lichteinfall und Raumklima, | |
| werden also auch von der eigenen Anwesenheit beeinflusst. | |
| Man beobachtet demnach einen im Vakuum stattfindenden Prozess, auf den man | |
| als Außenstehende:r dennoch eine Wirkung hat – eine pointierte | |
| Metapher für den kritischen Standpunkt, den Haacke in späteren Arbeiten | |
| einnimmt. | |
| In einem schmalen Nebenraum spielt der selten gezeigte Film „Selbstporträt | |
| eines deutschen Künstlers in New York“ aus dem Jahr 1969, der Haacke und | |
| eine Gesprächspartnerin [3][auf dem Weg von Manhattan] bis zum Strand von | |
| [4][Coney Island] begleitet. | |
| ## Hotdogs essen | |
| Aufnahmen von der U-Bahn, dem geschäftigen Treiben in einer Metzgerei und | |
| Hotdog essenden Ausflügler*innen wechseln sich mit Close-ups von | |
| Haackes Skulpturen ab, in denen Wasser durch durchsichtige Rohre fließt | |
| oder ein weißer Ballon im künstlich erzeugten Luftstrom tanzt. | |
| In der Gegenüberstellung von chaotischer Lebendigkeit und kontrolliertem | |
| System streben beide Pole aufeinander zu, als sei nicht nur das | |
| Straßennetz, sondern auch der Wurstgenuss Teil eines größeren Gefüges. | |
| Haackes Skulpturen in diesem städtischen Kontext zu sehen, schärft den | |
| Blick auf sein Werk der 1960er-Jahre auf erhellende wie humorvolle Weise. | |
| Dass die Schirn den Film dennoch in einer kleinen Kammer und von den | |
| Skulpturen isoliert zeigt, ist beispielhaft für den Hang der Kuration, | |
| seine Arbeiten einfalls- und kontextlos aneinanderzureihen. | |
| ## Nullbezug zu ZERO? | |
| Zum Beispiel erfährt man so gut wie nichts über seine Weggefährt*innen, | |
| Lehrer*innen und Förder*innen, was vor allem in Bezug auf Verbindungen | |
| zu westdeutschen Kunstbewegungen wie ZERO von Interesse gewesen wäre. | |
| In den folgenden Räumen sind vor allem Haackes institutionskritische | |
| Arbeiten zu sehen. Die 1972 entstandene „Rheinwasseraufbereitungsanlage“ | |
| ist das Scharnier, das sein Interesse an natürlichen Systemen mit der | |
| politischen Stoßrichtung seiner späteren Interventionen verbindet. Für eine | |
| Ausstellung in Krefeld hatte Haacke Strategien entwickelt, um die | |
| Verschmutzung von Flusswasser nicht nur sichtbar zu machen, sondern auch zu | |
| verbessern. | |
| Fragwürdige Umstände arbeitet er auch in „Shapolsky et al. | |
| Manhattan-Immobilienbesitz – Ein gesellschaftliches Realzeitsystem, Stand | |
| 1.5.1971“ heraus, eine nüchterne Dokumentation über Geldwäschepraktiken | |
| eines Immobilienunternehmers. Sie war einst der Grund für die Absage einer | |
| geplanten Einzelausstellung im New Yorker Guggenheim Museum. | |
| ## Peinliche Blöße | |
| Wie auch in späteren Werken verweigerte Haacke sich hier allzu großer | |
| ästhetischer Raffinesse, als wolle er dem geldgesteuerten System „Kunst“ | |
| eine peinliche Blöße geben, indem er nichts verschleiert. Diese | |
| Unmissverständlichkeit mag man ihm zum Vorwurf machen. Allerdings steckt | |
| genau darin die Aufmüpfigkeit, mit der Haacke die Institutionen des | |
| Kunstsystems im Lauf seiner Karriere immer wieder in die | |
| Verteidigungshaltung der Entlarvten gebracht hat. | |
| Und komisch ist er dabei auch: „Der Pralinenmeister“ von 1981 widmet sich | |
| auf goldgeränderten Postern dem Kölner Unternehmerpaar Peter und Irene | |
| Ludwig, Namensgeber*innen [5][des Museums Ludwig, die ihre | |
| Kunstsammlung] mit Einnahmen aus der Produktion von Schogetten und | |
| Aero-Schokolade finanzierten. Die süßen Freuden der Wirtschaftswunderjahre | |
| in der Bundesrepublik stehen also in unmittelbarer Verbindung zur größten | |
| europäischen Sammlung mondäner Pop-Art. | |
| In der Schirn entfalten sich diese kritischen Einschnitte allerdings einzig | |
| in der Vergangenheit. Der berüchtigte „MoMa Poll“ von 1970, der | |
| Ausstellungsbesucher*innen nach ihrer Meinung zum republikanischen | |
| Gouverneur und Museumspatron Nelson Rockefeller fragte, erfährt jetzt als | |
| „Frankfurt Poll“ eine Reinkarnation, nun allerdings mit zahmen Fragen zur | |
| Demografie und politischen Haltung der Museumsbesucher*innen. | |
| Sicherlich ist die Lage mittlerweile eine andere, und Haackes ehemals von | |
| den Museen abgelehnte Arbeiten sind nunmehr in deren Besitz. Gerade vor | |
| diesem Hintergrund muss man von einer Retrospektive allerdings erwarten, | |
| die zukunftsweisenden Möglichkeiten eines Lebenswerks offenzuhalten, statt | |
| dessen Sprengkraft zu zähmen, indem man die darin angestoßenen Prozesse zu | |
| Artefakten macht. | |
| 28 Jan 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Luise Mörke | |
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