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# taz.de -- Zürcher Ausstellung „Unschöne Museen“: Wenn das Schöne unsch…
> Eine prominent besetzte Kunstausstellung in der Zürcher ETH zeigt blinde
> Flecken in der Museumskultur auf.
Bild: Hans Haackes „Buhrlesque“ (1985) erinnert an politische Verstrickunge…
Schon das Plakat sieht aus wie eine Grabplatte. „Unschöne Museen“ prangt in
weißen Lettern auf einem dunklen Grund in Marmoroptik, eingefasst von einer
nostalgischen Bordüre. Ist dies der Abschied von einer verstaubten
Museumskultur? In Zürich, wo die Plakate eine Ausstellung an der ETH
ankündigen, wird seit der Eröffnung 2021 des Erweiterungsbaus des
Kunsthauses die Frage, welchen Anforderungen heute ein Museum gerecht
werden muss, vehement diskutiert.
Dabei geht die Debatte über die neue Architektur von David Chipperfield –
wie sie zur Stadt beiträgt, sich zu den Exponaten und zum Publikum verhält,
wie ökologisch sie konzipiert ist – hinaus. Die Bestände selbst sind auf
dem Prüfstand. Nicht nur in Zürich, sondern in vielen europäischen Städten
gehören Museumssammlungen nach ihrer Herkunft kritisch abgefragt. Und
überhaupt, wie steht es mit dem Museum als maßgebende Institution?
Wer es mit seinem Werk dorthin schafft, wird geadelt. Die Mechanismen
dahinter können aber fragwürdig sein. Das überlegen auch die
Kurator:innen Fredi Fischli, Niels Olsen und Geraldine Tedder in der
ETH-Ausstellung „Unschöne Museen“. Rund 20 Videos, Fotografien,
Installationen oder Architekturmodelle von international wirkenden
Künstler:innen – darunter die Ikone der Institutionskritik, Andrea
Fraser – haben sie zusammengetragen.
Da sind die vordergründig stylischen Modefotografien von Ilja Lipkin. Die
von ihm 2019 im New Yorker MoMA aufgenommenen Porträts erinnern an
Modeshootings. Doch nicht die perfekte Pose steht im Zentrum, sondern der
kurze Moment davor oder danach. Ein Model steht vor einem Andy Warhol, ist
aber mit seinem Handy beschäftigt.
Waren einst die Kunsthallen von der Aura der Unantastbarkeit durchdrungen,
werden sie bei Lipkin nur zur schönen Konsumhülle und bleiben als schicker
Eventspace ebenso unnahbar. Nicht wie bei den [1][Bildern im nächtlichen
Louvre von Beyoncé und Jay-Z in ihrem Video „Apes-t“], auf denen sich die
beiden vor der Mona Lisa einen Battle-Rap liefern und die Hochkultur für
die Popkultur aneignen.
## Aufgestickte Patronenhülsen und drapierte Lederschuhe
Dass die altarähnliche Installation „Buhrlesque“ von Hans Haacke aus dem
Jahr 1985 stammt, verblüfft. Denn Haackes Kritik ist aktuell. Auf einem
steinernen Opfertisch ließ er ein Tuch im faschistischen Farbcode
Schwarz-Weiß-Rot ausbreiten. Aufgestickte Patronenhülsen und drapierte
Lederschuhe der Firma Bally erinnern an die Verbindung der Firma
Oerlikon-Bührle sowie ihrer Tochterunternehmen zum Apartheidregime in
Südafrika. Unter dem Firmenvorsitz von Dieter Bührle soll dieses in den
60er Jahren mit illegalen Waffenlieferungen unterstützt worden sein, wie
aus dem Begleittext hervorgeht.
Schon [2][der Rüstungsindustrielle Emil G. Bührle] erwirtschaftete während
des Zweiten Weltkriegs durch Waffenverkauf an Nazideutschland ein Vermögen
und finanzierte so seine wertvolle Kunstsammlung. [3][Auch durch Ankäufe
von Naziraubkunst und Fluchtgut.] Selbige Sammlung wird heute als Leihgabe
im Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich ausgestellt. Und es bleibt zu
diskutieren, wie diese überhaupt präsentiert werden darf.
Welch schwieriges Frauen- und Menschenbild in Museen vermittelt werden
kann, legt die schottische Künstlerin Maud Sulter anhand der
Historienmalerei des Briten John Collier offen. Sein Gemälde „The Death of
Kleopatra“ von 1890 hängt heute in der englischen Gallery Oldham.
Sulter greift auf ihren Reproduktionen Details des Gemäldes heraus – einen
aufreizend gestreckten, weiblichen Fuß, den Schoß der aufgebahrten
Kleopatra – und lenkt den Blick auf die Frau als Objekt des Begehrens. Mit
Weichzeichner und Aufheller erinnert sie daran, dass – wie in zahllosen
anderen musealen Werken auch – Kleopatra, die Königin eines afrikanischen
Landes, selbstredend bleichhäutig dargestellt wird. Der Schwarze Körper
aber wird ausgeblendet.
„Unschöne Museen“ ist wie ein Blick durch ein Kaleidoskop. Doch das sich
daraus ergebende Bild vom Museum verzaubert nicht, sondern zeigt, wo
Handlungsbedarf besteht.
3 May 2023
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## AUTOREN
Uta Appel Tallone
## TAGS
Ausstellung
Zürich
Museen
Kritik
Raubgut
Schönheit
Retrospektive
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Kunstsammlung
Architektur
Schweiz
Musikvideo
NS-Raubkunst
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