# taz.de -- Reaktionen auf Trump: Reichlich Kreide gefressen | |
> Die EU wollte sich nicht von Donald Trump vorführen lassen. Doch die | |
> Kritik an seiner Antrittsrede fällt schmal aus. Auch Berlin gibt sich | |
> kleinlaut. | |
Bild: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag in Davos | |
BRÜSSEL/BERLIN taz | Seit Wochen bereitet sich die EU in Brüssel auf die | |
zweite Amtszeit von Donald Trump vor. Man habe „defensive und offensive“ | |
Antworten auf Trump ausgearbeitet und werde sich von dem unberechenbaren | |
Republikaner nicht vorführen lassen, versprach Industriekommissar Stéphane | |
Séjourné. | |
Doch am Tag [1][nach der Amtseinführung] des neuen US-Präsidenten war davon | |
nichts zu spüren. Die Glückwünsche, die die neue EU-Spitze nach Washington | |
schickte, klangen nicht selbstbewusst, sondern unterwürfig. Die | |
versprochenen Antworten suchte man in Brüssel vergebens. | |
„Die EU freut sich darauf, eng mit Ihnen zusammenzuarbeiten“, tweetete | |
EU-Ratspräsident Antonio Costa. Zusammen könnten Europäer und Amerikaner | |
mehr Wohlstand und mehr Sicherheit erreichen. „Dies ist die anhaltende | |
Stärke der transatlantischen Partnerschaft.“ | |
Kein Wort zu den wilden Drohungen oder imperialen Plänen, die Trump | |
ausgestoßen hatte. Nicht einmal der Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen | |
und der Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation war der EU eine | |
Erwähnung wert. | |
## Nur einmal wird von der Leyen deutlicher | |
Selbst die Strafzölle, die Trump gegen europäische Exporte verhängen will, | |
waren tabu. Die EU-Finanzminister, die sich am Dienstag in Brüssel trafen, | |
schwiegen. Man wolle abwarten und sich „konstruktiv mit der neuen Regierung | |
einlassen“, so der deutsche Minister Jörg Kukies. | |
Bei so viel Beißhemmung richtete sich die Blicke auf Kommissionspräsidentin | |
Ursula von der Leyen. Die deutsche CDU-Politikerin sei „die starke Stimme | |
Europas“, hatte [2][die Karlspreis-Jury in der vergangenen Woche verkündet] | |
– würde sie klare Worte finden? | |
Doch auch diese Hoffnung wurde enttäuscht. Die Rede, die von der Leyen beim | |
Weltwirtschaftsforum in Davos hielt, klang, als habe sie Kreide gefressen. | |
Trump erwähnte sie nicht, heikle Fragen blieben ausgespart. Nur einmal | |
wurde sie deutlicher. | |
## Für Trump gilt: America first, world second | |
„Für beide Seiten steht viel auf dem Spiel“, warnte von der Leyen mit Blick | |
auf einen möglichen Handelskrieg mit den USA. „Es gibt keine anderen | |
Volkswirtschaften in der Welt, die so eng miteinander verflochten sind wie | |
wir“. | |
Höchste Priorität müsse daher genießen, frühzeitig in Kontakt zu treten, | |
gemeinsame Interessen zu erörtern und verhandlungsbereit zu sein. Als ein | |
mögliches Thema hat von der Leyen bereits einen neuen Deal zum Ausbau | |
amerikanischer Exporte von [3][Flüssiggas (LNG)] genannt. | |
Doch bisher hat Trump die Kommissionschefin noch nicht einmal nach | |
Washington eingeladen. Nur ihr Kabinettschef Björn Seibert hat erste | |
Kontakte in der US-Hauptstadt geknüpft. Er versucht, eine „transatlantische | |
Agenda“ aufzustellen – bisher aber ohne erkennbaren Erfolg. | |
Überraschend ist das nicht. Denn Trump ist – anders als von der Leyen und | |
die EU-Führung – eben kein Atlantiker. Für Trump gilt „America first, wor… | |
second“. Die EU erwähnte er in seiner Antrittsrede nicht ein einziges Mal. | |
Auch deshalb tut sich Brüssel nun so unendlich schwer. | |
## Merz sieht Trump als Chance | |
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beließ es am Dienstag weitestgehend | |
bei Gratulationen an Trump und bekräftigte auf dem Weltwirtschaftsforum in | |
Davos die engen Beziehungen zu den USA. Zugleich stellte er klar: | |
„Präsident Trump und seine Regierung werden die Welt in den kommenden | |
Jahren in Atem halten.“ Scholz warb für eine Stärkung der europäischen | |
Verteidigungsfähigkeit. | |
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hingegen sieht die zweite Amtszeit | |
Trumps hingegen als Chance, wie er der Bild-Zeitung mitteilte. Zur | |
Amtseinführung soll er nach eigenen Angaben einen eigenhändig verfassten | |
Brief an Trump geschickt haben. Zuvor hatte Merz im Deutschlandfunk den | |
deutschen Botschafter in den USA, Andreas Michaelis, und die | |
Bundesregierung wegen ihrer kritischen Einschätzung von Trump kritisiert. | |
21 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
Amelie Sittenauer | |
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