| # taz.de -- Horrorfilm „Strange Darling“: Genuss an Gewalt | |
| > Chronologische Verdrehung und Zelluloid-Verehrung: Die Serienkiller-Story | |
| > „Strange Darling“ orientiert sich an Tarantino und dem italienischen | |
| > Giallo. | |
| Bild: Willa Fitzgerald in „Strange Darling“ | |
| Zwei Schrifttafeln ganz zu Beginn. Die eine behauptet, in diesem Film werde | |
| eine wahre Serienkiller-Geschichte aus der jüngsten Vergangenheit erzählt. | |
| Das ist reine Erfindung. Die andere: Der ganze Film ist ausschließlich auf | |
| 35-mm-Zelluloid-Film gedreht. | |
| Das ist die Wahrheit und es ist eine Wahrheit, die „Strange Darling“ in | |
| seinen Bildern wahrlich nicht zu verstecken versucht. Anfang und Ende sind | |
| schwarz-weiß, dazwischen aber darf man in saturierten Farbmeeren baden. | |
| Blonde Perücke, knallrotes Auto, Landschaften im Mittleren Westen der | |
| Vereinigten Staaten, die in Licht und Hitze vibrieren. | |
| So sieht nicht die Wirklichkeit aus, nicht in unserer Vorstellung | |
| jedenfalls, sondern das Kino. Und so signalisiert der Film Bild für Bild: | |
| Es ist die Geschichte des Kinos, aus der er sich in seinen Bildern, aber | |
| auch in seinem Plot ohne Ende bedient. | |
| Ein Kino der Gewalt, zu dem Blut als Farbe gehört; ein Kino des Exzesses, | |
| das sich in Richtung der sechziger und siebziger Jahre (in Interviews | |
| nennen die Macher Roman Polanskis „Repulsion“ oder Ken Russells „The | |
| Devils“), aber auch [1][in Richtung italienischer Giallo], etwa [2][Dario | |
| Argento], orientiert, und zwar so deutlich, dass das Bedienen aus diesem | |
| Repertoire immer schon mitinszeniert ist. | |
| ## Kamera prominent geführt von Giovanni Ribisi | |
| Die Kamera gibt sich nicht nur in ihrem üppigen Primärfarb-Konzept stylish, | |
| sie sucht auch eher die ungewöhnliche als die naheliegende Perspektive: | |
| Draufsicht, die die Figur in ihre Umgebung hinein abstrahiert; oder sie | |
| rast mit dem rasenden knallroten Auto knapp über den Asphalt. Ein langer | |
| Dialog im Dunkeln findet auf einem Motelparkplatz vor markanter Lichttafel | |
| statt. | |
| Entwickelt hat das Konzept (gemeinsam mit Regisseur TJ Mollner) ein Mann, | |
| der hier erstmals in einem großen Film die Kamera führt: der Schauspieler | |
| Giovanni Ribisi, seit „Saving Private Ryan“ ein mittelgroßer Hollywoodstar. | |
| Nun das Debüt hinter der Kamera – im Film selbst hört man nur seine Stimme | |
| –, ein Seitenwechsel der außergewöhnlichen Art. | |
| Der Plot, der in „Strange Darling“ abgespult wird, ist einerseits ganz | |
| generisch. Treffen sich ein Mann und eine Frau zu einem One-Night-Stand. | |
| Sie tragen gar nicht erst Eigennamen, sondern werden in der Erzählung „The | |
| Lady“ (Willa Fitzgerald) und „The Demon“ (Kyle Gallner) genannt. Beim | |
| erwähnten Dialog im Dunkeln im Auto, bevor es aufs Motelzimmer geht, sagt | |
| sie zu ihm: „Du machst einen freundlichen Eindruck, aber eine Frage muss | |
| ich dir stellen: Bist du ein Serienmörder? Schließlich weiß man ja nie.“ | |
| Und nein, man weiß es nicht. Man erfährt die Wahrheit auch in diesem Film, | |
| der zur wilden Verfolgungsjagd wird, nur nach dem einen und anderen Twist. | |
| Nicht zuletzt, weil die ganze Erzählung chronologisch verdrillt und | |
| verdreht ist. In sechs Kapiteln erzählt, plus Epilog, nur dass die Kapitel | |
| nicht aufeinander folgen, die Geschichte springt in der Zeit vor und | |
| zurück. Sie hält auf diese Weise gezielt mit wichtigen Informationen hinter | |
| dem Berg, an der einen oder anderen Stelle ist die Überraschung dann groß. | |
| Das alles – die chronologische Verdrehung, die Zelluloid-Verehrung, der | |
| Genuss der Gewalt, die kenntnisreiche Retro-Orientierung am Genre-Kino – | |
| erinnert natürlich vor allem an einen: Quentin Tarantino, dessen [3][„Pulp | |
| Fiction“ gerade seinen 30. Geburtstag] feiern durfte. | |
| „Strange Darling“ zeigt: Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch. | |
| Eine Form des Kinos, die nicht Realität will, sondern Kino. Unter den | |
| vielen Tarantino-Epigonen zählt Regisseur und Autor TJ Mollner (mit seinem | |
| Kameramann) sichtlich zu den begabten. Dieser Film ist kein reiner | |
| Abklatsch, sondern macht am Ende sein eigenes Ding. | |
| 2 Jan 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ekkehard Knörer | |
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