# taz.de -- Argentinischer Horrorfilm: Wo Mensch und Dämon sich treffen | |
> Radikal negativ und schön konsequent: Der argentinische Horrorfilm „When | |
> Evil Lurks“ von Demián Rugna über Besessenheit ist so grimmig wie | |
> grotesk. | |
Bild: Wo selbst die Kleinen böse werden, ist alle Hoffnung dahin | |
Angst und Schrecken im Horrorgenre sind das Eine und natürlich zentral. Was | |
aber immer wieder in den Hintergrund rückt, ist, dass Horrorfilme sich auch | |
zur Orientierung und Welterschließung eignen. Zumindest dann, wenn man | |
Bilder vom Worst Case sucht, die die Schrecken nicht mit Heldenerzählungen | |
abmildern. Kein anderes Genre sonst schert immer wieder so unbeschwert in | |
die Negativität aus. Und Negativität gehört, als Versprechen an Zuschauerin | |
und Zuschauer, ebenso zum [1][Horrorfilm] wie die Angstlust. | |
Der argentinische Film „When Evil Lurks“ setzt von der ersten Minute an auf | |
einen Pessimismus, der sich auf der Ebene der Zuschauer:innenaffekte | |
als starker Eindruck einer umfassenden Hoffnungslosigkeit entfaltet. Alles | |
geht schief, und das Böse ist bald nicht nur überall, sondern auch | |
überwältigend. | |
Die Dämonenmythologie des Films ist originell und konsistent. In einem Haus | |
am Rand eines abgelegenen argentinischen Dorfes liegt ein aufgeblähter, mit | |
Pusteln übersäter Mann in seinem Bett und suppt vor sich hin. Alle wissen | |
anscheinend Bescheid: Es handelt sich um einen Besessenen, der sterben | |
muss, um die Geburt von etwas radikal Bösem zu verhindern. Auch die | |
Behörden wissen Bescheid, unternehmen aber genretypischerweise nichts. | |
Wenn man den Besessenen erschießt, wird der Dämon freigesetzt. Also | |
beschließen die beiden Brüder Pedro (Ezequiel Rodríguez) und Jaime (Demián | |
Salomón), ihn mit dem Auto einfach wegzubringen. Dies ist die erste von | |
vielen schlechten Ideen. Alles, was schief gehen kann, geht auch schief, | |
und in diesem Sinne wirkt in „When Evil Lurks“ ein untergründiger | |
Realismus. | |
## Tiere verbreiten das Dämonische wie einen Virus | |
„Aus den Augen, aus dem Sinn“ klappt im Horrorgenre jedenfalls generell | |
nicht. [2][Das Böse], das man nicht mehr sehen will, kommt mit umso | |
größerer Macht zurück. Der Besessene rutscht während der Fahrt von der | |
Ladefläche und taucht erst am Schluss des Films wieder auf. Er hat sich zu | |
diesem Zeitpunkt aber ohnehin schon in der Gemeinde und in den Familien | |
eingenistet. Tiere verbreiten das Dämonische wie einen Virus. Und die | |
Bilder, die Regisseur Demián Rugna und sein Kameramann Mariano Suárez | |
auffahren, sind wirklich fies: Eine Frau erschießt ihren Mann und schlägt | |
sich dann eine Axt in den Kopf, ein Hund reißt ein kleines Mädchen, Kinder | |
fallen über eine Mutter her, ein Kopf wird geöffnet. Und mittendrin Pedro | |
und Jaime, die zunehmend hysterisch immer wieder die falschen | |
Entscheidungen treffen. | |
Die Beklemmung, die von den Bildern ausgeht, speist sich in der Hauptsache | |
allerdings nicht aus den zahlreichen Exzessmomenten, sondern aus maximal | |
angespannten Sequenzen, die immer wieder ins ernsthaft Groteske kippen. | |
Darunter eine Art Showdown in Zeitlupe in einer von besessenen Kindern | |
bewohnten Schule und eine Begegnung zwischen [3][Mensch und Dämon] im | |
Lichtkegel eines Autos, nachts. | |
Für die Inszenierung der „When Evil Lurks“ dominierenden drückenden | |
Atmosphäre hat Rugna sich vermutlich an David Robert Mitchells frühem | |
Horrormeisterwerk „It Follows“ orientiert. Sie korrespondiert auf der | |
Handlungsebene mit der Imagination eines unaufhaltsamen Bösen, das die Welt | |
überzieht wie eine Schneedecke und alle besetzt, die innerlich schwanken, | |
also Angst haben. Am Ende alle. | |
„When Evil Lurks“ gehört zur Gruppe der inzwischen etwas rar gewordenen | |
radikal negativen, kompromisslos grimmigen Horrorfilme. Der Bezug der | |
Filmbilder zur Welt, der sich möglicherweise herstellt in der Wahrnehmung | |
von Zuschauerin und Zuschauer, funktioniert nicht über Metaphorik (die | |
Kettensäge beispielsweise sei eigentlich ein Phallussymbol und dergleichen | |
mehr), sondern über eine Strukturähnlichkeit zwischen Film- und | |
Weltbildern: Wo alles schrecklich ist, ist es gut, vom Schlimmsten zu | |
wissen. Und Bilder des Schlimmsten bekommt man hier zuhauf „When Evil | |
Lurks“ ist ein konsequenter und in seiner Konsequenz nicht zuletzt auch | |
sehr schöner Film. | |
27 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Benjamin Moldenhauer | |
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