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# taz.de -- Neue Medien-Sehgewohnheiten: Wenn selbst Tarantinos Filme nicht meh…
> Es sollte ein cineastischer Generationenmoment werden – den Söhnen
> zeigen, wie cool Tarantino ist. Hat nicht funktioniert.
Bild: Filmszene aus „Pulp Fiction“
Es war als Event gedacht. Chips und Spezi standen bereit für die Jungs und
ein kaltes Bier für mich: Zum ersten Mal „[1][Pulp Fiction]“ mit meinen
Söhnen gucken, darauf hatte ich mich gefreut. Es sollte das Weitergeben
einer [2][Generationenerfahrung] sein, ein Glücksmoment – und natürlich
wurde es eine Enttäuschung für alle. Wann es denn mal richtig losginge,
sagten meine Söhne nach einer Viertelstunde.
Schon vorher hatte ich ihre Unruhe bemerkt, und ich selber sah plötzlich
wie durch ihre Augen, wie 90er relaxt das alles seinen Gang nahm. Das
Experiment wurde abgebrochen und auf später vertagt.
Ob ich der Sache jetzt nochmal eine Chance geben sollte, mit dem
[3][Arte-Schwerpunkt „Quentin Tarantino – Knochenhartes Kino“]? Einen
konkreten Anlass habe ich nicht entdecken können über den 1963 geborenen
und 1992 mit „Reservoir Dogs“ ins Scheinwerferlicht getretenen Regisseur
und Autor.
Also eher nicht – nicht nur deswegen nicht, weil es inzwischen meine
Mitzwanziger-Söhne sind, die mir neue kulturelle Welten aufschließen statt
umgekehrt; sondern, weil ich beim TV-Gucken von [4][„Jackie Brown“] (1997)
durchaus auch meine eigenen Probleme hatte, bei der Stange zu bleiben.
Was nicht nur am nicht so leicht nachvollziehbaren Plot liegt – wem wird
jetzt nochmal welches Geld, das wer markiert hat, wann abgenommen
beziehungsweise übergeben? –, sondern auch daran, dass Tarantino in diesem
Film (und in den folgenden Filmen noch mehr, vielleicht schon immer) in my
humble opinion gegen die zentrale Maxime verstößt, die der Vorlagengeber
von „Jackie Brown“ – [5][Elmore Leonard, der „Dickens aus Detroit“] �…
seinem Roman „[6][Rum Punch“] so gefaßt hat: „If it sounds like writing,…
rewrite it.“
## Die Brutalität ist nicht mehr lustig
Mich haben diesmal jedenfalls die Nebenfiguren, insbesondere die
Darstellung von Bridget Fonda (Melanie) und Robert De Niro (Louis Gara),
deutlich mehr fasziniert als die Story, der Style und die coolen
Gangster-und-Cop-Moves; und erst jetzt verstehe ich eben, was Robert
Forster (Max Cherry) wirklich fühlt, wenn er die 44-jährige Jackie Brown
aus seinen großen braunen Jungsaugen anschaut. Max ist 57 – so alt werde
ich dieses Jahr auch –, und Jackie ist die letzte Frau, die ihn so küssen
wird, wie sie es am Ende des Films eben tut.
Der Arte-Schwerpunkt umfasst neben „Jackie Brown“ noch „Reservoir Dogs“,
„Kill Bill Vol. 1“, „Kill Bill Vol. 2“ und „Death Proof“ sowie die
Dokumentation „QT8 – Quentin Tarantino – The First Eight“. Genug Materi…
also für eine Retrospektive, der man dann gleich noch eine Neusichtung der
Schriftsteller folgen lassen könnte, die Tarantino inspiriert haben, neben
Elmore Leonhard vor allem [7][Charles Willeford].
Ich vermute, dass sich auch da eine gewisse Fremdheit einstellen wird, die
der meiner Söhne damals entgegengesetzte: Die Spannung, die Krimis in mir
erzeugen, kann ich nicht mehr so richtig genießen, die Brutalität finde ich
nicht mehr lustig, das plotgetriebene Erzählen lässt mich zusehend kalt –
und wie habe ich das alles geliebt und gepriesen!
Wahrscheinlich würde auch ich eben wie Robert Forster nicht mehr den Mut
haben, alles stehen und liegen und lassen, um nur Jackie zu folgen. Aber im
Leben, wie im Roman übrigens auch, bleibt zum Glück alles offen:
„Max hesitated.
‚Where would we go?‘
‚I dont know‘, Jackie said, and he saw her eyes begin to smile. ‚Does it
matter?‘“
29 Jun 2025
## LINKS
[1] /Kultfilm-feiert-Jubilaeum/!6042979
[2] /Generationen/!6084397
[3] https://www.arte.tv/de/videos/RC-026598/quentin-tarantino/
[4] https://www.arte.tv/de/videos/048602-000-A/jackie-brown/
[5] https://www.spiegel.de/kultur/literatur/krimi-autor-elmore-leonard-gestorbe…
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Rum_Punch_(Roman)
[7] /US-Autor-Charles-Willeford/!5555833
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
Quentin Tarantino
Nostalgie
Generationen
Social-Auswahl
Schwerpunkt Filmfestspiele Cannes
Filmkritik
Quentin Tarantino
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