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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Die Club-Legacy
> Tanz die Vika: Mit Mitte 80 legt DJ Vika immer noch auf. Die Doku über
> die polnische Clubgröße kommt nach Berlin. Im Lichtblick erklingt Italo
> Disco.
Bild: Hat das Zeug zum Doku-Musical: „Vika!“ (R: Agnieszka Zwiefka, 2023)
Ihre Enkelkinder finden sie peinlich, sagt DJ Vika, und einer ihrer Söhne
macht in einer Szene des Dokumentarfilms „Vika!“ klar, dass er sich deren
Meinung absolut anschließt. Dabei ist die Plattendreherin, die in Warschau
lebt, ein echter Star. Medien berichten über sie und Zeitschriften widmen
ihr Titelgeschichten. Allerdings ist Vika mittlerweile Mitte 80. Und so
finden Sohn und Enkelkinder, dass die alte Dame sich endlich mal
altersgemäßer verhalten möge. Und unter altersgemäß verstehen sie etwas
anderes als Vika, die gerne auf queeren Partys auflegt, dabei lustige
Brillen trägt und ausgelassen tanzt.
Vika aber hat für sich beschlossen, die für sie vorgesehene Rolle als
alleinstehende Oma, die Marmelade einkocht und den lieben langen Tag
einfach nur aus dem Fenster guckt, nicht anzunehmen. Mit welchen
Widerständen sie dabei zu kämpfen hat, das interessiert die Regisseurin des
Portraits, Agnieszka Zwiefka, ganz besonders und macht ihren Film zu einer
berührenden Studie über das Altern in unserer westlichen Gesellschaft
generell.
Ein besonderes Glück ist es, dass Vika vor der Kamera dazu bereit ist, die
gut gealterte Diva in gerne auch mal ausgefallenen Klamotten zu geben,
gleichzeitig aber auch ihre innere Verletzlichkeit zu zeigen, genau wie
ihre Falten und altersbedingten körperlichen Gebrechen.
Glamour ist immer inszenierte Illusion und in diesem Film wird daraus auch
gar kein Geheimnis gemacht. Bereitwillig wirft sich Vika in
Hollywood-Star-Posen und tanzt ausgelassen mit Freundinnen und Freunden,
als wäre das in deren Alter das Normalste der Welt.
Aber dann sieht man sie genauso allein daheim in ihrer kleinen Wohnung und
mit ihrer Katze und schaut ihr dabei zu, wie sie sich, lädiert nach einem
Sturz, in ein Kleidungsstück quält. Vika, die älteste DJ-Frau Polens, ist
supercool und vielleicht auch so, wie man selbst gerne wäre im
fortgeschrittenen Alter. Der Film über sie zeigt aber, dass es auch für
Vika eine ständige Herauforderung ist, Vika zu sein.
Kinopremiere von „Vika!“ ist am 16. Januar. Einen besonderen Event dazu
gibt es an diesem Tag im Kant Kino, wo der Film in der deutschen Fassung im
Beisein von Regisseurin Agnieszka Zwiefka und DJ Vika gezeigt wird.
## Weiter nach Italien
Auch im [1][Lichtblick Kino] läuft „Vika!“ am 16. Januar an (Omu) und das
Kino hat am 21. Januar mit „Italo Disco Legacy“ gleich noch eine weitere
Dokumentation über das Altern und Musik im Programm. Wie es der Titel
bereits andeutet, widmet sich Regisseur Pietro Anton, der zur Vorstellung
auch für eine Q&A anwesend sein wird, dem Genre Italo Disco.
Das war Mitte der Achtziger eine große Sache und erlebt seit paar Jahren
ein Revival. Und das lässt sich immer noch so sagen, auch wenn die
Dokumentation bereits sechs Jahre alt ist. Sie zeigt einerseits, was für
eine geschmacklose, dabei aber seltsam anregende und innovative Musik Italo
Disco vor vier Dekaden sein konnte. Und andererseits, wie die Recken von
einst, die schmalzige Melodien zu futuristischen Drum-Machine-Sounds
fabrizierten, nun wieder in aller Welt, von Holland bis Mexiko, gefeiert
werden.
Und von Größen des Techno wie etwa DJ Hell oder The Hacker attestiert
bekommen, auch für die Entwicklung von House und Techno bahnbrechende
Sounds kreiert zu haben, die endlich gebührend gewürdigt gehören. Die
Italo-Disco-Helden von einst sind heute noch nicht ganz so alt wie DJ Vika.
Fraglich ist, ob sie mit über 80 auch noch so auf der Bühne herumturnen wie
diese.
15 Jan 2025
## LINKS
[1] https://lichtblick-kino.org/vika/
## AUTOREN
Andreas Hartmann
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