# taz.de -- Berliner Arsenal vor dem Umzug: Kino ist nicht bloß ein Ort | |
> Das Kino Arsenal beendet am Sonntag seinen Spielbetrieb am sterilen | |
> Potsdamer Platz. Anfang 2026 soll er in Wedding wiederaufgenommen werden. | |
Bild: Herrscherin über die Filmrollen – und vieles mehr: Stefanie Schulte St… | |
Berlin taz | „Bitte Ruhe“ steht an der Tür des Raumes, der in gut einem | |
Jahr als Kinosaal genutzt werden soll. Aktuell ist er noch eine Baustelle. | |
Die Betreiber des Silent Green Kulturquartiers in Wedding lassen die | |
Räumlichkeiten gerade umbauen für den neuen Mieter: das Kino Arsenal, das | |
an diesem Sonntag nach 25 Jahren am Potsdamer Platz ebendort seinen | |
Spielbetrieb beenden wird. | |
Im Silent Green an der Gerichtstraße ist ein ehemaliges Krematorium. Seit | |
2015 finden hier Kulturveranstaltungen statt, in die Büros ist die | |
Kreativszene eingezogen. Anfang 2026 soll auch der Kinosaal des Arsenals | |
dazustoßen – und zwar in der denkmalgeschützten Trauerhalle. Deshalb auch | |
die Aufforderung am Eingang, sich ruhig zu verhalten. „Die kann man | |
eigentlich genau so da stehen lassen“, sagt Stefanie Schulte Strathaus, die | |
künstlerische Leiterin des Arsenals. | |
Das Arsenal ist freilich nicht irgendein beliebiges Berliner Kino, | |
[1][sondern eine ziemlich einmalige Institution], deren guter Ruf in Sachen | |
Filmkultur weit über Berlin hinaus strahlt. Der volle Name lautet dann auch | |
Arsenal – Institut für Film und Videokunst. Dazu gehören: das Kino, die | |
Berlinale-Sektionen „Forum“ und „Forum Expanded“, wo die eher | |
experimentellen Filme des Festivals laufen, den Verleih und das Archiv. | |
Letzteres befindet sich bereits seit 2015 in Räumlichkeiten des Silent | |
Green. Stefanie Schulte Strathaus zeigt es mit einigem Stolz. 10.000 | |
analoge Filme aus aller Welt werden hier gelagert, viele davon Unikate. Ein | |
„weltweit einmaliger Schatz“, sagt sie. | |
## Alles unter einem Dach | |
Im Februar kommenden Jahres läuft der Mietvertrag des Arsenals am Potsdamer | |
Platz aus. Bis dahin werden die etwa 35 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen | |
ihre Büros verlassen und in ein Haus gegenüber des Silent Greens einziehen, | |
das ebenfalls den Betreibern des Kulturstandorts in Wedding gehört. | |
„Alle und alles wird dann an einem Ort vereint sein, das macht die Arbeit | |
einfacher und interessanter“, sagt Schulte Strathaus. Am Potsdamer Platz | |
sei immer irgendein Teil ausgelagert gewesen. Damit sei in Wedding Schluss. | |
Das Kino Arsenal ging 1970 aus einer Initiative des Vereins [2][Freunde der | |
Deutschen Kinemathek] hervor. 30 Jahre befand es sich in Schöneberg, bevor | |
es an den Potsdamer Platz zog. Dabei prägten Filmverrückte mit Neugier auf | |
ein Kino aus aller Welt und allen Epochen von Beginn an das Arsenal. Bis | |
heute haben sie nicht damit aufgehört, überraschende Filmreihen zu | |
kuratieren und Werke weit abseits der Norm zu präsentieren. | |
„Das kann Kino“, heißt folgerichtig auch das Abschiedsprogramm des | |
Arsenals, das noch bis Sonntag läuft. Dabei soll mit Hollywood-Kultfilmen | |
bis zu Erstlingswerken weitgehend unbekannter Filmemacher noch einmal der | |
Beweis erbracht werden, dass Kino, so wie es sich das Arsenal vorstellt, | |
wirklich sehr viel kann. | |
## Zeitlich begrenzter Mietvertrag | |
Dass es das Arsenal am Potsdamer Platz nicht ewig geben würde, war von | |
Anfang an klar, sagt Schulte Strathaus. Der Mietvertrag war auf 25 Jahre | |
begrenzt. Eine Zeit lang habe es Überlegungen gegeben, in ein von der | |
Deutschen Kinemathek immer noch geplantes Filmhaus zu ziehen, [3][das auf | |
dem Parkplatz des Gropius-Baus in Kreuzberg entstehen soll]. Als sich | |
herausstellte, dass sich die Realisierung noch Jahre hinziehen wird, sei | |
man mit dem Silent Green ins Gespräch gekommen. | |
Dieser Ort ist „aus mehreren Gründen sehr geeignet“, sagt Schulte | |
Strathaus. Nicht nur, weil eben erstmalig Verleih, Archiv, Berlinale-Forum | |
und Kino unter einem Dach zusammengeführt werden. Auch befinde sich das | |
Arsenal nun in guter kultureller Nachbarschaft. So forscht das | |
Harun-Farocki-Institut zum Werk des namensgebenden Filmemachers und das | |
Sinema Transtopia widmet sich dem postkolonialen Kino. | |
Kurzum: Es gebe dort bereits eine lebendige Filmkultur. Während der | |
Potsdamer Platz eben doch ein sehr steriler Ort ist, an dem das Arsenal | |
immer wie ein Fremdkörper wirkte. Andererseits heißt das auch: Der | |
Potsdamer Platz wird durch den Auszug noch einmal ein Stück steriler. | |
Als Segen erweist sich [4][angesichts der aktuellen Berliner Sparpläne], | |
dass das Institut seit 22 Jahren nicht mehr vom Senat, sondern vom Bund | |
gefördert wird. Schulte Strathaus sagt, sie mache sich dennoch Sorgen. Das | |
Silent Green wird zwar privatwirtschaftlich betrieben, hat jedoch ein | |
eigenes Kulturprogramm und vermietet an kulturelle Einrichtungen. Die | |
Leiterin befürchtet, dass es schon bald aus ökonomischen Gründen weniger | |
Angebote geben könnte. | |
## Kino auf Reisen | |
Verleih, Archiv, Berlinale-Organisation – damit wird es beim Arsenal im | |
kommenden Jahr ganz normal weitergehen. Nur ein Kino wird es vorerst nicht | |
mehr geben. Auch deshalb will das Arsenal auf Tournee gehen. In Berlin und | |
anderen deutschen Städten, aber selbst in New York wird man als „Arsenal on | |
Location“ mit Partnerorganisationen vor Ort Filmabende und -reihen | |
kuratieren. | |
„Wir wollen damit zeigen, dass Kino nicht bloß ein Ort ist, sondern auch | |
ein Netzwerk, eine Community, eine Solidargemeinschaft von Menschen“, sagt | |
Schulte Strathaus. Nebenbei wolle man dabei auch recherchieren, wie andere | |
ein Kino der Gegenwart machen. | |
So ganz ist das Kapitel Arsenal-Kino am Potsdamer Platz mit dem 15. | |
Dezember ohnehin noch nicht beendet. Zur nächsten Berlinale, die Mitte | |
Februar stattfinden wird, ist der Mietvertrag offiziell zwar bereits | |
beendet. Man habe sich aber mit dem Vermieter geeinigt, den Saal für das | |
Festival noch einmal anzumieten. Zum letzten Mal als Berlinale-Kino am | |
Potsdamer Platz. | |
13 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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