# taz.de -- Kinotipp der Woche: Ungleiche Jahre | |
> Vampire der Armut und Melancholie in Athen: Die Woche der Kritik stellt | |
> in ihrer 11. Ausgabe die Klassenfrage und lädt wieder zu Konferenz und | |
> Filmen. | |
Bild: Nur Kulissse?: „What We Ask of a Statue Is That It Doesn’t Move“ (R… | |
Die Welt geht gerade unter, da ist es nur folgerichtig, sich so kämpferisch | |
zu geben wie die elfte Ausgabe des Filmfestivals [1][Woche der Kritik], das | |
wie immer weitgehend parallel zur Berlinale statt findet. „Zurück zur | |
Klassenfrage – Filme und soziale Ungleichheit“ lautet in diesem Jahr der | |
Titel der Auftaktkonferenz, die am 12. Februar in der [2][Akademie der | |
Künste] statt findet, bevor es mit dem Filmprogramm acht Tage weiter im | |
Hackesche Höfe Kino geht. | |
Dort beispielsweise mit einem Film wie „Vampires of poverty“ von Luis | |
Ospina und Carlos Mayolo. Das halbstündige Werk ist zwar bereits fast 50 | |
Jahre alt, aber sein beißender Spott über die Armut der einen, mit der die | |
anderen auch noch Geld verdienen, verfängt auch heute noch. In der | |
Mockumentary durchstreifen ein paar Leute vom Fernsehen im Auftrag eines | |
deutschen Senders die kolumbianische Stadt Cali, um mit der Kamera ein paar | |
hübsche Bilder für die bestellte Armutsreportage einzufangen. | |
Bettler werden ungefragt gefilmt, Kinder dazu animiert, nach ein paar | |
Münzen in einem Brunnen zu tauchen und dann wird noch eine ganze Familie | |
gecastet, der es eigentlich ganz gut geht, die aber erzählen soll, dass sie | |
am Hungertuch nagt. Die Menschen in Cali sind nur noch genervt von den | |
Fernsehleuten mit der guten Bezahlung aus dem reichen Deutschland und | |
klagen: Die Vampire der Armut sind wieder unterwegs. Bis einer kommt und | |
sagt: ihr könnt euch meine Armut nicht kaufen. | |
Auch in „What We Ask of a Statue Is That It Doesn’t Move“ (2023) von Daph… | |
Hérétakis haben ein paar Menschen das Gefühl, nur noch Teil einer Kulisse | |
zu sein, begafft von reichen Touristen, die in Athen nach den Spuren des | |
antiken Griechenlands suchen und sich als Höhepunkt natürlich das Parthenon | |
ansehen wollen. | |
Die jungen Leute haben langsam genug von ihrer eigenen Melancholie und | |
davon, sich selbst in diesem Athen wie Jahrtausende alte bewegungslose | |
Statuen vorzukommen. Also kommen sie auf die Idee, es so machen zu wollen | |
wie die guten alten Futuristen: der ganze überkommene Krempel muss weg und | |
das Parthenon in die Luft gesprengt werden. Wer ist mit dabei? Kaum jemand, | |
der revolutionäre Geist ist kaum irgendwo zu finden und die Melancholie | |
bleibt deshalb weiterhin grenzenlos. | |
Lang- und Kurzfilme, neue Produktionen und Klassiker, es geht mal wieder | |
drunter und drüber beim Filmprogramm der Woche der Kritik. Der Blick auf | |
die Vielfalt des globalen Kinos soll hier geschärft werden. Auch dadurch, | |
indem gezeigt wird, mit welch einfachen Mitteln und ein paar guten Ideen | |
bereits ein interessanter Film entstehen kann. | |
Beispielsweise der Kurzfilm „Tragedy“ von Bernardo Zanotta. Der Filmemacher | |
zeigt ein paar wacklige Aufnahmen einer Videokamera. Auf denen ist ein Mann | |
zu sehen und eine Frau, mal im Garten, mal in einem Haus. Dann wird | |
erzählt, dass diese Bilder einen Mord dokumentieren würden, die Spannung | |
steigt also. Man erlebt die Magie des Kinos nun in einer Art Workshop, | |
sieht, wie eine haarsträubende Geschichte entsteht, indem zu einfachen | |
Bildern etwas erzählt wird, was diesen eine neue Bedeutung verleiht. | |
Auch so ein Meisterwerk der einfachen Mittel ist „Sleep#2“ des gefeierten | |
rumänischen Regisseurs Radu Jude. Er schneidet hier das im Zeitraum eines | |
Jahres entstandene Best of von Aufnahmen einer Web-Cam aneinander, die auf | |
das Grab des Popart-Meisters Andy Warhol in Pittsburgh gerichtet ist. | |
Wie der Titel andeutet, hat man es hier mit einer Hommage an Warhols | |
Experimentalfilm „Sleep“ zu tun. Man sieht also Warhols Grab bei Tag und | |
bei Nacht, mal umschlichen von einem streunenden Hund, dann belagert von | |
einer ganzen Reisegruppe. Eine Stunde lang immer nur ein Grab zu sehen, das | |
kann, wirklich wahr, regelrecht kurzweilig sein. | |
12 Feb 2025 | |
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[1] https://wochederkritik.de/de_DE/programm-2025/ | |
[2] https://www.adk.de/de/programm/?we_objectID=67392 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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