# taz.de -- Wehrdienst: Würde ich zum Bund? | |
> Robert Habeck würde heute Wehrdienst leisten. Doch er ist ein Mann und | |
> hetero. Unser*e Kolumnist*in ist keins von beidem und hat Fragen. | |
Bild: Stillgestanden: Soldaten auf dem Marinestützpunkt Warnemünde | |
Wäre Robert Habeck noch einmal so jung wie ich, würde er den Wehrdienst | |
vermutlich nicht noch einmal verweigern. Das sagte er neulich [1][in einem | |
Podcast]. Jetzt frage ich mich: Würde ich? Würde ich zur Bundeswehr gehen? | |
Ich bin queer. Das sollte in meinem Leben eigentlich keine Rolle spielen, | |
aber das tut es manchmal. Ich muss mir überlegen, wie ich rausgehe, welchen | |
Bus ich nachts nehme und ob ich bereit bin, mich von Besoffenen in der | |
[2][Bahn bedrohen zu lassen, weil ich nicht so aussehe, wie sie es sich | |
vorstellen]. Das nervt, aber ich komme damit klar. Ich arbeite in einem | |
Umfeld, in dem mein Queer-Sein kein Thema ist, und auch mein soziales | |
Umfeld habe ich mir ausgesucht. Es lebt und liebt sich gut in Deutschland, | |
auch wenn wir von gleichen Rechten und Möglichkeiten für queere Menschen | |
noch weit entfernt sind. | |
Wenn ich an die Bundeswehr denke, fallen mir die Erzählungen meines Vaters | |
aus seinem Wehrdienst ein: [3][sexuelle Übergriffe, Misshandlungen, | |
Hierarchien und Männlichkeitskult]. Wäre die Bundeswehr ein Safe Space für | |
mich? Wohl kaum. | |
## Den Kanon an Freiheiten verteidigen | |
Aber gleichzeitig ist da auch eine andere Wahrheit. Ich lebe in einem Land, | |
das mir als queerer Person einen Kanon an Freiheiten garantiert. Es ist | |
nicht alles perfekt hier, aber es ist die beste Verfassung und der beste | |
Staat, den Deutschland je hatte. Das ermöglicht uns queeren Personen | |
überhaupt unsere Emanzipationskämpfe zu führen – und zu gewinnen. | |
Was aber sichert das Fortbestehen unserer Freiheiten? Einerseits sind da | |
die Menschen, die daran glauben, dass das hier alles eine gute Idee ist. | |
Andererseits brauchen wir ein Militär, das unseren Staat im Zweifel nach | |
außen verteidigen kann. Irgendwer [4][muss diesen Job machen]. Und um | |
ehrlich zu sein, ich fände es auch ganz gut, wenn das am Ende nicht nur | |
AfD-Anhänger und andere selbsternannte Patrioten sind. | |
Da wäre es also, mein Dilemma. Würde ich Deutschland im Kriegsfall dienen? | |
Einerseits: Ja. Zwar wohl kaum durch das Abfeuern von Schüssen, sondern mit | |
Nerdkram am Computer. Aber andererseits: Nein. Robert Habeck hat es hier | |
leichter als ich. Er ist ein Mann, weiß und hetero. Ich bin weder hetero | |
noch ein Mann. Und solange die Bundeswehr kein sicherer Ort ist, an dem ich | |
nicht mit übergriffigem Verhalten, sexualisierter Gewalt und allerlei | |
Queerphobie rechnen muss, kann ich es nicht. | |
Fehlen bei der Bundeswehr also nur ein paar Progressive-Pride-Fahnen? | |
Bräuchte es bloß jeden Morgen um fünf Uhr ein Plenum und eine Runde mit | |
Pronomen und Gefühlen und ich wäre dabei? Wohl kaum. | |
Ich glaube aber, dass liberale Gesellschaften sich tatsächlich diese Frage | |
stellen müssen: Wie können sie die Verteidigung gegen jene Kräfte, die sie | |
gerne abschaffen würden, attraktiv für Menschen wie mich machen, egal ob am | |
Gewehr oder an der Tastatur? Und nicht nur für die sechs Monate | |
Grundausbildung, sondern langfristig. (Deshalb ist auch [5][die | |
Wehrpflicht] so falsch, weil sie keines dieser Probleme löst.) | |
Denn es wäre in der Tat ganz gut, wenn die Bundeswehr nicht nur Leute | |
anziehen würde, die einen Hang zu Autorität haben, rechtsextrem sind oder | |
auf dem letzten Zweig ihrer Karrieremöglichkeiten sind. Nur so als Gedanke. | |
12 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://open.spotify.com/show/3XQFwvXDzvXcFcQKb265Uy | |
[2] /Hass-gegen-Queers-in-der-EU/!6010690 | |
[3] /Jahresbericht-der-Wehrbeauftragten/!5994898 | |
[4] /Plaene-fuer-Neuen-Wehrdienst/!6058024 | |
[5] /Gesetz-fuer-neuen-Wehrdienst/!6047316 | |
## AUTOREN | |
Elya Maurice Conrad | |
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