# taz.de -- Marinechef im Gespräch über Krieg: „Wir sind die Letzten, die H… | |
> Ehemals Pfadfinder, heute Marinechef: Jan Kaack im Gespräch über | |
> Pazifismus, Zeltbahnen und die russische Bedrohung. | |
Bild: „Vieles, was ich heute mache, habe ich bei den Pfadfindern gelernt“: … | |
An einem Morgen Ende Mai streckt mir Jan Kaack in seinem Büro im | |
Verteidigungsministerium in Berlin die linke Hand entgegen. Ich stutze und | |
erinnere mich: Stimmt, so grüßt man sich unter Pfadfindern, der kleine | |
Finger wird dabei abgespreizt. Wir haben uns lange nicht gesehen. In den | |
90ern waren wir zusammen bei den Pfadfindern nördlich von Kiel. Jan Kaack | |
ist 15 Jahre älter, er arbeitete damals schon für die Bundeswehr, leitete | |
aber ehrenamtlich unseren Bund, einen Zusammenschluss mehrerer | |
Pfadfinderstämme. Ich leitete als Jugendliche eine kleine Gruppe. Heute ist | |
er Chef der Marine. Wir sind zum Gespräch verabredet, weil auch die | |
Pfadfinder daran ihren Anteil haben, wie er bei einem Telefonat erzählte. | |
taz: Jan Kaack, ich kenne dich eigentlich nur als „Bamse“. Darf ich dich | |
auch im Interview so nennen? | |
Jan Kaack: Gerne. | |
taz: Bamse, woher kommt dieser Name? | |
Kaack: Das ist Schwedisch und heißt „Kleiner Bär“. Meine Schwester hat si… | |
das ausgedacht. Aber was der Hintergrund war, daran erinnere ich mich nicht | |
mehr. | |
taz: Man muss wissen: Bei den Pfadfindern tragen viele einen sogenannten | |
Fahrtennamen, der oft eine Eigenart abbildet. | |
Kaack: Jemand heißt Hüpf, weil er hüpft, oder Schlampi, weil er eine | |
gewisse Neigung zu Unordnung hat, und ich bin eben getauft auf Bamse, | |
wahrscheinlich ob meiner zierlichen Figur. | |
taz: Identifizierst du dich noch mit dem Namen? | |
Kaack: Ich identifiziere mich mit dem, was ich bei den Pfadfindern gewesen | |
bin, ob als Bamse oder als Jan ist sekundär. Was ich da erlebt habe, die | |
Freunde, die ich gefunden habe, das lässt mich nicht kalt. | |
taz: Wie genau haben die Pfadfinder dich geprägt? | |
Kaack: Ich kann das am besten über die Fahrten erklären. Als Jugendlicher | |
mit Verantwortung für sechs andere Jugendliche zwei oder drei Wochen durch | |
die schwedische Wildnis zu wandern, das zeigt einem, was Führung bedeutet. | |
The Beauty of Leadership, würde ich heute sagen. Welche Fähigkeiten | |
Menschen haben, was wichtig ist im Umgang mit ihnen. Wir haben die | |
Zeltbahnen getragen, jemand musste das Essen nehmen, den Kochtopf, die Axt. | |
Sich im Team zu verständigen, was man leisten kann, wie man die Dinge | |
verteilt, das habe ich da schon erlebt. | |
taz: Der Zusammenhalt war wichtig. Man war füreinander da. | |
Kaack: Zu 100 Prozent. Das zeigt sich in Extremsituationen, aber sonst | |
auch. | |
taz: Du bist 1982 zur Bundeswehr gegangen und kamst schnell in | |
Leitungsfunktionen. Heute bist du [1][Inspekteur der Marine]. Für diesen | |
Weg waren die Erfahrungen bei den Pfadfindern hilfreich? | |
Kaack: Ja, diese Zeit hat mich wirklich sehr bestimmt. Ich war erst auf | |
Schnellbooten. Wenn man eine Gruppe von 30 Menschen auf einem Schnellboot | |
für eine Idee begeistern kann, dann ist das nichts anderes, als wenn ich | |
die Pfadfinder dafür begeistere, ein neues Pfadfinderheim zu bauen. Das | |
lässt sich ganz abstrakt sogar auf rund 16.000 Menschen in der Deutschen | |
Marine übertragen, es ist nur ein bisschen schwieriger und dauert länger. | |
Letztlich kann ich sagen: Vieles, was ich heute mache, habe ich bei den | |
Pfadfindern gelernt. | |
taz: Was zum Beispiel? | |
Kaack: Das Prinzip, den Einzelnen im Blick zu haben, niemanden | |
zurückzulassen. Für seine Überzeugungen einzutreten und dafür zu werben. | |
Sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und sich mit Menschen zu umgeben, die | |
sich trauen, dir auch mal den Spiegel vorzuhalten. Das ist ganz wichtig in | |
meiner jetzigen Position. Ich hatte immer Leute um mich, die mir unter uns | |
auch mal gesagt haben: So wollen Sie doch nicht wirklich wirken, oder? | |
Verlässlichkeit und Ruhe zu bewahren. Wenn man in der Wildnis steht mit | |
einer Gruppe Jugendlicher und es gibt ein Problem, alle gucken auf einen: | |
Dann muss man ruhig bleiben, abwägen, einen Ausweg finden. | |
taz: Ruhe bewahren musst du heute sicher öfters. Du bist im Januar 2022 | |
Marinechef geworden, erst kommissarisch, ab März offiziell. Du hast diesen | |
Job also einen Monat vor dem [2][Überfall Russlands auf die Ukraine] | |
übernommen. Wir haben bei den Pfadfindern gelernt, Verantwortung zu | |
übernehmen, aber das ist dann doch sehr viel Verantwortung. | |
Kaack: Ich war seit Oktober 2021 Stellvertreter des Inspekteurs. Wir haben | |
uns auf alle Möglichkeiten vorbereitet, auch auf die schlimmste. Wir haben | |
nicht wirklich gedacht, dass Putin das wagt, aber wir haben es ins Kalkül | |
gezogen. Dann kam der 24. Februar. Meine ersten Gedanken waren bei den | |
Besatzungen draußen. Was passiert jetzt in der Ostsee? Wie fühlen sich | |
unsere Partner im Osten? Ich habe mit unseren Freunden im Baltikum, in | |
Finnland und Schweden gesprochen und am nächsten Tag befohlen: Alles, was | |
schwimmt, geht raus. Die ganze Flotte in den Osten, um ein Zeichen zu | |
setzen: Ihr seid nicht allein. | |
taz: Die Hälfte der Schiffe lag am 24. Februar in Werften. So richtig | |
verteidigungsfähig war Deutschland auf dem Wasser nicht. | |
Kaack: Es hätte besser sein können. Aber die Frage ist ja, stecke ich dann | |
auf, oder mache ich etwas mit dem, was da ist. Unsere Partner im Baltikum | |
waren in großer Sorge. In diesen Zeiten mit der Fregatte Sachsen 6.000 | |
Tonnen Solidarität im Hafen von Tallinn liegen zu haben, das war sehr | |
wertvoll. | |
taz: Drei Tage später hat Olaf Scholz die [3][Zeitenwende] ausgerufen. | |
Warst du da im Bundestag? | |
Kaack: Nein, aber es reichte trotzdem für Gänsehaut. Weil ich das Gefühl | |
hatte, Deutschland hat verstanden, dass es Verantwortung übernehmen muss | |
für andere, so wie andere Verantwortung für uns übernommen haben bis 1989. | |
Und dass die Bundeswehr, die Deutschland schützt, besser ausgestattet | |
werden muss. Wir wissen ja alle, dass in den letzten 30 Jahren Raubbau | |
getrieben wurde an den Streitkräften. | |
taz: Seit dem 24. Februar gibt es wieder einen konventionellen Krieg in | |
Europa. Wie hat das die Stimmung in der Truppe verändert? | |
Kaack: Ich nehme eine neue Ernsthaftigkeit wahr. Mit dem Befehl „Alles, was | |
schwimmt, geht raus“ ging ein Ruck durch die Marine, emotional, aber auch | |
organisatorisch. | |
taz: Inwiefern? | |
Kaack: Wir mussten vieles neu denken. Wie können wir Strukturen und | |
Verfahren verbessern, um unsere Schiffe schneller und besser ausgestattet | |
zu bekommen? Wenn ich beispielsweise Munition brauche zusätzlich zu der, | |
die sowieso an Bord ist, muss ich normalerweise einen Antrag stellen, damit | |
mir ein Depot die Munition zuliefert. Das kann schon eine Zeit lang dauern. | |
Wir hatten aber keine Zeit. Wir mussten das Ziel fest im Blick haben und | |
die ein oder andere alte Mauer beiseiteschieben. Dieser Spirit begleitet | |
uns seitdem. | |
taz: Konntest du in dieser Zeit nachts schlafen? | |
Kaack: Es gab sehr viel zu tun, deshalb waren die Nächte manchmal kurz. | |
Aber ich habe ein gutes Team, Menschen, die in die gleiche Richtung | |
arbeiten. | |
taz: Die Lage hat sich in den letzten drei Jahren noch verschärft. In der | |
Ostsee werden [4][Unterseekabel beschädigt], es gibt Sabotageaktionen an | |
Schiffen der Marine und Spionageversuche. Sind wir schon im Krieg? | |
Kaack: Was wir sehen, ist nicht Artikel 5 … | |
taz: … also kein bewaffneter Angriff auf einen Mitgliedsstaat der Nato. | |
Kaack: Aber es ist auch nicht mehr Frieden. Sabotageversuche bei unseren | |
Schiffen, Ausspähversuche in den Kasernen, Drohnenüberflüge und Angriffe | |
auf die kritische maritime Infrastruktur, ein zunehmend aggressiveres | |
Verhalten der russischen Marine in der Ostsee. Man testet uns. Dazu | |
beobachten wir seit Jahren die Anstrengungen der russischen Marine im | |
Bereich Unterwasser. Sie sind da ziemlich weit entwickelt. Wir beobachten | |
Forschungsschiffe der Russen, die für die Strecke von Skagen nach St. | |
Petersburg, für die man normalerweise zehn Tage braucht, 310 Tage unterwegs | |
sind, und dies immer schön entlang kritischer maritimer Infrastruktur. Also | |
nein, wir sind nicht im Krieg. Und wir tun alles, um deutlich zu machen: | |
Versucht es besser nicht. | |
taz: Wenige Tage nach dem Amtsantritt des [5][alten neuen | |
Verteidigungsministers Pistorius] hast du ein Papier vorgestellt, den | |
[6][„Kurs Marine“]. Darin warnt ihr: Spätestens 2029 sei Russland in der | |
Lage, auch die Nato anzugreifen. Was könnte das für die Ostsee heißen? | |
Kaack: Hinter der hybriden Aggression baut sich eine existenzielle | |
konventionelle Bedrohung auf, hier sind sich die Geheimdienste einig. | |
Russland hat seine Wirtschaft auf Kriegswirtschaft umgestellt. Im Falle | |
eines Konflikts könnte es versuchen, die Nato zunächst mit konventionellen | |
Mitteln aus der Ostsee zu drängen und eine See- und Lufthoheit aufzubauen. | |
Von Kaliningrad und St. Petersburg aus könnten sie versuchen, die Region zu | |
kontrollieren, die Nachschubwege im Baltikum und Skandinavien zu stören, | |
diese Länder zu isolieren und sie im schlimmsten Fall zu besetzen. Unsere | |
Aufgabe ist klar: Das müssen wir durch Abschreckung verhindern. Und daran | |
arbeiten wir mit Nachdruck: Verteidigungsbereitschaft und | |
Abschreckungsfähigkeit. | |
taz: Im Moment bist du allerdings der Inspekteur mit der kleinsten Marine | |
in der deutschen Nachkriegsgeschichte … | |
Kaack: Das versuchen wir zu ändern. Für die Zukunftsflotte brauchen wir | |
einen hybriden Ansatz von bemannten und unbemannten Systemen. Weil | |
Beschaffung dauert, nehmen wir zusätzlich unsere bestehende Flotte jetzt | |
anders in den Fokus. Sie muss besser verfügbar und besser ausgerüstet sein. | |
Wir sind inzwischen auch schneller bei Innovationen. Wir haben letztes Jahr | |
beispielsweise ein großes unbemanntes Unterwasserfahrzeug getestet, es wird | |
dieses Jahr eingeführt. Das ging verdammt schnell. | |
taz: Manche sagen, das Szenario 2029 werde strategisch genutzt, um die | |
Bevölkerung für die hohen Militärausgaben zu gewinnen. | |
Kaack: Das ist doch absurd, wenn man sich anschaut, welche Brutalität | |
Russland in der Ukraine seit über drei Jahren an den Tag legt. Mir ist | |
bewusst, dass die Zeit, in der wir leben, Ängste bei den Menschen schüren | |
kann. Wir wollen nicht alarmistisch wirken. Aber den Ernst der Lage müssen | |
wir schon vermitteln. Wir müssen uns darauf einstellen, dass Russland | |
allerspätestens 2029 in der Lage sein wird, auch Nato-Gebiet anzugreifen. | |
Das ist auch eine gesamtgesellschaftliche Frage. | |
taz: Der russische Überfall auf die Ukraine hat die Gesellschaft bereits | |
verändert. | |
Kaack: Auf jeden Fall. Auf einmal war da ein ganz großes Interesse am Thema | |
Sicherheit. Menschen in Uniform, die am Wochenende nach Hause gefahren | |
sind, wurde nach dem 24. Februar auch schon mal auf die Schulter geklopft | |
und gesagt: Danke für euren Dienst. Es gibt auch ein größeres Interesse der | |
Medien. | |
taz: Zum Beispiel der taz. Wir haben eine starke Pazifismustradition. Bei | |
vielen Kolleg*innen herrscht seit dem Überfall auf die Ukraine eine | |
gewisse Ratlosigkeit. Die Notwendigkeit der Bewaffnung ist ja schwer zu | |
bestreiten. | |
Kaack: Wir haben auch eine starke Tradition, den Frieden zu bewahren. | |
Soldatinnen und Soldaten wissen, was Krieg bedeutet. Wir sind die Letzten, | |
die Hurra schreien, wenn es dazu käme. | |
taz: Anders als du habe ich ein großes Unbehagen angesichts des | |
Wettrüstens. Es wird wahnsinnig viel Geld für Dinge ausgegeben, von denen | |
man hofft, dass man sie nie braucht. Die Anschaffung einer Fregatte ist | |
genauso teuer wie das gesamte Wohngeld für das Jahr 2024, nämlich [7][2,5 | |
Milliarden Euro], hat eine Kollegin ausgerechnet. | |
Kaack: Solche Vergleiche sind schwierig. Natürlich kann sich jeder | |
vorstellen, Geld für andere Dinge auszugeben. Der innere Frieden ist extrem | |
wichtig, die Gesellschaft darf nicht auseinanderbrechen. Aber ohne Freiheit | |
und Sicherheit ist alles nichts. Dass diese hohen Kosten jetzt kommen, | |
liegt auch daran, dass unsere Schiffe teilweise 30 oder 40 Jahre alt sind. | |
Und dass die Zeiten, in denen wir sie zu anderen Preisen stetig hätten | |
ersetzen können, nicht genutzt wurden. Es ist wichtig, dass Verteidigung | |
ernst genommen wird, sie ist kein Selbstzweck. | |
taz: Wahrscheinlich passt es, dass du bei der Marine gelandet bist und ich | |
bei der taz. Auch bei den Pfadfindern gibt es ja zwei Einflüsse, den eher | |
militärisch geprägten von den Scouts und den der Jugendbewegung. | |
Kaack: Was die deutschen Pfadfinder ausmacht, sind beide Stränge unserer | |
Geschichte. Militärisch würde ich den Einfluss der Scouts nicht nennen, für | |
mich haben sie das Waldläuferwesen reingebracht. Mich hat fasziniert, mit | |
Seilen umzugehen, Konstruktionen zu machen, Spuren zu lesen, diese | |
Waldläufersachen fand ich klasse. Dann gibt es bei den Pfadfindern den | |
musischen Anteil aus dem Wandervogel, mit den romantischen Ansätzen, dem | |
Singen, dem Werken, sich für andere Kulturen interessieren, das | |
Fahrtenerlebnis. | |
taz: Ich war in der Singfraktion und morgens müde, weil wir nachts oft sehr | |
lange am Feuer saßen. Ich erinnere mich an Morgenrunden, die du geleitet | |
hast, da warst du mir manchmal ein bisschen zu zackig. | |
Kaack: Das kann schon sein. Meine Erkenntnis war: Wenn man mit 200 Leuten | |
auf Fahrt geht ins Ausland, muss es ein Grundgerüst an Ordnung geben, sonst | |
hat man schnell Chaos. Wie viel Ordnung in einer Jugendgruppe nötig ist, | |
muss man ständig abwägen. Von überzogenem Zackigsein halte ich jedoch | |
nichts. | |
taz: Wir haben früher manchmal ein Lied über die Edelweißpiraten gesungen, | |
eine Widerstandsgruppe in der Nazizeit. Das ist auch pazifistisch. „Doch | |
seh’ ich Tausende – und das beruhigt mich sehr –, die zeigen offen das | |
zerbrochene Gewehr. Und das macht Mut.“ Ich habe das inbrünstig gesungen. | |
Du auch? | |
Kaack: Alle! | |
taz: Für mich hieß das so viel wie: Frieden schaffen ohne Waffen! Das | |
fandest du gut? | |
Kaack: In der Situation der Edelweißpiraten war das mit dem zerbrochenen | |
Gewehr ja richtig. In so einer Situation würde ich mir wünschen, dass wir | |
mit oder ohne Gewehr zusammenstehen und so ein Unrechtsregime gar nicht | |
erst wieder zulassen. Heute ist die Lage leider so, dass wir Waffen | |
brauchen, um unsere Freiheit nach außen zu verteidigen. | |
taz: Mit der Wahl Trumps ist das noch dringender geworden. Seitdem ist | |
fraglich, ob Europa sich auf die USA als Verbündeten noch verlassen kann. | |
Deutlich wurde das spätestens bei der [8][Rede von Vizepräsident J. D. | |
Vance] auf der Münchener Sicherheitskonferenz, bei der er den Deutschen | |
demokratische Defizite vorgeworfen hat. Wie hast du das erlebt? | |
Kaack: Ich saß in der siebten Reihe. Das war eine bemerkenswerte Rede, die | |
ich unter Freunden so nicht gehalten hätte. Nicht, wenn man internationale | |
Kooperationen ernst meint. Aber was sehe ich seitdem bei meinen Freunden | |
der US-Navy in Europa? Keine Änderung, weiterhin die komplette | |
Verlässlichkeit. Sie schicken die gleiche Anzahl von Schiffen zu den | |
Übungen in Nordatlantik und Ostsee, wir sind weiter in enger Absprache. | |
Aber wir stellen uns darauf ein, dass wir mehr Verantwortung übernehmen | |
müssen. | |
taz: Dafür braucht ihr nicht nur eine bessere Ausrüstung, sondern vor allem | |
mehr Personal. | |
Kaack: Personal ist absolut essenziell. Wir unternehmen sehr große | |
Anstrengungen, um hier nach vorne zu kommen. Beispielsweise hatten wir im | |
letzten Jahr 1.000 Praktikanten in der Truppe, wir haben unsere Präsenz in | |
den sozialen Medien erhöht und vieles mehr. Mit guten Ergebnissen: Letztes | |
Jahr gab es 15 Prozent mehr Neueinstellungen bei der Marine, die Kurve geht | |
das erste Mal seit Jahren leicht nach oben. Das reicht aber nicht aus. Wir | |
müssen auch die Anzahl derer, die wir bewerben dürfen, erhöhen. | |
taz: Was heißt das? | |
Kaack: Wir brauchen einen effektiven Wehrdienst – zum einen, um unsere | |
Verteidigungsbereitschaft schnell zu erreichen, zum anderen auch, um jungen | |
Menschen ein Verständnis davon zu geben, was Streitkräfte machen und welche | |
Chancen sie bieten. Früher haben wir 25 bis 30 Prozent der Längerdienenden | |
aus den Wehrpflichtdienenden gezogen. Ich habe auch mal so angefangen. | |
Darüber hinaus werbe ich dafür, darüber nachzudenken, ob wir die | |
Streitkräfte nicht auch für europäische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger | |
öffnen sollten. | |
taz: Wäre die Marine denn in der Lage, Wehrdienstleistende aufzunehmen? | |
Kaack: Absolut. Wir können bis zu 1.650 noch in diesem Jahr aufnehmen und | |
das kann sukzessive nach oben gehen. Zusätzlich zu den drei Schulen, die | |
wir für die Grundausbildung haben, bauen wir Kapazitäten an zwei | |
Stützpunkten auf. | |
taz: Wird ein freiwilliger Wehrdienst reichen? Oder braucht es doch wieder | |
eine Wehrpflicht? | |
Kaack: Es ist ein erster Schritt. Ich bin ein Freund davon, anzufangen und | |
nachzusteuern, wenn es nötig wird. | |
taz: Beim freiwilligen Wehrdienst müsst ihr attraktiv werden für breite | |
Teile der Bevölkerung. In linken Milieus ist es bislang nicht gerade | |
angesagt, zur Bundeswehr zu gehen. Wie wollt ihr das ändern? | |
Kaack: Durch Kommunikation, durch Transparenz und Wahrhaftigkeit. Es gibt | |
genügend Menschen, die keine Ahnung haben, wie die Marine ist und welche | |
Aufgaben sie hat. Die zu gewinnen, da würde ich Kraft reinsetzen, und nicht | |
in die, die dagegen sind. | |
taz: Mal so ein linkes Vorurteil: Trifft man bei der Bundeswehr nicht auch | |
viel auf rechte Deppen? | |
Kaack: Auf jeden Fall trifft man, wie im wahren Leben, auch auf Deppen. | |
Extremisten jeglicher Couleur verraten unsere Werte Wir haben da sehr klare | |
rote Linien aufgezeigt. Das wird rigoros verfolgt, solche Menschen wollen | |
wir in der Bundeswehr nicht haben. Die Menschen, die ich in der Marine | |
erlebe, stehen fest zu unseren demokratischen Werten und sind einem | |
gemeinsamen Ziel verpflichtet: Deutschland und seine Menschen zur See zu | |
schützen. Dafür nehmen sie große Härten in Kauf. | |
taz: Du bist an der Ostsee aufgewachsen und lebst dort auch heute. Wenn du | |
am Strand stehst, was siehst du da? Freiheit und Weite? Oder hältst du | |
Ausschau nach russischen Schiffen? | |
Kaack: Da rauszugucken, das fühlt sich stark nach Heimat an. Die Ostsee ist | |
für mich ein Meer mit vielen Freunden und ein Meer mit einigen | |
Fragezeichen, auf die wir besser aufpassen sollten. Klar, wenn die Welle | |
acht Meter hoch ist, ist das Meer auch Bedrohung. Aber ansonsten ist es | |
wunderschön. | |
7 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bundeswehr.de/de/organisation/marine/aktuelles/jan-christian-ka… | |
[2] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150 | |
[3] /Deutsche-Reaktion-auf-Russlands-Krieg/!5876987 | |
[4] /Sabotage-Verdacht/!6071177 | |
[5] /Boris-Pistorius/!t5018135 | |
[6] https://www.bundeswehr.de/de/organisation/marine/aktuelles/kurs-marine-2025… | |
[7] /Ruestungsausgaben/!6074327 | |
[8] /Muenchener-Sicherheitskonferenz/!6066767 | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
## TAGS | |
wochentaz | |
Pfadfinder | |
Deutsche Marine | |
Interview | |
GNS | |
Kiel | |
Freiwilligendienst | |
Deutsche Marine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Kolumne Änder Studies | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Aktionen auf der Kieler Woche: Protest gegen Klima-Killer Krieg | |
Die Marine präsentiert zum Start der Kieler Woche Kriegsgerät zum Anfassen. | |
Aktivist*innen kritisieren die „familienfreundliche“ Aktion. | |
Diskussion um Wehrdienst in Deutschland: Sozialverbände wenden sich gegen allg… | |
AWO, Diakonie und Rotes Kreuz halten Pflichtjahre für junge Menschen für | |
unnötig. Stattdessen fordern sie, Freiwilligendienste besser zu | |
finanzieren. | |
Bundeswehr auf Minensuche: Unruhige See | |
Schattenflotten, Sabotage und Datenkabel – die Ostsee ist seit Russlands | |
Angriff zum Brennpunkt geworden. Unterwegs mit der deutschen Marine. | |
Krieg in der Ukraine: Wie Russland Jugendliche für den Terror gewinnt | |
Über Telegram werden ukrainische Jugendliche rekrutiert, um Terroranschläge | |
zu verüben. Für die jungen Täter geht der Auftrag oftmals tödlich aus. | |
Wehrdienst: Würde ich zum Bund? | |
Robert Habeck würde heute Wehrdienst leisten. Doch er ist ein Mann und | |
hetero. Unser*e Kolumnist*in ist keins von beidem und hat Fragen. | |
„Maritimes Hauptquartier“ der Nato: Aufregung lohnt nicht | |
Das neue „Hauptquartier“ der Nato in Rostock sorgt für Aufregung. Dabei | |
wird eigentlich nur Personal aufgestockt, das Marinekommando ist dort seit | |
2012. |