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# taz.de -- Marinechef im Gespräch über Krieg: „Wir sind die Letzten, die H…
> Ehemals Pfadfinder, heute Marinechef: Jan Kaack im Gespräch über
> Pazifismus, Zeltbahnen und die russische Bedrohung.
Bild: „Vieles, was ich heute mache, habe ich bei den Pfadfindern gelernt“: …
An einem Morgen Ende Mai streckt mir Jan Kaack in seinem Büro im
Verteidigungsministerium in Berlin die linke Hand entgegen. Ich stutze und
erinnere mich: Stimmt, so grüßt man sich unter Pfadfindern, der kleine
Finger wird dabei abgespreizt. Wir haben uns lange nicht gesehen. In den
90ern waren wir zusammen bei den Pfadfindern nördlich von Kiel. Jan Kaack
ist 15 Jahre älter, er arbeitete damals schon für die Bundeswehr, leitete
aber ehrenamtlich unseren Bund, einen Zusammenschluss mehrerer
Pfadfinderstämme. Ich leitete als Jugendliche eine kleine Gruppe. Heute ist
er Chef der Marine. Wir sind zum Gespräch verabredet, weil auch die
Pfadfinder daran ihren Anteil haben, wie er bei einem Telefonat erzählte.
taz: Jan Kaack, ich kenne dich eigentlich nur als „Bamse“. Darf ich dich
auch im Interview so nennen?
Jan Kaack: Gerne.
taz: Bamse, woher kommt dieser Name?
Kaack: Das ist Schwedisch und heißt „Kleiner Bär“. Meine Schwester hat si…
das ausgedacht. Aber was der Hintergrund war, daran erinnere ich mich nicht
mehr.
taz: Man muss wissen: Bei den Pfadfindern tragen viele einen sogenannten
Fahrtennamen, der oft eine Eigenart abbildet.
Kaack: Jemand heißt Hüpf, weil er hüpft, oder Schlampi, weil er eine
gewisse Neigung zu Unordnung hat, und ich bin eben getauft auf Bamse,
wahrscheinlich ob meiner zierlichen Figur.
taz: Identifizierst du dich noch mit dem Namen?
Kaack: Ich identifiziere mich mit dem, was ich bei den Pfadfindern gewesen
bin, ob als Bamse oder als Jan ist sekundär. Was ich da erlebt habe, die
Freunde, die ich gefunden habe, das lässt mich nicht kalt.
taz: Wie genau haben die Pfadfinder dich geprägt?
Kaack: Ich kann das am besten über die Fahrten erklären. Als Jugendlicher
mit Verantwortung für sechs andere Jugendliche zwei oder drei Wochen durch
die schwedische Wildnis zu wandern, das zeigt einem, was Führung bedeutet.
The Beauty of Leadership, würde ich heute sagen. Welche Fähigkeiten
Menschen haben, was wichtig ist im Umgang mit ihnen. Wir haben die
Zeltbahnen getragen, jemand musste das Essen nehmen, den Kochtopf, die Axt.
Sich im Team zu verständigen, was man leisten kann, wie man die Dinge
verteilt, das habe ich da schon erlebt.
taz: Der Zusammenhalt war wichtig. Man war füreinander da.
Kaack: Zu 100 Prozent. Das zeigt sich in Extremsituationen, aber sonst
auch.
taz: Du bist 1982 zur Bundeswehr gegangen und kamst schnell in
Leitungsfunktionen. Heute bist du [1][Inspekteur der Marine]. Für diesen
Weg waren die Erfahrungen bei den Pfadfindern hilfreich?
Kaack: Ja, diese Zeit hat mich wirklich sehr bestimmt. Ich war erst auf
Schnellbooten. Wenn man eine Gruppe von 30 Menschen auf einem Schnellboot
für eine Idee begeistern kann, dann ist das nichts anderes, als wenn ich
die Pfadfinder dafür begeistere, ein neues Pfadfinderheim zu bauen. Das
lässt sich ganz abstrakt sogar auf rund 16.000 Menschen in der Deutschen
Marine übertragen, es ist nur ein bisschen schwieriger und dauert länger.
Letztlich kann ich sagen: Vieles, was ich heute mache, habe ich bei den
Pfadfindern gelernt.
taz: Was zum Beispiel?
Kaack: Das Prinzip, den Einzelnen im Blick zu haben, niemanden
zurückzulassen. Für seine Überzeugungen einzutreten und dafür zu werben.
Sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und sich mit Menschen zu umgeben, die
sich trauen, dir auch mal den Spiegel vorzuhalten. Das ist ganz wichtig in
meiner jetzigen Position. Ich hatte immer Leute um mich, die mir unter uns
auch mal gesagt haben: So wollen Sie doch nicht wirklich wirken, oder?
Verlässlichkeit und Ruhe zu bewahren. Wenn man in der Wildnis steht mit
einer Gruppe Jugendlicher und es gibt ein Problem, alle gucken auf einen:
Dann muss man ruhig bleiben, abwägen, einen Ausweg finden.
taz: Ruhe bewahren musst du heute sicher öfters. Du bist im Januar 2022
Marinechef geworden, erst kommissarisch, ab März offiziell. Du hast diesen
Job also einen Monat vor dem [2][Überfall Russlands auf die Ukraine]
übernommen. Wir haben bei den Pfadfindern gelernt, Verantwortung zu
übernehmen, aber das ist dann doch sehr viel Verantwortung.
Kaack: Ich war seit Oktober 2021 Stellvertreter des Inspekteurs. Wir haben
uns auf alle Möglichkeiten vorbereitet, auch auf die schlimmste. Wir haben
nicht wirklich gedacht, dass Putin das wagt, aber wir haben es ins Kalkül
gezogen. Dann kam der 24. Februar. Meine ersten Gedanken waren bei den
Besatzungen draußen. Was passiert jetzt in der Ostsee? Wie fühlen sich
unsere Partner im Osten? Ich habe mit unseren Freunden im Baltikum, in
Finnland und Schweden gesprochen und am nächsten Tag befohlen: Alles, was
schwimmt, geht raus. Die ganze Flotte in den Osten, um ein Zeichen zu
setzen: Ihr seid nicht allein.
taz: Die Hälfte der Schiffe lag am 24. Februar in Werften. So richtig
verteidigungsfähig war Deutschland auf dem Wasser nicht.
Kaack: Es hätte besser sein können. Aber die Frage ist ja, stecke ich dann
auf, oder mache ich etwas mit dem, was da ist. Unsere Partner im Baltikum
waren in großer Sorge. In diesen Zeiten mit der Fregatte Sachsen 6.000
Tonnen Solidarität im Hafen von Tallinn liegen zu haben, das war sehr
wertvoll.
taz: Drei Tage später hat Olaf Scholz die [3][Zeitenwende] ausgerufen.
Warst du da im Bundestag?
Kaack: Nein, aber es reichte trotzdem für Gänsehaut. Weil ich das Gefühl
hatte, Deutschland hat verstanden, dass es Verantwortung übernehmen muss
für andere, so wie andere Verantwortung für uns übernommen haben bis 1989.
Und dass die Bundeswehr, die Deutschland schützt, besser ausgestattet
werden muss. Wir wissen ja alle, dass in den letzten 30 Jahren Raubbau
getrieben wurde an den Streitkräften.
taz: Seit dem 24. Februar gibt es wieder einen konventionellen Krieg in
Europa. Wie hat das die Stimmung in der Truppe verändert?
Kaack: Ich nehme eine neue Ernsthaftigkeit wahr. Mit dem Befehl „Alles, was
schwimmt, geht raus“ ging ein Ruck durch die Marine, emotional, aber auch
organisatorisch.
taz: Inwiefern?
Kaack: Wir mussten vieles neu denken. Wie können wir Strukturen und
Verfahren verbessern, um unsere Schiffe schneller und besser ausgestattet
zu bekommen? Wenn ich beispielsweise Munition brauche zusätzlich zu der,
die sowieso an Bord ist, muss ich normalerweise einen Antrag stellen, damit
mir ein Depot die Munition zuliefert. Das kann schon eine Zeit lang dauern.
Wir hatten aber keine Zeit. Wir mussten das Ziel fest im Blick haben und
die ein oder andere alte Mauer beiseiteschieben. Dieser Spirit begleitet
uns seitdem.
taz: Konntest du in dieser Zeit nachts schlafen?
Kaack: Es gab sehr viel zu tun, deshalb waren die Nächte manchmal kurz.
Aber ich habe ein gutes Team, Menschen, die in die gleiche Richtung
arbeiten.
taz: Die Lage hat sich in den letzten drei Jahren noch verschärft. In der
Ostsee werden [4][Unterseekabel beschädigt], es gibt Sabotageaktionen an
Schiffen der Marine und Spionageversuche. Sind wir schon im Krieg?
Kaack: Was wir sehen, ist nicht Artikel 5 …
taz: … also kein bewaffneter Angriff auf einen Mitgliedsstaat der Nato.
Kaack: Aber es ist auch nicht mehr Frieden. Sabotageversuche bei unseren
Schiffen, Ausspähversuche in den Kasernen, Drohnenüberflüge und Angriffe
auf die kritische maritime Infrastruktur, ein zunehmend aggressiveres
Verhalten der russischen Marine in der Ostsee. Man testet uns. Dazu
beobachten wir seit Jahren die Anstrengungen der russischen Marine im
Bereich Unterwasser. Sie sind da ziemlich weit entwickelt. Wir beobachten
Forschungsschiffe der Russen, die für die Strecke von Skagen nach St.
Petersburg, für die man normalerweise zehn Tage braucht, 310 Tage unterwegs
sind, und dies immer schön entlang kritischer maritimer Infrastruktur. Also
nein, wir sind nicht im Krieg. Und wir tun alles, um deutlich zu machen:
Versucht es besser nicht.
taz: Wenige Tage nach dem Amtsantritt des [5][alten neuen
Verteidigungsministers Pistorius] hast du ein Papier vorgestellt, den
[6][„Kurs Marine“]. Darin warnt ihr: Spätestens 2029 sei Russland in der
Lage, auch die Nato anzugreifen. Was könnte das für die Ostsee heißen?
Kaack: Hinter der hybriden Aggression baut sich eine existenzielle
konventionelle Bedrohung auf, hier sind sich die Geheimdienste einig.
Russland hat seine Wirtschaft auf Kriegswirtschaft umgestellt. Im Falle
eines Konflikts könnte es versuchen, die Nato zunächst mit konventionellen
Mitteln aus der Ostsee zu drängen und eine See- und Lufthoheit aufzubauen.
Von Kaliningrad und St. Petersburg aus könnten sie versuchen, die Region zu
kontrollieren, die Nachschubwege im Baltikum und Skandinavien zu stören,
diese Länder zu isolieren und sie im schlimmsten Fall zu besetzen. Unsere
Aufgabe ist klar: Das müssen wir durch Abschreckung verhindern. Und daran
arbeiten wir mit Nachdruck: Verteidigungsbereitschaft und
Abschreckungsfähigkeit.
taz: Im Moment bist du allerdings der Inspekteur mit der kleinsten Marine
in der deutschen Nachkriegsgeschichte …
Kaack: Das versuchen wir zu ändern. Für die Zukunftsflotte brauchen wir
einen hybriden Ansatz von bemannten und unbemannten Systemen. Weil
Beschaffung dauert, nehmen wir zusätzlich unsere bestehende Flotte jetzt
anders in den Fokus. Sie muss besser verfügbar und besser ausgerüstet sein.
Wir sind inzwischen auch schneller bei Innovationen. Wir haben letztes Jahr
beispielsweise ein großes unbemanntes Unterwasserfahrzeug getestet, es wird
dieses Jahr eingeführt. Das ging verdammt schnell.
taz: Manche sagen, das Szenario 2029 werde strategisch genutzt, um die
Bevölkerung für die hohen Militärausgaben zu gewinnen.
Kaack: Das ist doch absurd, wenn man sich anschaut, welche Brutalität
Russland in der Ukraine seit über drei Jahren an den Tag legt. Mir ist
bewusst, dass die Zeit, in der wir leben, Ängste bei den Menschen schüren
kann. Wir wollen nicht alarmistisch wirken. Aber den Ernst der Lage müssen
wir schon vermitteln. Wir müssen uns darauf einstellen, dass Russland
allerspätestens 2029 in der Lage sein wird, auch Nato-Gebiet anzugreifen.
Das ist auch eine gesamtgesellschaftliche Frage.
taz: Der russische Überfall auf die Ukraine hat die Gesellschaft bereits
verändert.
Kaack: Auf jeden Fall. Auf einmal war da ein ganz großes Interesse am Thema
Sicherheit. Menschen in Uniform, die am Wochenende nach Hause gefahren
sind, wurde nach dem 24. Februar auch schon mal auf die Schulter geklopft
und gesagt: Danke für euren Dienst. Es gibt auch ein größeres Interesse der
Medien.
taz: Zum Beispiel der taz. Wir haben eine starke Pazifismustradition. Bei
vielen Kolleg*innen herrscht seit dem Überfall auf die Ukraine eine
gewisse Ratlosigkeit. Die Notwendigkeit der Bewaffnung ist ja schwer zu
bestreiten.
Kaack: Wir haben auch eine starke Tradition, den Frieden zu bewahren.
Soldatinnen und Soldaten wissen, was Krieg bedeutet. Wir sind die Letzten,
die Hurra schreien, wenn es dazu käme.
taz: Anders als du habe ich ein großes Unbehagen angesichts des
Wettrüstens. Es wird wahnsinnig viel Geld für Dinge ausgegeben, von denen
man hofft, dass man sie nie braucht. Die Anschaffung einer Fregatte ist
genauso teuer wie das gesamte Wohngeld für das Jahr 2024, nämlich [7][2,5
Milliarden Euro], hat eine Kollegin ausgerechnet.
Kaack: Solche Vergleiche sind schwierig. Natürlich kann sich jeder
vorstellen, Geld für andere Dinge auszugeben. Der innere Frieden ist extrem
wichtig, die Gesellschaft darf nicht auseinanderbrechen. Aber ohne Freiheit
und Sicherheit ist alles nichts. Dass diese hohen Kosten jetzt kommen,
liegt auch daran, dass unsere Schiffe teilweise 30 oder 40 Jahre alt sind.
Und dass die Zeiten, in denen wir sie zu anderen Preisen stetig hätten
ersetzen können, nicht genutzt wurden. Es ist wichtig, dass Verteidigung
ernst genommen wird, sie ist kein Selbstzweck.
taz: Wahrscheinlich passt es, dass du bei der Marine gelandet bist und ich
bei der taz. Auch bei den Pfadfindern gibt es ja zwei Einflüsse, den eher
militärisch geprägten von den Scouts und den der Jugendbewegung.
Kaack: Was die deutschen Pfadfinder ausmacht, sind beide Stränge unserer
Geschichte. Militärisch würde ich den Einfluss der Scouts nicht nennen, für
mich haben sie das Waldläuferwesen reingebracht. Mich hat fasziniert, mit
Seilen umzugehen, Konstruktionen zu machen, Spuren zu lesen, diese
Waldläufersachen fand ich klasse. Dann gibt es bei den Pfadfindern den
musischen Anteil aus dem Wandervogel, mit den romantischen Ansätzen, dem
Singen, dem Werken, sich für andere Kulturen interessieren, das
Fahrtenerlebnis.
taz: Ich war in der Singfraktion und morgens müde, weil wir nachts oft sehr
lange am Feuer saßen. Ich erinnere mich an Morgenrunden, die du geleitet
hast, da warst du mir manchmal ein bisschen zu zackig.
Kaack: Das kann schon sein. Meine Erkenntnis war: Wenn man mit 200 Leuten
auf Fahrt geht ins Ausland, muss es ein Grundgerüst an Ordnung geben, sonst
hat man schnell Chaos. Wie viel Ordnung in einer Jugendgruppe nötig ist,
muss man ständig abwägen. Von überzogenem Zackigsein halte ich jedoch
nichts.
taz: Wir haben früher manchmal ein Lied über die Edelweißpiraten gesungen,
eine Widerstandsgruppe in der Nazizeit. Das ist auch pazifistisch. „Doch
seh’ ich Tausende – und das beruhigt mich sehr –, die zeigen offen das
zerbrochene Gewehr. Und das macht Mut.“ Ich habe das inbrünstig gesungen.
Du auch?
Kaack: Alle!
taz: Für mich hieß das so viel wie: Frieden schaffen ohne Waffen! Das
fandest du gut?
Kaack: In der Situation der Edelweißpiraten war das mit dem zerbrochenen
Gewehr ja richtig. In so einer Situation würde ich mir wünschen, dass wir
mit oder ohne Gewehr zusammenstehen und so ein Unrechtsregime gar nicht
erst wieder zulassen. Heute ist die Lage leider so, dass wir Waffen
brauchen, um unsere Freiheit nach außen zu verteidigen.
taz: Mit der Wahl Trumps ist das noch dringender geworden. Seitdem ist
fraglich, ob Europa sich auf die USA als Verbündeten noch verlassen kann.
Deutlich wurde das spätestens bei der [8][Rede von Vizepräsident J. D.
Vance] auf der Münchener Sicherheitskonferenz, bei der er den Deutschen
demokratische Defizite vorgeworfen hat. Wie hast du das erlebt?
Kaack: Ich saß in der siebten Reihe. Das war eine bemerkenswerte Rede, die
ich unter Freunden so nicht gehalten hätte. Nicht, wenn man internationale
Kooperationen ernst meint. Aber was sehe ich seitdem bei meinen Freunden
der US-Navy in Europa? Keine Änderung, weiterhin die komplette
Verlässlichkeit. Sie schicken die gleiche Anzahl von Schiffen zu den
Übungen in Nordatlantik und Ostsee, wir sind weiter in enger Absprache.
Aber wir stellen uns darauf ein, dass wir mehr Verantwortung übernehmen
müssen.
taz: Dafür braucht ihr nicht nur eine bessere Ausrüstung, sondern vor allem
mehr Personal.
Kaack: Personal ist absolut essenziell. Wir unternehmen sehr große
Anstrengungen, um hier nach vorne zu kommen. Beispielsweise hatten wir im
letzten Jahr 1.000 Praktikanten in der Truppe, wir haben unsere Präsenz in
den sozialen Medien erhöht und vieles mehr. Mit guten Ergebnissen: Letztes
Jahr gab es 15 Prozent mehr Neueinstellungen bei der Marine, die Kurve geht
das erste Mal seit Jahren leicht nach oben. Das reicht aber nicht aus. Wir
müssen auch die Anzahl derer, die wir bewerben dürfen, erhöhen.
taz: Was heißt das?
Kaack: Wir brauchen einen effektiven Wehrdienst – zum einen, um unsere
Verteidigungsbereitschaft schnell zu erreichen, zum anderen auch, um jungen
Menschen ein Verständnis davon zu geben, was Streitkräfte machen und welche
Chancen sie bieten. Früher haben wir 25 bis 30 Prozent der Längerdienenden
aus den Wehrpflichtdienenden gezogen. Ich habe auch mal so angefangen.
Darüber hinaus werbe ich dafür, darüber nachzudenken, ob wir die
Streitkräfte nicht auch für europäische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger
öffnen sollten.
taz: Wäre die Marine denn in der Lage, Wehrdienstleistende aufzunehmen?
Kaack: Absolut. Wir können bis zu 1.650 noch in diesem Jahr aufnehmen und
das kann sukzessive nach oben gehen. Zusätzlich zu den drei Schulen, die
wir für die Grundausbildung haben, bauen wir Kapazitäten an zwei
Stützpunkten auf.
taz: Wird ein freiwilliger Wehrdienst reichen? Oder braucht es doch wieder
eine Wehrpflicht?
Kaack: Es ist ein erster Schritt. Ich bin ein Freund davon, anzufangen und
nachzusteuern, wenn es nötig wird.
taz: Beim freiwilligen Wehrdienst müsst ihr attraktiv werden für breite
Teile der Bevölkerung. In linken Milieus ist es bislang nicht gerade
angesagt, zur Bundeswehr zu gehen. Wie wollt ihr das ändern?
Kaack: Durch Kommunikation, durch Transparenz und Wahrhaftigkeit. Es gibt
genügend Menschen, die keine Ahnung haben, wie die Marine ist und welche
Aufgaben sie hat. Die zu gewinnen, da würde ich Kraft reinsetzen, und nicht
in die, die dagegen sind.
taz: Mal so ein linkes Vorurteil: Trifft man bei der Bundeswehr nicht auch
viel auf rechte Deppen?
Kaack: Auf jeden Fall trifft man, wie im wahren Leben, auch auf Deppen.
Extremisten jeglicher Couleur verraten unsere Werte Wir haben da sehr klare
rote Linien aufgezeigt. Das wird rigoros verfolgt, solche Menschen wollen
wir in der Bundeswehr nicht haben. Die Menschen, die ich in der Marine
erlebe, stehen fest zu unseren demokratischen Werten und sind einem
gemeinsamen Ziel verpflichtet: Deutschland und seine Menschen zur See zu
schützen. Dafür nehmen sie große Härten in Kauf.
taz: Du bist an der Ostsee aufgewachsen und lebst dort auch heute. Wenn du
am Strand stehst, was siehst du da? Freiheit und Weite? Oder hältst du
Ausschau nach russischen Schiffen?
Kaack: Da rauszugucken, das fühlt sich stark nach Heimat an. Die Ostsee ist
für mich ein Meer mit vielen Freunden und ein Meer mit einigen
Fragezeichen, auf die wir besser aufpassen sollten. Klar, wenn die Welle
acht Meter hoch ist, ist das Meer auch Bedrohung. Aber ansonsten ist es
wunderschön.
7 Jun 2025
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Antje Lang-Lendorff
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