# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Wie Russland Jugendliche für den Terror gewi… | |
> Über Telegram werden ukrainische Jugendliche rekrutiert, um | |
> Terroranschläge zu verüben. Für die jungen Täter geht der Auftrag oftmals | |
> tödlich aus. | |
Bild: Nicht immer ist klar, wer ein Selbstmordattentat verübt hat, wie etwa in… | |
Luzk taz | Die westukrainische Stadt Iwano-Frankiwsk liegt weit entfernt | |
von der Front, doch eine Explosion im Frühjahr zeigt, wie weit der Einfluss | |
des russischen Aggressors reichen kann. | |
Im obersten Stockwerk eines Hochhauses bricht nach einer Explosion Mitte | |
März ein Feuer aus. Kurz darauf gehen zwei Jugendliche durch einen Torbogen | |
in Richtung Bahnhof, es kommt erneut zu einer Explosion. Einer der beiden, | |
17 Jahre alt, ist auf der Stelle tot. Sein 15-jähriger Kumpel verliert | |
beide Beine. | |
Auf dem Messengerdienst Telegram hätten Russen Personen, die Explosionen im | |
Zentrum von Iwano-Frankiwsk organisieren würden, mehrere tausend Dollar | |
versprochen. Die beiden Jugendlichen hätten dem Angebot geglaubt, den | |
Sprengstoff nach Anweisungen aus sozialen Netzwerken hergestellt und ihn | |
als Thermoskannen getarnt. | |
Der russische Geheimdienst habe per Fernsteuerung die Bombe, die sich bei | |
den Jugendlichen befand, als auch eine zweite, die die Jugendlichen in der | |
Wohnung ließen, gezündet. In den Fall sollen auch zwei 15-jährige Mädchen | |
verwickelt sein, die an der Vorbereitung des Terroranschlags beteiligt | |
gewesen sein könnten. | |
## „Gekaufte Ukrainer“ | |
Wie die Ereignisse der vergangenen Monate zeigen, ist dieses Vorgehen | |
mittlerweile gängige russische Praxis. Zunächst hatten Russen Ukrainer | |
„gekauft“, um Autos anzuzünden. In den vergangenen sechs Monaten sind sie | |
zu Terroranschlägen und der Liquidierung der Täter übergegangen. | |
Immer öfter kommt es zu Explosionen, wenn sich Ukrainer Menschenmengen oder | |
wichtigen Gebäuden nähern, zum Beispiel Büros von Rekrutierungszentren oder | |
Strafverfolgungsbehörden. Im westukrainischen Ternopil wurde eine | |
14-Jährige festgenommen, die ebenfalls von Russen für einen Anschlag | |
angeworben worden war. | |
Zuvor hatten sie das Smartphone des Mädchens gehackt und sie mit Fotos | |
erpresst. Das Mädchen erklärte sich schließlich bereit, Sprengstoff | |
herzustellen, den sie unter einem Auto in der Nähe eines | |
Polizeiverwaltungsgebäudes platzierte. Die Russen hatten geplant, den | |
Sprengstoff neben der Schülerin zu zünden. | |
In Tschernihiw versuchten Russen, ein 15-jähriges Mädchen zu einem | |
Selbstmordattentat zu überzeugen. Sie zwangen sie, Sprengstoff zur Polizei | |
zu bringen. Die Schülerin entging dem Tod nur, weil die Spionageabwehr des | |
ukrainischen Geheimdienstes (SBU) vorab von den Anschlagsplänen Kenntnis | |
erhalten und die Bombe unschädlich gemacht hatte. | |
## Bürgermeister verspricht Präventionsarbeit | |
Nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene lassen sich auf dubiose | |
Vorschläge ein, die in Terroraktionen enden. | |
Nach den Explosionen in Iwano-Frankiwsk versprachen der Bürgermeister der | |
Stadt, Ruslan Martsinkiw, und die örtliche Polizei, „die Präventionsarbeit�… | |
unter den jungen Leuten zu verbessern und den Menschen noch einmal zu | |
erklären, dass der Feind in der Nähe sei und sie wachsam sein müssten. | |
„Egal wie schwierig es ist und wie wenig Zeit Sie auch haben, sprechen Sie | |
mit Ihren Kindern“, sagt der Politikwissenschaftler Serhiy Shturkhetskyy | |
aus Riwne. | |
Er nennt drei Mythen, mit denen Russen ukrainische Jugendliche zu | |
Terroranschlägen verleiteten: „Mir wird nichts passieren“, „Alles ist | |
geheim, niemand wird mich finden“ und „Sie werden mich bezahlen, das Geld | |
wird kommen.“ | |
Nach jeder Explosion werden die ukrainischen Geheimdienste nicht müde, | |
diese Mythen zu widerlegen. Sie sagen, dass die Bewegungen des Geldes | |
leicht zu verfolgen sei, aber meistens bezahlten die Russen die Täter von | |
Terroranschlägen nicht. Stattdessen würden sie die Jugendlichen einfach | |
töten, indem sie mit einem Anruf auf dem Mobiltelefon einen Sprengsatz aus | |
der Ferne zündeten. | |
## Diskussion um Blockade von Telegram | |
Die Zusammenarbeit mit dem Feind sei nicht nur ein Verbrechen, sondern | |
berge auch die Gefahr, Opfer der eigenen Auftraggeber zu werden. Rekrutiert | |
werden die Jugendlichen über soziale Netzwerke und Instant Messenger. Laut | |
Jaroslaw Jurtschyschyn, Vorsitzender des Ausschusses für Meinungsfreiheit | |
des ukrainischen Parlaments, machten die jüngsten Explosionen erneut die | |
Notwendigkeit deutlich, Telegram in der Ukraine zu blockieren. Die | |
Diskussion darüber dauere seit Beginn des Krieges an. | |
Juri Juzitsch, Leiter bei der ukrainischen Pfadfinderorganisation „Plast“, | |
weist auf ein globaleres Problem hin: In der Ukraine gebe es jetzt kaum | |
Zeit, sich um Kinder zu kümmern. | |
In Russland hingegen seien in den vergangenen zehn Jahren systematisch mehr | |
als ein Dutzend nationale Jugendbewegungen mit einer jährlichen | |
Finanzierung von Hunderten Millionen Dollar aufgebaut worden. Laut Juzitsch | |
seien in der Ukraine mehr als 95 Prozent der Jugendlichen sich selbst | |
überlassen. Dieses ideologische Vakuum lasse sich leicht durch Moskauer | |
Narrative und Geld füllen. „Sie betrügen auf Tiktok, sie rekrutieren auf | |
Telegram“, sagt Juzitsch. | |
Ein sofortiges Verbot dieser beiden sozialen Netzwerke in der Ukraine könne | |
die Rekrutierung allein nicht stoppen. Es müsse überdies darum gehen, | |
ukrainische Heranwachsende für große Jugendnetzwerke zu gewinnen. Anders | |
sei ihre Isolation nicht zu überwinden. „Im Krieg sei es schwierig, alles | |
abzudecken“, sagt Juzitsch. „Wie wir jedoch sehen, ist Gleichgültigkeit | |
gegenüber Kindern im wahrsten Sinne des Wortes tödlich.“ | |
Aus dem Russischen [1][Barbara Oertel] | |
1 Jun 2025 | |
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[1] /Barbara-Oertel/!a1/ | |
## AUTOREN | |
Juri Konkewitsch | |
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