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# taz.de -- Seltsame Regelungen bei Copyrights: Sie essen lieber alles selbst
> Die Gema verklagt ChatGPT, um Tantiemen zu kassieren. Aber warum zeigt
> sie bislang kein Interesse, Produzenten ein Stück vom Kuchen abzugeben?
Bild: Lutscher und wenig Geld statt gerechte Tantiemen
Eigentlich sollte der böse Kolumnist sich freuen: [1][Die Gema verklagt
OpenAI, das Frauchen von, unter anderem, ChatGPT]. Wenn dieser Rechtsstreit
nach ein paar Jahren beigelegt sein wird, dann wird eine wahrscheinlich
nicht unbeträchtliche Summe auf das Konto der Gema fließen. Da der
Kolumnist Gema-Mitglied ist, wird ihm nach ein paar weiteren Jahren eine
Mikrosumme gutgeschrieben werden, von der er sich eine Tüte Lutschi
Lutschers kauft. So weit, so gut.
Aber tief im bösen Kolumnisten wohnt ein süßes, kleines, streitbares
Gerechtigkeitshörnchen, das angesichts dieser Meldung so laut keckerte,
dass der Kolumnist seinen Federkiel ins Tintenfass versenkt und diesen Text
verfasst hat.
Worum geht es bei dem Streit? OpenAI beschallt wehr- und willenlose KIs mit
ganz, ganz viel Musik, auf dass diese KIs alsbald ganz, ganz viel genauso
tolle Musik ausstoßen. Unter den Lernmitteln ist aber auch Musik aus dem
Gema-Repertoire, Kompositionen, deren Urheber*innen der Gema – der
Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische
Vervielfältigungsrechte – das Verwertungsrecht übertragen haben. Die Gema
kann sich nicht erinnern, OpenAI das Recht eingeräumt zu haben, ihr
Repertoire zu nutzen. Also: Ärger, Anwälte, am Ende eine Einigung, Geld
fließt.
Schon okay, wenn Taylor Swift, Paul McCartney und Ed Sheeran mal wieder ein
paar Mäuse bekommen. Aber ganze Stämme von Kreativen gingen bei einer
solchen Regelung leer aus: etwa Arrangeur*innen, Produzent*innen und
ausübende Musiker*innen. [2][Leute wie Gregory C. Coleman, Schlagzeuger der
US-Soulband The Winstons. Sein Drumbreak aus dem Song „Amen, Brother“] von
1969 war lange Zeit das meistgenutzte Sample überhaupt; da Coleman aber
nicht Urheber des Songs war, hat er nie einen Cent für die Nutzung seines
Schlagzeugspiels erhalten. Coleman starb als Obdachloser.
Dieses Schicksal droht Roger McGuinn von The Byrds nicht. Aber für sein
Arrangement von Bob Dylans „Mr. Tambourine Man“, das den spröden Folk-Song
in eine flauschige Westcoast-Träumerei verwandelte, hat er auch nie einen
Cent erhalten. Als [3][John Coltrane] fast 14 Minuten lang über den
Musical-Song „My Favorite Things“ improvisierte, gingen sämtliche Tantiemen
an den Komponisten Richard Rodgers und den Textdichter Oscar Hammerstein II
(obwohl Coltranes Version instrumental war).
## Zeitalter der produzierten Musik
Die Musikurheberrecht schützt Texte – solche aus Wörtern und solche aus
Noten. Das tut es seit tausenden von Jahren. Dass irgendwann die
Tonaufnahme erfunden wurde, das Zeitalter der produzierten Musik anbrach
und der Anteil der Komposition, des Notentextes an einem gekauften,
ausgestrahlten, gestreamten Stück Musik sekündlich zurückgeht, hat an
dieser Regelung nichts geändert. Liegt vielleicht daran, dass die in
Urheberrechtsgesellschaften wohl organisierten Komponist*innen,
Textdichter*innen und Musikverleger*innen kein Interesse daran
haben, Instrumentalist*innen und Produzent*innen ein Stück des
Kuchens zu überlassen. Sie essen lieber alles selbst.
Das Gerechtigkeitshörnchen möchte jetzt am liebsten die Gema verklagen,
aber der böse Kolumnist sagt: „You Don’t Know What You Got Until You Lose
It“. Seit im Jahr 2015 der United States District Court von
Zentralkalifornien den Erben von Soulsänger Marvin Gaye bestätigt hat, dass
Robin Thickes Song „Blurred Lines“ ein Plagiat von Gayes „Got To Give It
Up“ ist, ist die alte Notentext-Regelung ins Wanken geraten.
Denn bei diesem Urteil ging es um klangliche und atmosphärische
Ähnlichkeit, „Look and feel“, amtlich bestätigt von „Expert*innen“, k…
ihrer Expertise. Seitdem schaut der Kolumnist regelmäßig zum Horizont, ob
dort eine Armada von Anwält*innen und Expert*innen auftaucht, um 100
Jahre Popgeschichte aufs Schlachtfeld zu zerren.
13 Dec 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Detlef Diederichsen
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