| # taz.de -- Koalition in Sachsen: Auftakt zum Tauziehen | |
| > In Sachsen haben CDU und SPD ein Minderheiten-Koalitionspapier | |
| > erarbeitet, das den anderen Parteien ein paar Köder hinwirft. Reicht das? | |
| Bild: Die Koalitionäre von SPD und CDU bei der Vorstellung des Koalitionsvertr… | |
| Anders als gewohnt lag über der Vorstellung des Ergebnisses zweiwöchiger | |
| Koalitionsverhandlungen zwischen [1][CDU] und [2][SPD] keine Spannung. Am | |
| Mittwochnachmittag konnte man im Foyer des Sächsischen Landtages vor allem | |
| auf das Mienenspiel gespannt sein. Das hellte sich nach 20 Minuten erst | |
| nach einem bemühten Scherz etwas auf. | |
| Wenn man nach dem Ausstieg des [3][BSW] aus den Dreierverhandlungen keine | |
| andere Wahl hat als die Bildung einer Minderheitsregierung, muss man diese | |
| Konstellation als Chance loben. Schließlich kennt man sich seit 2004 aus | |
| sächsischen Regierungsbündnissen, unterbrochen nur durch Schwarz-Gelb | |
| 2009-2014. Von einer „ausgestreckten Hand an die anderen vier | |
| Landtagsfraktionen und die Bürger“ sprach Ministerpräsident Michael | |
| Kretschmer (CDU). „In schwierigen Zeiten trotzdem Verantwortung | |
| übernehmen“, gab SPD-Landeschef Henning Homann als Parole aus. | |
| Es gab zuvor Stimmen in beiden Parteien, die den Sinn eines | |
| Koalitionsvertrages überhaupt infrage stellten. Was soll's, wenn die | |
| Durchsetzung gemeinsam erklärter Absichten von Fall zu Fall an Stimmen aus | |
| der Opposition hängt? Zehn Stimmen fehlen Schwarz-Rot zu einer Mehrheit im | |
| Landtag. | |
| Die einzelnen Vorhaben werden von nun an weniger auf ihre inhaltliche | |
| Substanz als auf die Zustimmungsfähigkeit durch die anderen Parteien | |
| abgeklopft werden. Das beitragsfreie Vorschuljahr in der Kita war schon | |
| einmal da, wurde von der FDP abgeschafft und soll jetzt wiederkommen. 140 | |
| Millionen Euro soll es kosten in einem Krisenhaushalt von 23 Milliarden | |
| Euro, der nach derzeitigem Stand mit 4 Milliarden unterfinanziert ist. | |
| Diese dunklen Wolken stehen über allen Vorhaben. | |
| ## Erpressungen wie in Thüringen? | |
| Gegen ein Vorschuljahr dürften Linke und Grüne kaum etwas haben, noch | |
| weniger gegen den von ihnen stets geforderten fünftägigen Bildungsurlaub. | |
| Davon sollen noch drei Tage „Qualifizierungszeit für Ehrenamt und Beruf“ | |
| bleiben. Auf starken Protest der gar nicht im Landtag vertretenen FDP stößt | |
| der Plan, die Zuführungen an den Generationenfonds für die Altersvorsorge | |
| von Beamten um 250 Millionen jährlich zu senken. Eine eigene sächsische | |
| Grenzpolizei soll gebildet werden. Die SPD will die Auswirkungen von | |
| Zuschusskürzungen auf die soziale Infrastruktur und die Kultur mildern. | |
| Das will das BSW auch, und macht dies und konsequentere Abschiebungen ganz | |
| im Sinne Sahra Wagenknechts zur Bedingung für bevorstehende | |
| Abstimmungsgespräche. Ein Vorgeschmack auf die nach Thüringer Beispiel seit | |
| 2020 bekannten gegenseitigen Erpressungsversuche von Rot-Rot-Grün und CDU. | |
| Die voraussichtliche Ministerpräsidentenwahl am 18. Dezember dürfte zur | |
| Nagelprobe werden. | |
| Bislang ist der amtierende Ministerpräsident Kretschmer noch nicht auf | |
| Missionsreise durch die anderen vier Fraktionen gegangen, um Stimmen für | |
| seine Wahl und die Vorhaben der Minderheitskoalition zu werben. Wann will | |
| er damit beginnen? „Eines nach dem anderen“, antwortet er. Mitte der Woche | |
| sollen sich die Parteigremien nochmals mit dem ausgehandelten Vertrag | |
| befassen, dann habe er den Rücken frei. Dann bleibt aber nur noch eine | |
| Woche bis zur Ministerpräsidentenwahl. | |
| Kretschmer wies auf tägliche informelle Gespräche im Landtag hin, was in | |
| SPD-Kreisen bestätigt wird. Er will Vertrauen in Bürger und Abgeordnete | |
| setzen, im Interesse des Landes zu handeln. | |
| Der „prälegislative Konsultationsmechanismus“ analog dem in Thüringen | |
| greift zur Ministerpräsidentenwahl noch nicht. Eine Erfindung, die | |
| präventiv künftige Gesetzesvorhaben in allen Fraktionen sondiert, um sie | |
| nach deren Änderungswünschen zustimmungsfähiger zu machen. Ein Einfallstor | |
| für AfD und BSW. Jedenfalls sind Begriffe wie Brandmauer und | |
| Unvereinbarkeitsbeschluss nur noch Schlagworte aus der Vergangenheit. | |
| ## BSW will mehr | |
| Den Statements der Koalitionäre lauschte am Rande auch die BSW-Landes- und | |
| Fraktionsvorsitzende Sabine Zimmermann. Sie zeigte sich generell | |
| unzufrieden mit dem 110-Seiten-Papier. „Da muss er uns mehr anbieten“, | |
| griff sie kommenden Unterredungen vor. An erster Stelle steht für | |
| Zimmermann die Eindämmung irregulärer Migration. Auch an Sozial- und | |
| Kulturausgaben dürfe nicht gespart werden. | |
| Wie Parteigründerin Sahra Wagenknecht plädiert sie statt einer Minderheits- | |
| für eine Expertenregierung. Eine Beamtenregierung gab es nicht nur in | |
| Sachsen gegen Ende der Weimarer Republik schon einmal. In dem | |
| fraktionslosen Landtagssolisten Matthias Berger von den Freien Wählern, | |
| bislang Oberbürgermeister von Grimma, hat sie darin einen Verbündeten. | |
| Um die mehrheitssichernden 15 Stimmen des BSW wird Michael Kretschmer | |
| zuerst werben. Über den bisherigen grünen Koalitionspartner, ja sogar zur | |
| Linken fielen erstaunlich moderate Sätze. Die AfD erwähnte er nicht. Die | |
| Nationalblauen hatten bereits angekündigt, Kretschmer auf keinen Fall | |
| wählen zu wollen. | |
| 4 Dec 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Michael Bartsch | |
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