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# taz.de -- Punkikone Jello Biafra über Trump: „Das beste Vehikel zur Errich…
> Jello Biafra war Leadsänger der Punkband Dead Kennedys. Mit der taz
> spricht er über libertäre Dotcom-Manager, Trump, dessen Anhänger und die
> US-Wahl.
Bild: Punkikone Jello Biafra bezeichnet die Fans von Donald Trump als „Trumpz…
taz: Jello Biafra, Sie leben seit den frühen 1970ern in San Francisco, wie
erleben Sie die Stadt in diesen Tagen?
Jello Biafra: Ich wünschte, die Millionäre würden wieder wegziehen! Hier
läuft die Dotcom-Katastrophe 2.0. Das erste Mal war es ums Jahr 2000
schlimm. Aber die zweite Generation dieser Dotcom-Typen wird immer fieser.
Diese rechten Libertären wollen die Stadt nach ihrem Gusto umkrempeln. Das
geht so weit, dass Kinder einen Spielplatz verlassen müssen, weil einer von
denen den Ort online gebucht hat, um Basketball zu spielen. Es soll ja auch
gutherzige Menschen in der Tech-Welt geben, aber mehr Aufmerksamkeit
erregen die Bösen – und damit meine ich nicht nur [1][dieses deutsche
Monster Peter Thiel], der hinter Trump steht. Einer der Schlimmsten heißt
Scott Wiener und ist ein 1,80 Meter großes Würstchen.
taz: Was macht er Schlimmes?
Biafra: Er sitzt für San Francisco als Abgeordneter im Senat von
Kalifornien und hasst Arme und Menschen mit geringem Einkommen. Er
versucht, all das loszuwerden, was San Francisco auszeichnet. So setzte er
ein Gesetz durch, mit dem alle städtischen Bebauungspläne abgeschafft
wurden, sodass keine kalifornische Kommune mehr ihre eigenen Bestimmungen
erlassen kann. Das Ergebnis sind Hochhäuser mit teuren Eigentumswohnungen
und hohen Mieten im ganzen Bundesstaat. Dabei gibt es bereits Unorte in den
USA, in denen keine Bauvorschriften existieren, die schrecklichste Stadt im
Land ist Jacksonville, Florida. Dort schlägt einem schon am Flughafen der
Gestank der Papierfabriken entgegen. Von der Fläche her ist Jacksonville
doppelt so groß wie Los Angeles, obwohl es nicht annähernd so viele
Einwohner hat. Es gibt keinerlei Bebauungsvorschriften. An einer Straße
liegt ein verwildertes Grundstück, daneben einige Häuserruinen, dazwischen
ein „7-Eleven“, eine Tankstelle, wieder ein Hochhaus und so geht das immer
weiter. So eine Stadtplanung passiert, wenn keine staatlichen Regeln dem
Fortschritt im Weg stehen.
taz: Jetzt haben wir noch gar nicht über Elon Musk gesprochen …
Biafra: Der Gestank von Musk ist infernalisch. Musk denkt, dass der Mars
bald bewohnbar sein wird, da die Erde seinetwegen größtenteils unbewohnbar
wird. [2][Emperor Musk] könnte den Menschen dann sogar die Sauerstoffzufuhr
abdrehen, wenn sie ihm nicht passen. Er ist nichts anderes als ein
Erzfundamentalist. Musk will, dass Jesus wiederkehrt und alles wieder in
Ordnung bringt.
taz: Wie steht es um die alternative Kultur, für die San Francisco einst
weltberühmt wurde?
Biafra: In San Francisco ist tote Hose, seit geraumer Zeit passiert alles
Relevante in der East Bay, dort können sich Freaks mancherorts noch die
Mieten leisten. Während es in Frisco selbst einen Ansturm von hochnäsigen
Reichen gibt, viele relativ jung, zwischen 20 und 40. Und natürlich sind
solche Personen meist weiß und männlich, aber nicht nur. Einer dieser
Dotcom-Spackos hat mal behauptet, der Summer of Love sei heute ein
Start-up. Fuck these people! Schade, dass ich keinen Flammenwerfer zur Hand
hatte, oder wenigstens eine Kettensäge …
taz: Für Schlagzeilen sorgt aber eher die Drogenepidemie …
Biafra: Die Fentanyl-Epidemie ist real. [3][Fentanyl] gibt es seit der
Amtszeit von Ronald Reagan als kalifornischer Gouverneur. Er hat
beschlossen, eine Reihe von Gesundheitsbehörden zu privatisieren. Früher
mussten mehrere Prozesse durchlaufen werden, bis ein Medikament zugelassen
wurde. Das ist heute noch so. Aber anstatt eigene Tests durchzuführen, um
zu sehen, ob die Ergebnisse der Pharmaindustrie richtig sind, werden nun
deren Testergebnisse abgesegnet. So wurde Fentanyl zugelassen. Jeder
Mensch, der daran stirbt, wurde durch die Privatisierung ermordet. Im
Grunde wurden sie also von den Haushaltskürzungen der Republikaner
ermordet. Und die Demokraten haben dabei geholfen!
taz: Viele Süchtige enden als Obdachlose …
Biafra: [4][Niemand weiß, was man mit den Obdachlosen machen soll]. Die
Stadt Seattle besorgt ihnen eine Unterkunft und versucht, ihnen auf die
Beine zu helfen, damit sie ihr Leben wieder in den Griff bekommen.
Läuft das in San Francisco anders?
Biafra: Ja, da werden sie verhaftet. Der von Trump umbesetzte Supreme Court
hat entschieden, dass es in Ordnung ist, Menschen zu verhaften, wenn sie im
Freien schlafen. Und bald könnten wir, wie in den 1930er Jahren, wieder
Schuldnergefängnisse bekommen. Im Supreme Court gibt es dank Trump sechs
Extremisten. Ich glaube nicht, dass irgendwer damit gerechnet hatte, dass
sie die einstimmige Entscheidung aus der Amtszeit von Richard Nixon, dass
selbst ein US-Präsident nicht über dem Gesetz steht, aufheben würden.
taz: Das war wegen Trump und seines angezettelten Aufstands am 6. Januar
2021, oder?
Biafra: Trumps Putschversuch war dadurch eine offizielle Amtshandlung. Erst
danach hat Senator Chuck Schumer, der sonst als lahmer demokratischer
Mehrheitsführer im Senat auffällt, ein Gesetz mit dem Namen „No King’s Ac…
eingebracht. Wenn es verabschiedet wird, ist es legal, Urteile des Obersten
Gerichtshofs zu umgehen. Das bedeutet dann eben auch, dass US-Präsidenten
nicht über dem Gesetz stehen. Wenn Verschwörungstheoretiker etwa behaupten,
Hillary Clinton betreibe einen Kinderschänderring, dann träumen die
Republikaner davon, Hillary Clinton ins Gefängnis zu werfen für Verbrechen,
die sie nicht mal benennen können.
taz: Die Rechte macht zunehmend irrationale Politik …
Biafra: Die Frage ist, wie verrückt die Republikaner noch werden. Der
Oberste Gerichtshof entscheidet immer fanatischer, er ist besoffen von
Religion, obwohl nicht alles Evangelikale sind. Es gibt auch noch zwei
liberale Richter, aber Amy Coney Barrett, Samuel Alito und John Roberts
sind reaktionäre Katholiken, die selbst einen Papst Benedikt liberal
aussehen lassen. Nehmen wir das erneute [5][Abtreibungsverbot]. Will das
Gericht Gebärmutterinspektoren an den Grenzen der Bundesstaaten einsetzen,
um zu sehen, ob Frauen abgetrieben haben? Einige Politiker aus den
Südstaaten fordern die Todesstrafe für solche Frauen. Präsident Biden hat
sich leider gegen die Idee gesträubt, liberale Richter ans Supreme Court zu
berufen.
taz: Wie wird die Wahl am Dienstag ausgehen?
Biafra: Es wird knapp. Ich nenne Trump-Fans „Trumpzis“ – eine Kombination
aus Trump und Nazis. Gleich nach dem Scheitern des Putsches am 6. Januar
2021 haben die Trumpzis mit den Vorbereitungen zum nächsten Umsturz
begonnen. Der harte Kern hat Verbindungen zum großen Geld. Sie sehen Trump
als bestes Vehikel zur Errichtung einer faschistischen Diktatur. In der
Zeit des New Deal wurde gegen Präsident Franklin D. Roosevelt im „Business
Plot“ von 1934 geputscht. Beteiligt daran waren Manager von Autokonzernen
sowie nahe Verwandte von späteren US-Präsidenten. General Smedley D. Butler
sollte das Komplott anführen, aber er packte vorher aus. Roosevelt
beschloss, die Umstürzler laufen zu lassen, weil er Angst hatte, eine
Strafverfolgung würde das Land in Unruhe versetzen. In den 1930er Jahren
traten nicht nur viele Menschen aus Frustration über die Wirtschaftskrise
der Kommunistischen Partei bei, mindestens genauso viele Menschen waren in
den 1930er Jahren eingefleischte Nazis. Sie hielten Kundgebungen ab, trugen
Armbinden, fanden Hitler cool und nannten sich „German American Bund“. Wie
Trump vergangenes Wochenende hielten sie im New Yorker Madison Square
Garden eine Veranstaltung ab. Es floss eine Menge Geld in diese Bewegung.
taz: Wie erfolgreich ist die Strategie der Republikaner, mit unsinnigen
Gesetzen Einfluss auf den Ausgang der Präsidentschaftswahl zu nehmen?
Biafra: Der Bundesstaat Georgia hat jetzt ein Gesetz erlassen, wonach jeder
einzelne Bezirk die Ergebnisse der Bezirkswahlen anfechten kann, so dass
jemand, der für die Faschisten arbeitet, die Stimmauszählung aufhalten
kann. Problematisch ist auch das System des Electoral College, des
Wahlmännerkollegiums, ein antidemokratisches Verfahren. Das wurde einst
eingeführt, um den Sklavenhalterstaaten aus dem Süden Vorteile zu
verschaffen, damit sie genauso viel Macht haben wie New York und
Pennsylvania. Ich habe die Befürchtung, dass Kamala Harris zwar zehn
Millionen Stimmen Vorsprung hat, aber Donald Trump mit den Stimmen des
Electoral College zum Präsidenten gewählt wird.
taz: Was passiert dann?
Biafra: Es gibt Überlegungen aus [6][dem Strategiepapier „Project 2025“]
des rechten Thinktanks American Heritage Foundation. Seine Idee ist es,
50.000 Beamte der Bundesregierung am ersten Tag nach der Wahl zu feuern und
durch loyale Trump-Anhänger zu ersetzen. Die führen längst
Bewerbungsgespräche. Selbst wenn das bedeutet, dass sie ihrem Nachbarn den
Kopf wegblasen müssen, werden sie es tun. Sie werden jedes einzelne Buch
verbrennen, in dem was anderes steht, als dass Trump wunderbar ist.
1 Nov 2024
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## AUTOREN
Joachim Hiller
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