# taz.de -- Abtreibungsrechte in den USA: Eine Stadt im Kampf um reproduktive F… | |
> In Texas sind Abtreibungen fast komplett illegal. Ein Ortsbesuch vor der | |
> Wahl in Amarillo, wo radikale Abtreibungsgegner ein perfides lokales | |
> Gesetz fordern. | |
Bild: Amarillo protestiert: Belangt werden können im kommunalen Gesetzesvorhab… | |
Viele Autos, Waffen und Staub. Wie im Wilden Westen. Die Stadt Amarillo im | |
Norden Texas ist wohl so, wie man sich klischeemäßig Texas vorstellt. Der | |
Norden des Bundesstaates liegt direkt an der historischen Route 66. Der | |
berühmteste Highway des Landes – er steht für eine Reise durch das alte, | |
das traditionelle Amerika. In der „gelben Stadt“ Amarillo führt sie einen | |
auch am Steakhaus „The Big Texan“ vorbei – wer hier ein 2,4 Kilo Steak | |
innerhalb einer Stunde isst, muss dafür nicht zahlen. | |
Nicht weit davon liegt die [1][Comanche Trail Church of Christ], eine der | |
vielen Kirchen in der Stadt. Davor blinkt ein Leuchtschild: „Everyone’s | |
welcome!“ Hört man den Menschen drinnen zu, auch dann reist man ein Stück | |
in dieses alte Amerika zurück. Denn an einem Donnerstagabend Mitte Oktober | |
geht es auf einem Panel um Abtreibungen. | |
„Die Welt wäre ein besserer Ort, wenn es keine Abtreibungskliniken gäbe“, | |
predigt Mark Lee Dickson, Pastor und bekannter Abtreibungsgegner. „Wir | |
brauchen diese Einrichtungen nicht, denn sie schaden Frauen, verwehren | |
ihnen das Muttersein und nehmen ihren ungeborenen Kindern das Leben.“ Immer | |
wieder ertönt Applaus aus der Menge, dazwischen rufen einige Gäste „right“ | |
oder „Amen“. | |
Ungewollt Schwangere haben es im Staat Texas bereits sehr schwer, Zugang zu | |
Gesundheitsversorgung zu bekommen, denn Schwangerschaftsabbrüche sind im | |
„Lone Star State“ fast vollständig illegal. Von Amarillo aus liegt die | |
nächste Klinik 463 Kilometer entfernt, in Albuquerque im Nachbarstaat New | |
Mexico. Aufgrund der Gesetzeslage sehen sich viele Frauen gezwungen, für | |
einen Eingriff in benachbarte Bundesstaaten zu reisen. Und genau das will | |
Dickson verhindern. | |
Am 5. November, dem Tag, an dem die USA über eineN neueN Präsident*in | |
entscheiden, wird in Amarillo noch über etwas anderes abgestimmt: | |
[2][„Proposition A“.] Konkret ist das eine „Ordinance“, rechtlich | |
entspricht das in Deutschland einer kommunalen Satzung oder | |
Ortsgesetzgebung. Würde „Prop A“, so die Kurzform, angenommen, würde | |
Amarillo zu einer „sanctuary city for the unborn“ also einer | |
„Zufluchtsstadt für Ungeborene“, erklärt. | |
Verboten wäre dann, Amarillos Straßen zu benutzen, um in Bundesstaaten zu | |
reisen, in denen Schwangerschaftsabbrüche erlaubt sind. Der Stadtrat von | |
Amarillo – fünf weiße, konservative Männer – hatte im Juni 2023 Dicksons | |
Ordinance-Entwurf abgelehnt. Die Entscheidung war eindeutig: 4 zu 1. | |
Argumente gegen die Verordnung waren rechtliche Bedenken, das Image von | |
Amarillo und Fragen zur Durchsetzbarkeit. | |
Kontrolliert werden soll in dem Entwurf nämlich nicht von staatlicher Seite | |
aus – die Ordinance würde sich auf Zivilklagen stützen. Konkret bedeutete | |
dies, dass sich Nachbarinnen und Einwohner*innen gegenseitig | |
kontrollieren und bei Verstößen verklagen könnten. Wird das kommunale | |
Gesetz wirklich am 5. November angenommen, stünden Strafen in Höhe von bis | |
zu 10.000 US-Dollar im Raum. Belangt werden könnten alle, die bei einer | |
„freiwilligen Abtreibung“ unterstützen oder helfen. Das steht jetzt für d… | |
Bürger*innen der Stadt auf dem Stimmzettel. | |
Außerdem soll der Besitz oder Vertrieb von Abtreibungspillen kriminalisiert | |
werden. Die Ordinance würde es ermöglichen, Organisationen rechtlich zu | |
belangen, die Frauen mit Abtreibungspillen versorgen. Derzeit ist es in | |
den USA legal, die Medikamente Mifepristone und Misoprostol bis circa zur | |
zehnten Schwangerschaftswoche einzunehmen. Diese Nutzung ist in den letzten | |
zwei Jahren enorm gestiegen. | |
Das hängt wohl mit der [3][Entscheidung des Supreme Court aus dem Juni 2022 | |
zusammen.] Der Oberste Gerichtshof der USA beschloss damals, dass das Recht | |
auf Abtreibung nicht mehr durch die Verfassung geschützt ist. In der Folge | |
des bekannten Urteils „Roe v. Wade“ wurde Frauen fast 50 Jahre lang die | |
komplette sexuelle Selbstbestimmung garantiert. Seit dem Ende von „Roe v. | |
Wade“ können die 50 Bundesstaaten selbst über die Legalität von | |
Schwangerschaftsabbrüchen entscheiden. Texas verschärfte kurz danach als | |
einer der ersten das Gesetz. Nun gilt dort eines der strengsten | |
Abtreibungsverbote der USA: Abbrüche sind nach zirka sechs Wochen der | |
Schwangerschaft bereits verboten, auch wenn viele Frauen zu dem Zeitpunkt | |
noch nicht einmal wissen, dass sie schwanger sind. | |
Insgesamt hat die Situation landesweit zu einer Art Flickenteppich geführt. | |
In 14 US-amerikanischen Bundesstaaten sind Schwangerschaftsabbrüche | |
weitgehend verboten, vier weitere Staaten verbieten Abtreibungen nach der | |
sechsten Schwangerschaftswoche. 43 Prozent aller Frauen im reproduktiven | |
Alter sowie trans und nonbinäre Menschen leben derzeit in US-Staaten, die | |
ihre reproduktiven Rechte einschränken. | |
Kaum ein Thema spaltet die USA so sehr wie die Frage der Abtreibungen, und | |
kaum ein Thema hat eine so hohe Sprengkraft im momentanen Wahlkampf um die | |
Präsidentschaft. Denn durch das Ende von „Roe v. Wade“ ist das alte | |
Streitthema Abtreibung wieder in den Mittelpunkt der Politik gerückt. Laut | |
aktuellen Zahlen des Pew Research Centers finden sechs von zehn | |
Amerikaner*innen, dass Abtreibungen legal und zugänglich sein sollten. | |
Viele der Befragten sind außerdem der Meinung, dass die Regierung sich aus | |
dem Thema heraushalten sollte. | |
Die Demokraten haben sich im Wahlkampf früh als „Pro-Choice“ positioniert, | |
Kamala Harris macht das noch wesentlich deutlicher als Noch-Präsident Joe | |
Biden. „Wir vertrauen Frauen und wir werden immer für den Schutz ihrer | |
reproduktiven Freiheit kämpfen“, schrieb sie vor einer Woche auf ihrem | |
Instagram-Kanal. Würde sie Präsidentin, wolle sie das Recht auf Abtreibung | |
landesweit wieder gesetzlich verankern. In ihren Reden beschuldigt Harris | |
ihren Rivalen Donald Trump, für die derzeitige Lage und das Chaos in den | |
Bundesstaaten verantwortlich zu sein. | |
## Totengräber liberaler Abtreibungsgesetze | |
Denn das Ende von „Roe v. Wade“ passierte unter Präsident Donald Trump –… | |
ernannte drei „Pro-Life“-Richter am Supreme Court. Noch diesen Mai prahlte | |
Trump: „Ich habe Roe v. Wade gekippt, und keiner hätte gedachte, dass ich | |
das tun würde.“ Doch seitdem ist ihm ein wichtiger Teil seiner Wählerschaft | |
teilweise weggebrochen – nämlich viele der weißen, republikanischen Frauen | |
der Mittelklasse, die ihm 2016 mit zum Wahlsieg verhalfen. Die Republikaner | |
wissen, dass das Thema Schwangerschaftsabbrüche politisch für sie toxisch | |
ist. Derzeit gibt Trump sich moderater, erklärt plötzlich, kein nationales | |
Abtreibungsverbot erlassen zu wollen. | |
Der Gender Gap im Wahlverhalten ist so kurz vor der US-Wahl größer und | |
tiefer denn je. Laut einer der aktuellsten, landesweiten Umfragen von USA | |
Today und der Bostoner Suffolk University unterstützen Frauen entschieden | |
die Kandidatin Kamala Harris mit 53 Prozent im Vergleich zu 36 Prozent bei | |
den Männern. Bei Donald Trump ist es genau andersherum: 53 Prozent der | |
Wähler unterstützen ihn und 37 Prozent der Wählerinnen. | |
Im Land tobt ein erbitterter Kampf um die Zukunft der reproduktiven | |
Freiheit, und Amarillo steckt mittendrin. Der Konflikt in dieser Stadt | |
verdeutlicht im Kleinen und exemplarisch den Kulturkampf im ganzen Land. | |
Die Abstimmung über eine, übersetzt, „Zufluchtsstadt für Ungeborene“ wü… | |
das Schicksal der Frauenrechte in Texas und darüber hinaus prägen. Bedeuten | |
würde eine gewonnene Abstimmung eine weitere Radikalisierung im Kampf gegen | |
Abtreibungen. | |
Laut des Non-Profit-Nachrichtenportals „Amarillo Tribune“ gibt es bereits | |
69 Städte in sieben Bundesstaaten, die „Zufluchtsstadt für Ungeborene“ | |
sind, seit Dickson die Initiative 2019 startete. Aber warum auch | |
ausgerechnet Amarillo? Die rund 200.000-Einwohner*innen-Stadt ist | |
strategisch wertvoll für Dicksons Vorhaben, weil sie ein wichtiger | |
Verkehrsknotenpunkt ist. Ihre Fernverkehrstraßen verbinden die Stadt mit | |
New Mexico und Colorado im Westen. Ungewollt Schwangere aus Oklahoma, | |
Arkansas oder Louisiana müssen mit dem Auto zwangsläufig durch Amarillo | |
über die alte Route 66 reisen, um die Möglichkeit zu haben, abzutreiben. | |
## Gefährliche Verordnung | |
Die Frauen selbst sollen aber nicht belangt werden, sondern jene, die ihnen | |
helfen, sie also beispielsweise mit dem Auto zu einer Abtreibungsklinik | |
fahren. „Einer der gefährlichsten Aspekte dieser Verordnung ist, dass sie | |
es Privatpersonen erlaubt, jeden zu verklagen, der ihrer Meinung nach gegen | |
das Gesetz verstößt – ohne Beweise. Dies öffnet die Tür für leichtfertige | |
Klagen, die aus Bosheit oder Arglist eingereicht werden und bei denen sich | |
die Angeklagten in kostspieligen Rechtsstreitigkeiten verteidigen müssen“, | |
kritisiert die [4][Amarillo Reproductive Freedom Alliance (ARFA)] das | |
Vorhaben. | |
Die Organisation leistet in Amarillo großen Widerstand gegen die | |
„Proposition A“. ARFA ist es leid, ständig die gleiche Rhetorik zu hören. | |
Vermeintliche Argumente etwa wie: Frauen müssten eine Schwangerschaft | |
austragen, ansonsten würden sie in der Hölle schmoren. Im Juli 2023 | |
gründete sich die Organisation, die von einer Kerngruppe von sechs Frauen | |
geleitet wird. Für sie geht es um ihre Freiheit und ihr Recht auf | |
Selbstbestimmung. ARFAs momentane Mission ist es, die Einwohner*innen | |
von Amarillo über „Prop A“ aufzuklären. | |
Keine von ihnen hatte am Anfang viel Erfahrung, eine politische Kampagne in | |
dieser Größe auf die Beine zu stellen, alle sind ehrenamtlich dabei. Doch | |
nun sind sie ein eingespieltes Team. Die Frauen geben Interviews, sind auf | |
Veranstaltungen und online präsent und haben Strategien entwickelt, die | |
Menschen in Amarillo zum Wählen zu mobilisieren. Teil davon sind eine | |
Telefonkampagne und Wahlkampf an der Haustür. Fast alle Teammitglieder | |
kommen aus Amarillo, kennen ihre Zielgruppe. | |
Das Argument, das am besten ankommt? „Prop A“ schränke die persönliche | |
Freiheit ein – und die ist den Texaner:innen besonders wichtig – und | |
überschreite staatliche Befugnisse. Außerdem versuchen die Frauen, über | |
eventuelle Formulierungen aufzuklären, die falsch verstanden werden | |
könnten. Wichtig sei auch, keine „woke“ Sprache zu benutzen und Dickson als | |
extremistischen Außenseiter zu positionieren. | |
Gabriela Mireles, Gründungsmitglied der Alliance, ist an jedem Wochenende | |
bis zur Wahl von Tür-zu-Tür unterwegs. „Hätte mir jemand vor einem Jahr | |
gesagt, dass ich introvertierte Person für die ARFA von Tür zu Tür laufe | |
und Wahlkampf mache, ich hätte es nicht geglaubt“, erklärt sie. Aber die | |
Arbeit mit der Alliance hat ihren Blick auf die Menschen in ihrer | |
Heimatstadt geändert. Mireles hat ihren Platz gefunden: „ Die Leute hier | |
haben viel mehr Menschlichkeit, als ich dachte.“ | |
Sind die Leute bereit, mit ihr über die Wahl zu reden, beginnt sie | |
routiniert mit ihren Fragen: „Wissen Sie, worum es in der Petition geht? | |
Sind Sie registriert und haben Sie schon einen Plan, wie Sie wählen | |
wollen?“ Die Reaktionen sind vielfältig: Einige Menschen wollen gar nichts | |
über „Prop A“ wissen, andere sind bereits aufgeklärt. Die meisten lassen | |
sich zumindest auf ein Gespräch ein und nehmen Flyer und Poster mit. | |
Bei einem dieser Aufklärungsgespräche öffnet ein Mann um die sechzig und | |
mit hispanischem Akzent die Tür. Er zeigt Interesse an der Information über | |
die „Prop A“. Dann driftet das Gespräch ab. Wieder einmal geht es um die | |
Frage, die Amerika seit Monaten beschäftigt: Kamala Harris oder Donald | |
Trump? „Diese Wahl wird entscheiden, ob wir unser Land bewahren oder | |
Amerika verlieren werden“, deklamiert der Mann an der Tür. | |
Genau diesen Satz – egal ob im konservativen Texas, im liberalen New York | |
oder in der Hauptstadt Washington, D. C. – hört man von fast jeder Person, | |
mit der man spricht. Nie kann man aber dabei sicher sein, aus welcher | |
politischen Ecke das Argument kommt. Diese Wahl wird alles entscheiden: Nur | |
darüber scheinen sich die Menschen in den USA einig zu sein. | |
Im texanischen Amarillo zeigt jeder und jede sehr offen, für wen oder was | |
sie oder er stimmt. Ein großer Unterschied zu Deutschland: Die politische | |
Kultur ist in den USA nicht so privat. Im Norden von Texas befindet man | |
sich im tiefsten „Trumpland“, ein informeller Begriff, um die oft | |
ländlichen Gebiete zu beschreiben, die mehrheitlich für den ehemaligen | |
Präsidenten Donald Trump stimmen oder seine politischen Ansichten | |
unterstützen. | |
In Amarillo ist das nicht anders, hier wählen 70–80 Prozent die | |
Republikaner. Es genügt ein kurzer Blick in die Vorgärten vieler | |
Amarilloianer. Pappaufsteller stehen hier vor vielen Häusern, oft mehrere | |
Schilder nebeneinander: „Cruz for Texas“, der erzkonservative Senator, der | |
wiedergewählt werden will, „Pro Trump“ und „Pro-Life“. Aber vor genau … | |
dieser Häuser steht inmitten der republikanischen Bekundungen ein „Vote | |
against Prop A“ also gegen die Zufluchtsstadt. Wie passt das zusammen? | |
## Selbst für viele Konservative zu extrem | |
Die Aktivistinnen der ARFA erklären es sich so, dass viele Konservative | |
denken, dass eine „Zufluchtsstadt für die Ungeborenen“ doch zu extrem sei. | |
„Wir haben definitiv höhere Chancen zu gewinnen, wenn auch die Republikaner | |
der Stadt genau wissen, worum es in Prop A geht“, erklärt Courtney Brown, | |
ebenfalls Gründungsmitglied der Alliance. Bisher zeigt sich die Gruppe | |
optimistisch, die Wahl zu gewinnen. Doch sie alle haben viel geopfert. | |
Allein die Zeit, die sie für diesen Kampf investieren, ist jeweils | |
vergleichbar mit einer Vollzeitstelle. Auch mit Anfeindungen müssen sie | |
sich zunehmend auseinandersetzen und stellen deshalb aus Sicherheitsgründen | |
Personal für Veranstaltungen ein, posten keine privaten Details online und | |
haben Überwachungskameras zu Hause installiert. Sicher zu bleiben bedeutet | |
auch, das „A-Wort“ nicht immer auszusprechen. | |
Noch immer ist das Stigma rund um das Thema Abtreibung groß. Das bedeutet | |
auch, dass es vielen Frauen schwerfällt, öffentlich über ihre Abtreibungen | |
zu sprechen. Viele Texanerinnen erzählen anonym darüber: dass sie sogar | |
zwei Abtreibungen hatten, oder dass sie trotz ihrer zwei Kinder sich nicht | |
dem Gesundheitsrisiko aussetzen wollten, in Texas noch einmal schwanger zu | |
sein. | |
Für den Anti-Abtreibungs-Aktivisten und Pastor Mark Lee Dickson ist die | |
Alternative zu Abtreibungen, ein Kind zur Adoption freizugeben, das betont | |
er immer wieder. Beim Frühstück in einem Hotel in Amarillo beantwortet | |
Dickson der taz einige Fragen. Mitten im Gespräch tötet er blitzschnell | |
eine der Fliegen, die um ihn herumschwirren. | |
## Ausweichen bei kritischen Fragen | |
Kritischen Fragen weicht Dickson aus: Was er von Ausnahmen hält, | |
beispielsweise wenn schon vor der Geburt klar ist, dass das Kind | |
beispielsweise aufgrund von einer Behinderung nur Schmerzen hat und nicht | |
lange leben wird? „Woher würden wir denn wissen, ob das Kind leidet?“, | |
antwortet er. „Wir sind nicht hier, um Gott zu spielen.“ Woher kommt das | |
Geld für seine Arbeit? „Spenden“ und: „The Lord provides“. | |
Wie er zu der Kritik steht, dass seine Bewegung die Rechte von Frauen | |
einschränkt? „Ich glaube, dass die Pro-Choice-Bewegung die Rechte von | |
Frauen einschränkt. Sie nimmt ihnen die Möglichkeit, gute Mütter zu sein.“ | |
Wenn Dickson über seine Arbeit berichtet, wirkt er unheimlich stolz. Für | |
ihn sei es wichtig, ethisch zu handeln, Menschenleben zu retten. Seine | |
Arbeit? „Ich entscheide mich dafür, das Richtige zu tun.“ | |
Er selbst hat keine persönliche Erfahrung mit Abtreibungen gemacht. In den | |
Medien inszeniert er sich als „39-jährige Jungfrau“, ein Missionar, der | |
Kliniken aus Texas heraushalten will. An seinem Jackett haftet ein goldener | |
Anstecker in der Form von Texas, darunter baumeln an einem Federring kleine | |
Babyfüße. Für Dickson ist es das Hauptziel, ein nationales Verbot des | |
„Tötens von ungeborenen Kindern“ zu verhängen. | |
Oft spricht er von Abtreibungshandel, bei dem das ungeborene Kind gegen | |
seinen Willen über Texas Grenzen hinausgebracht wird. Auch die „Industrie“ | |
rund um Abtreibung ist ihm ein Dorn im Auge. Ärzt*innen würden Profit aus | |
Abtreibungen schlagen. Wenn er darüber redet, klingt es so, als würde er in | |
Kliniken organisiertes Verbrechen sehen. Die Abtreibungsindustrie, wie er | |
sie nennt, ist für ihn historisch vergleichbar mit dem Naziregime. | |
Diese Ansicht verbreitet er auch in den sozialen Medien, wie auf X: | |
„Während des Holocausts brachten die Nazis unschuldige Juden in die | |
Gaskammern, um sie dort zu töten. Beim heutigen Abtreibungsholocaust | |
bringen Abtreibungshändler (Nazis) ungeborene Kinder im Mutterleib | |
(unschuldige Juden) in Abtreibungseinrichtungen (Gaskammern), um sie dort | |
umzubringen.“ Auch mit grausam haltlosen und den Holocaust relativierenden | |
Ansichten wie diesen wird das Stigma rund um Abtreibungen verstärkt. | |
Doch auch der gegenteilige Effekt ist möglich. Laina Seaberg, eine | |
Bewohnerin von Amarillo, hatte sehr lange Angst, ihre Meinung über das | |
Thema öffentlich zu teilen. Heute sagt sie: „Frauen finden bei dieser Wahl | |
ihre Stimme. Ich fühle mich empowered gegen Prop A zu stimmen.“ Egal, wie | |
die kommende Wahl nun ausgeht, „die Aktivistinnen der ARFA machen weiter“, | |
kündigt Courtney Brown an. Und sie wollen für die anderen 26 Städte um | |
Amarillo herum eine Art Playbook schreiben: wie man Dickson und seine Leute | |
stoppen kann. | |
Diese Recherchereise wurde durch das Daniel-Haufler-Stipendium der taz | |
Panter Stiftung ermöglicht. | |
30 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://comanchetrail.church/ | |
[2] https://ballotpedia.org/Amarillo,_Texas,_Proposition_A,_Local_Abortion_Poli… | |
[3] https://www.nytimes.com/2022/06/24/us/roe-wade-overturned-supreme-court.html | |
[4] https://www.amarillorfa.org/ | |
## AUTOREN | |
Julia Belzig | |
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