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# taz.de -- X-Chef Elon Musk: Immer im Krieg
> Twitter verwandelte er erst in X, dann in ein Shithole. Öffentlich
> stachelt er zum „Bürgerkrieg“ auf. Wie Elon Musk König der Cyberhetze
> wurde.
Bild: „Eines Tages, als ich klein war, warnten mich meine Eltern davor, mit F…
Es sind keine guten Wochen für Donald Trump. Kamala Harris und Tim Walz,
das Kandidatenduo der Demokraten, hat das Momentum und in den Umfragen
einen Raketenstart. [1][Sie sprechen vor knallvollen Aren]en, während zu
Trump-Rallies oft nur ein paar tausend Fans kommen. Trump grämt das. Vor
etwas mehr als einer Woche gab er eine groteske, wirre Pressekonferenz an
seinem Landsitz Mar-a-Lago. [2][Ein „Interview“, geführt von Elon Musk],
auf dem Ex-Twitter Audiodienst „X-Spaces“ sollte kurz darauf wieder für
etwas Schwung sorgen.
Am Ende wurde es eine Farce. Erst stürzte die Technologie ab und ließ sich
lange nicht hochfahren, dann nuschelte der Republikaner-Kandidat
unverständliches Zeug vor sich hin. Musk wiederum war ergriffen von der
eigenen Bedeutung, zugleich peinlich unterwürfig, eine seltsame Mischung
aus Devotheit und Gigantomanie. Zwischenzeitlich wurde im Duett auf
Herrenreiterart verächtlich über Arbeiter gelacht, die für bessere
Arbeitsbedingungen streiken, die „Kannst gleich gehen!“ zu hören bekommen,
hohoho.
Elon Musk, der Tesla- und Space-X-Gründer und reichste Mann der Welt, dreht
vollends frei. Vom Milliardär mit bizarren Ansichten hat sich der
53-Jährige zum verbissenen Aktivisten radikalisiert. Zuletzt stachelte er
die britischen Pogrome von Rechtsextremen noch einmal an, die durch die
Fake-Nachricht ausgelöst wurden, der Messerstecher, der [3][drei kleine
Kinder in einem Tanzstudio ermordet hatte], sei ein gerade eingewanderter,
muslimischer Flüchtling. „Civil War is inevitable“ – „Bürgerkrieg ist
unausweichlich“, trommelte Musk auf X.
„Eines Tages, als ich klein war, warnten mich meine Eltern davor, mit Feuer
zu spielen“, verriet Musk einmal seinen Biografen. „Also nahm ich eine
Schachtel Streichhölzer mit hinter einen Baum und fing an, sie anzuzünden.“
Musk erzählt die Anekdote, als wäre sie ein Schlüssel zu seinem Selbstbild.
## Obsession für Bürgerkrieg
Überhaupt scheint er eine ziemliche Obsession für Bürgerkrieg zu haben, den
er mit wohligem Schauder in schöner Regelmäßigkeit in Postings beschwört.
Eine Angstlust, eine Geilheit nach Gewalt, die aber verbunden ist mit
totaler Angst.
„Was wir auf unseren Straßen gesehen haben, ist ein organisierter,
gewalttätiger Mob, und der hat keinen Platz, weder auf der Straße noch
online“, so eine offizielle Londoner Regierungs-Reaktion. Großbritanniens
Premier Keir Starmer legte noch nach: „Wenn man zu Gewalt aufruft, spielt
es keine Rolle, ob dies online oder offline geschieht. Genauso kann jeder,
der online eine Straftat begangen hat, die gleiche Reaktion erwarten.“
Amerikaner, die mit Falschmeldungen oder Gutheißung terroristischer Gewalt
Pogrome schüren, könnten verhaftet oder aus dem Land ausgewiesen werden,
erklärten britische Regierungsvertreter.
Musk verstand das auch auf sich gemünzt, heulte, die britische Regierung
greife „die freie Meinung“ an und stellte sie mit der „Sowjetunion“ auf
eine Stufe. Er wurde nicht namentlich erwähnt. Ein Haftbefehl ist für ihn
noch nicht ausgestellt.
Der 228-Milliarden-Mann greift nicht nur persönlich als Aktivist und
geistiger Brandstifter ein. Das zum X verkommene Twitter hat er in ein
Fake-News-Shithole verwandelt, das nicht nur die Zwietracht schürt und
Desinformation Raum gibt. Die Algorithmen begünstigen Aufstachelung.
Skurrilerweise dürfte Musk sich dabei selbst gleich mit radikalisieren. Wer
dem Negativismus dauernd ausgesetzt ist, macht eine Gehirnwäsche durch.
Die Folgen sind verheerend, aber die Social-Media-Plattformen spielen
Unschuldslämmer. Sie seien ja nur Plattformen, die die Infrastruktur zur
Verfügung stellen – für die User könne man nichts. Würde man sie als
„Medien“ behandeln, wäre das ganz anders: Dann wären sie, wie jeder
Zeitungsherausgeber, für Lügen, Verleumdungen und Gewaltverherrlichung
mitverantwortlich.
Nichtsdestoweniger hat die EU-Kommission gegen X bereits mehrere Verfahren
wegen Verstoßes gegen den „Digital Service Act“ laufen. X, Telegram, Tiktok
sind auf jeweils unterschiedliche Weise zu Brandbeschleunigern geworden.
Musks radikale politische Agenda setzt dem ganzen nur die Krone auf.
Gern spricht Musk vom „Woke Mind Virus“, den er für eine neue Form des
Kommunismus hält. Obsessiv postet er zum beliebten rechtsextremen
Themenstrauß. [4][AfD-Mann Björn Höcke tröstet er], weil der nicht
ungestraft in SA-Manier „Alles für Deutschland“ brüllen darf. Natürlich
konnte Musk auch die globale Cyberhetze gegen die [5][algerische Boxerin
Imane Khelif nicht vorbeigehen lassen], ohne sie extra anzustacheln.
Besonders widerwärtig anzusehen ist, dass Elon Musk sogar seine eigene
Trans-Tochter öffentlich mobbt, statt sich ihrer mit Zugewandtheit
anzunehmen. Als Vater sei er „grausam“ und „gefühllos“ gewesen, sagt s…
Musk ist nur einer von vielen Superreichen, die heutzutage einen
Ideologiecocktail verrühren, der Autoritarismus, Kulturkampf,
technologische Fortschrittlichkeit und ökonomischen Radikalliberalismus
verbindet. Aber er hat sich in die totale Wirrköpfigkeit hineingesteigert.
Elon Musk verkörpert, so wie auch Peter Thiel, mit dem er einstmals
gemeinsam Paypal gründete, den Typus der autoritären Libertären unter den
Tech-Visionären der US-amerikanischen Westküste. Junge Männer, Nerds, mit
einem gehörigen Schuss Gigantomanie und Arroganz, die sich als Mover und
Shaker sehen, die die Welt durch Unternehmertum verändern – und die der
Hype zu Multimilliardären machte. Die dabei aber, so empfinden sie das, von
progressiven Moralisten, von faulen Sozialstaat-Abhängigen und von einem
intervenierenden Staat behindert werden.
Die libertären Autokratiefans sind eine schräge Mischung aus anarchisch und
autoritär, geprägt sind sie wohl auch durch ihren biografischen
Hintergrund. Musk wurde in Südafrika sozialisiert, Thiel lebte eine Zeit
lang im heutigen Namibia. „Nerds, die immer noch von weißen Erobererideen
angetrieben werden, von dieser Idee von unentdeckten Ländern (die natürlich
bewohnt waren), die sich im Westen der USA, wo die blutige Expansion
europäischer Siedler:innen endete, mit digital ideas und disruptive
technologies niederließen“, wie der Dramatiker Thomas Köck in seinem diese
Woche erschienenen Buch „Chronik der laufenden Entgleisungen“ bemerkt.
Peter Thiel proklamierte bereits 2009: „Ich glaube nicht länger, dass
Freiheit und Demokratie miteinander vereinbar sind.“ In der Demokratie
neigt die Politik zur „Einmischung in anderer Leute Leben ohne ihre
Zustimmung“. Letztlich vertritt Thiel eine rassistische und
antidemokratische Ideologie, von der sein Biograf einmal sagte, sie „grenze
an Faschismus“.
Radikale Libertäre und die faschistische Rechte sollten, möchte man meinen,
eher Schwierigkeiten miteinander haben. Hier Individualismus,
Freiheitspathos und Feindschaft gegen jede Form von Staatsmacht, dort
ethnonationaler Gemeinschaftskult und Liebe zum Totalitären. Aber schon
Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman, der Säulenheilige der
Radikalliberalen, war nicht zufällig ein Bewunderer von Militärdiktatoren
wie Augusto Pinochet. Friedman glaubte vielmehr, dass „eine demokratische
Gesellschaft, wenn sie einmal gefestigt ist, die freie Wirtschaft
zerstört“.
Thiel wiederum erklärte unlängst, das Christentum sei an „Woke“ schuld,
weil es „immer die Seite der Opfer einnimmt“. Parteinahme für Opfer,
Verlierer, Unterprivilegierte oder Unterdrückte, das sei die Pest, so die
Ideologie: denn sie behindere die Tatkräftigen, mache den Winnern ein
schlechtes Gewissen und gebe den vielen Schwachen eine Stimme. Bei Leuten
wie Musk und Thiel wird diese Überzeugung noch mit einer Art
Nietzscheanismus für simple Gemüter vermengt, einer Übermenschenfantasie.
Musk bewundert entsprechend Javier Milei, den argentinischen „Libertären“,
der mit 56 Prozent der Wählerstimmen zum Präsidenten gewählt wurde, einen
ultraradikalen Schreihals, der nicht für einen schlanken Staat eintritt,
sondern für die Zerstörung aller staatlichen Institutionen, der sich als
„Anarchokapitalist“ versteht und die gelb-schwarze Fahne schwenkt.
Musk hat Milei angerufen und ihn seiner Unterstützung versichert – und, wie
Milei später freimütig gestand, bei der Gelegenheit auch Interesse an
Argentiniens Lithiumvorräten geäußert. Ob Donald Trump, Jair Bolsonaro,
Benjamin Netanjahu, Indiens Narendra Modi – kein radikaler,
ultranationalistischer Zündler, bei dem Musk es nicht mit seiner
Ranschmeißerei versucht.
Charakteranalysen verweisen gern auf Musks Kindheit in Südafrika und seinen
schwierigen Vater. „Rüde auf dem Schulhof oder im Zeltlager verprügelt zu
werden, gehörte zu Musks bleibenden Kindheitserinnerungen, die von toxisch
maskulinen Werten geprägt waren.“ (Nils Jacobsen) Musk kombiniert geniale
Gedanken, manchmal naives, unverständliches Verhalten und Charakterzüge wie
weitgehende Empathielosigkeit, die gelegentlich mit seinem
Asperger-Autismus entschuldigt werden.
„Du musst dich nicht immer in einem Kriegszustand befinden“, soll Shivon
Zilis zu Musk einmal gesagt haben, die Managerin und Venture-Kapitalistin,
mit der Musk drei Kinder hat. Seine Replik: „Es ist aber Teil meiner
Voreinstellungen.“
18 Aug 2024
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## AUTOREN
Robert Misik
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